5. Parteitag der PdA: Politischer Bericht des Vorsitzenden Tibor Zenker

Politischer Bericht von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs, am 5. Parteitag der PdA, Wien, 23. April 2022

Liebe Genossinnen und Genossen!

Noch vor wenigen Wochen bin ich davon ausgegangen, dass mein heutiger Rückblick auf die Periode seit dem 4. Parteitag der PdA mit der Corona-Pandemie beginnen würde – und dass diese sowie ihre Folgen und Hintergründe den zentralen Themenbereich bilden müssten. Nun ist es jedoch seit zwei Monaten eine Tatsache, dass wir mit einem zwischenstaatlichen Krieg in Osteuropa konfrontiert sind, der zwischen den Streitkräften der Russischen Föderation und jenen der Ukraine geführt wird.

Wir haben von Anfang an gesagt, dass es ein imperialistischer Krieg ist und dass der russische Angriff nicht zu rechtfertigen ist. Wir haben keine Illusionen gegenüber den russischen Militäroperationen und dem russischen Staat, die weder einen antiimperialistischen noch einen antifaschistischen Charakter aufweisen. Seit der Konterrevolution in der sozialistischen Sowjetunion und deren Auflösung haben wir es mit einem wesentlich anderen Russland zu tun, mit einem bürgerlich-kapitalistischen Klassenstaat, in dem kommunistische Kräfte systematisch unterdrückt werden und für den wir schon allein deshalb gewiss keine besonderen Sympathien hegen. Darüber hinaus weist Russland alle Merkmale eines imperialistischen Staates auf: Die wesentlichsten Bereiche der Wirtschaft werden von staatlichen und privaten Monopolen bestimmt, die Monopole in Industrie, Ressourcenförderung, Rüstung, Landwirtschaft und Handel sind mit dem Bankensektor verknüpft, es existiert auf dieser Basis eine entsprechende Finanzoligarchie, deren Kapitalexport expansive Ziele verfolgt. Die Putin-Regierungen haben auch das staatsmonopolistische System ausgebaut, und gerade auf dieser Grundlage spielt das russische Großkapital keine unwesentliche Rolle, wenn es um die zwischenimperialistische Konkurrenz um Einflusssphären, geostrategische Positionen, Ressourcen, Transportrouten, Marktanteile und Investitionsmöglichkeiten geht, was durch das Vorhandensein einer hochgerüsteten Armee unterstrichen wird.

Man soll sich nicht täuschen lassen: Nur weil der russische Imperialismus gegenüber dem US-Imperialismus und dessen Verbündeten der relativ kleinere, schwächere Imperialismus ist, ist er noch lange kein guter Imperialismus, denn einen solchen gibt es nicht, wie übrigens auch nicht das Maximum zur Messlatte gemacht werden kann. Der Imperialismus als höchstes, monopolistisches Stadium des Kapitalismus ist ein Weltsystem, und in diesem agieren auch das russische Monopolkapital, sein Staat und sein Militär an gegebener Position. Nicht richtig ist die Einschätzung, dass Russland in der Vergangenheit ein solches Gegengewicht zu den USA und zur NATO gewesen wäre, das in einer „multipolaren Weltordnung“ das Völkerrecht verteidigt und eine „objektiv antiimperialistische“ Rolle gespielt hätte. Es handelt sich lediglich um eine Scheinkorrelation, die allein den russischen Interessen entspringt. Russland verteidigt nicht den Frieden, das Völkerrecht oder das Selbstbestimmungsrecht der Völker oder gar die Interessen der globalen Arbeiterklasse, sondern handelt nach eigenen Zielen und eigenem Nutzen. Und spätestens mit dem Angriff auf die Ukraine ist der Punkt erreicht, wo man sich von Illusionen, Wunschdenken und Phantomschmerzen verabschieden sollte: Die Russische Föderation ist nicht die UdSSR – und sie spielt nicht einmal ansatzweise eine vergleichbare Rolle, weder im UNO-Sicherheitsrat noch in der realpolitischen und ökonomischen Welt, geschweige denn im internationalen Klassenkampf.

Freilich, es gibt den Hinweis, man müsse aus kommunistischer Sicht die zwischenimperialistischen Gegensätze zum eigenen Vorteil ausnützen und punktuelle, zumindest taktische Verbündete suchen. Das gilt auf bi- und multilateraler Ebene, auf internationaler Ebene gewiss für die verbliebenen staatlich-sozialistischen Bastionen, für antiimperialistische Bewegungen, für nationale Freiheitskämpfe. Und es gilt wohl auch für jene kapitalistischen Staaten, die in der imperialistischen Pyramide eine untergeordnete Rolle spielen und die sich aus der asymmetrischen Abhängigkeit von den USA oder EU-Staaten befreien wollen. Das ist letztlich Weltpolitik und Geopolitik, das ist Diplomatie, wirtschaftliche und mitunter militärische Kooperation. Aber wir als PdA sind eine marxistisch-leninistische kommunistische Partei. Wir betreiben keine Geopolitik, sondern den revolutionären Klassenkampf. Daher lehnen wir es ab, in einer Auseinandersetzung zwischen imperialistischen Räubern uns mit einer Seite gemein zu machen, gar eine Seite zu unterstützen, denn unseren alleinigen Bezugspunkt bilden die Arbeiterklasse und ihre Interessen, in Österreich und weltweit, in jedem Land der Erde. In einem imperialistischen Krieg mit entsprechendem Klassencharakter haben die Arbeiterinnen und Arbeiter nichts zu gewinnen. Ihr Hauptfeind sind das eigene Kapital und die eigenen Imperialisten, nicht andere Völker. Unsere Solidarität gilt der Arbeiterklasse in Russland und der Ukraine, denen wir einen raschen Frieden und in weiterer Folge die organisatorische Kraft wünschen, ihre jeweiligen kapitalistischen Kriegstreiber zu stürzen.

Wir werden aber, bei aller Verantwortung der russischen Regierung, angesichts des Ukrainekriegs bestimmt nicht in den Chor der westimperialistischen Politik und Medien einstimmen, die eine hemmungslose und rigorose, chauvinistische, teilweise offen rassistische antirussische Kampagne fahren, und nebenbei auch bemüht sind, das Erbe der Sowjetunion und des Sozialismus weiter zu diffamieren. Und schon gar nicht teilen wir die hetzerischen Wünsche des Kiewer Regimes nach einer umfassenden Ausweitung des Krieges, mit immer neuen und massiveren Waffen, in Richtung einer direkten NATO-Beteiligung, eines möglichen Weltkrieges oder gar eines Atomkrieges.

Man kann zudem die Tatsache nicht vom Tisch wischen – auch wenn es unsere Regierungen und Medien gerne versuchen –, dass dieser Krieg eine Vorgeschichte hat. Die Ukraine schwankte lange zwischen der Orientierung einer EU-Anbindung und einer Partnerschaft mit Russland, was im Inneren den divergierenden Interessen verschiedener ukrainischer Kapitalfraktionen entsprach, auf internationaler Ebene der zwischenimperialistischen Konkurrenz. Diese Auseinandersetzung wurde im Jahr 2014 vorerst entschieden: Der damals amtierende, demokratisch gewählte Präsident, der für eine Russlandorientierung stand, wurde durch einen gewaltsamen Putsch, der von den USA und der EU unterstützt wurde, entmachtet und vertrieben. Was man in Westeuropa als „Maidan-Revolution“ feierte, war nichts anderes als ein illegaler, verfassungswidriger Staatsstreich, der massiv von neofaschistischen Kräften mitbestimmt wurde. Die bis dahin amtierende Regierungspartei und auch die Kommunistische Partei der Ukraine wurden verboten, die Parlamentssitze kassiert. Das ist die wahre Grundlage, auf der das gegenwärtige „demokratische“ ukrainische Régime entstanden ist und existiert. Es gab und gibt schwere Verbrechen und systematische Repressionen der Putschisten und der Neonazis gegen die russischsprachige Bevölkerung, gegen andere kleinere Minderheiten, gegen Gewerkschafter und Kommunisten. Und im Osten des Landes, im Donbass, führte die ukrainische Armee ebenso lang, seit bereits acht Jahren, einen rücksichtslosen Krieg gegen die Bevölkerung der Regionen Donezk und Lugansk, die man in Kiew nichtsdestotrotz als eigene Staatsbürger betrachtet. Die demokratischen, gar „humanistischen“ Werte, die Selenskyj angeblich für ganz Europa verteidigt, existieren nicht in der Ukraine. Dies wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass das Régime nach dem nunmehrigen Kriegsbeginn elf weitere Parteien illegalisiert hat, darunter die größte, inhaltlich tendenziell sozialdemokratische Oppositionspartei im Kiewer Parlament, und eine Gleichschaltung der Medien vorgenommen hat, während gleichzeitig innerhalb der regulären staatlichen Armee explizite Neonazi-Bataillone aktiv sind. Der historische Nazi-Kollaborateur und Kriegsverbrecher Bandera wird zum „Volkshelden“ uminterpretiert, und der Große Vaterländische Krieg der Sowjetvölker gegen die deutsch-faschistischen Invasoren mit Lügen umgedeutet, um die Bevölkerung nationalistisch zu manipulieren und zu mobilisieren. Das ist die Ukraine, die als Leuchtfeuer der Freiheit und Demokratie herhalten soll. All diese Tatsachen sollen nicht vergessen werden, auch wenn sie keineswegs eine Rechtfertigung und auch nicht den wahren Grund für den russischen Angriff markieren.

Ebenso wenig ist die Rolle der USA, der EU und der NATO in diesem Konflikt auszublenden. Im Falle der USA ist es eindeutig: Sie sind als bisherige imperialistische Hegemonialmacht auf dem absteigenden Ast, der Dollar ist in Wirklichkeit nicht einmal mehr das Papier wert, auf das er massenhaft gedruckt wird. Die Option, die dem US-Imperialismus letztinstanzlich bleibt, ist die militärische Karte, denn hier besteht noch eine gewisse Überlegenheit. Nach vorbereitender Kriegstreiberei auf allen Kanälen, der Dämonisierung und Einkreisung Russlands sowie der Aufrüstung der Ukraine erhält man in Washington, was man wollte, nämlich den Krieg. Dieser soll und wird – auch bei einem Sieg – Russland schwächen, militärisch und wirtschaftlich. Dabei geht es nicht nur um einen direkten Konkurrenten, sondern auch um den indirekten in der größeren Auseinandersetzung bei der Neuaufteilung Welt und dem Kampf um die Hegemonialposition – und das ist China, dessen wichtigster Verbündeter die Russische Föderation ist. Gewissermaßen trägt der Ukrainekrieg auch Facetten eines Stellvertreterkrieges in sich.

Gleichzeitig gelingt es den USA, im transatlantischen Kriegsbündnis NATO über die gemeinsame Frontstellung gegen Russland die europäischen Bündnispartner bei der Stange zu halten, obwohl diese – nicht zuletzt Deutschland – eigentlich eigene und andere Interessen hätten. Die Tage der NATO als imperialistisches Zweckbündnis wären womöglich gezählt gewesen, doch der Krieg macht es wieder „alternativlos“ und führt vermutlich sogar zu einer Erweiterung in Skandinavien. Und es ist von recht origineller Ironie, dass die Sanktionsspirale oder besser: der Wirtschaftskrieg, in den sich die NATO- und EU-Staaten begeben haben, in Europa einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden anrichten wird, während man diesen in den USA minimieren wird können. Die USA sind also nicht nur bereit, bis zum letzten ukrainischen Soldaten kämpfen zu lassen, sondern auch, Europa massiven sozialen Verwerfungen auszusetzen und im Zweifelsfall sogar zum Schlachtfeld werden zu lassen. Die eigenen militärischen Hauptkräfte werden hingegen im Pazifik, gegen den Hauptrivalen China konzentriert.

Die Empörung, die man in Washington und Brüssel über den russischen Angriff vorspielt, ist indessen von beispielloser Heuchelei. Die USA sind nach 1945 mit Abstand der Hauptaggressor und Hauptkriegsverbrecher, auf der ganzen Welt, dafür stehen Kriege und Interventionen von Korea über Vietnam bis Lateinamerika. Und gerade wenige Jahre nach dem Ende der UdSSR haben die USA und die NATO mit dem Angriff auf Jugoslawien jenen völkerrechtswidrigen „Tabubruch“ gegen die UN-Charta salonfähig gemacht, den sie nun beklagen. Dies setzte sich fort mit den Kriegen in Afghanistan, gegen den Irak und Libyen, gegen Syrien, im Jemen, und auch an den Zuständen in Palästina und Kurdistan ist der US-Imperialismus in Komplizenschaft mit Israel und der Türkei nicht unmaßgeblich mitverantwortlich. Alle diese Kriege mit ihren Millionen von Toten, die auf das Konto der USA, der NATO und ihrer regionalen Verbündeten gehen, sind ebensolche oder sogar schwerere Verbrechen, in Relation zum russischen Angriff auf die Ukraine. Dabei geht es jedoch nicht um Aufrechnung und Relativierung. Sondern es geht darum, die Heuchelei und die Doppelstandards zu entlarven sowie vor allem darum, die Systematik sichtbar zu machen: Der Krieg als Fortsetzung der Politik mit blutigen Mitteln ist dem Imperialismus systemimmanent gegeben – er ist eine unausweichliche Konsequenz, ja, eine Gesetzmäßigkeit, vor dem Hintergrund der zwischenimperialistischen Konkurrenz und der ungleichmäßigen Entwicklung. Es gibt keinen friedensfähigen Imperialismus.

Kommen wir zur Rolle Österreichs, die durchaus eine spezielle ist: Da Österreich kein NATO-Mitglied und nach einem geltenden Verfassungsgesetz „immerwährend neutral“ ist, werden immerhin keine Waffen an die Ukraine geliefert. Das ist aber auch schon das einzig Positive, das man vermerken kann. In den politischen Bekenntnissen und medialen Verlautbarungen verhält sich die österreichische Regierung – und für die Opposition gilt zum Großteil dasselbe – wie eine Kriegspartei. Der Bundeskanzler gibt den regionalen Pressesprecher des NATO-Hauptquartiers. Berichte, Schuldzuweisungen und Interpretation noch nicht aufgeklärter oder nicht untersuchter Ereignisse sind einseitig: Alles, was das Kiewer Régime behauptet, wird für bare Münze genommen und weiterverkauft, ohne auch nur eine Sekunde über den Wahrheitsgehalt und etwaige logische Zusammenhänge nachzudenken. Es ist daher kein Wunder, dass auch Österreich in Moskau als „unfreundliche Nation“ eingestuft wird, ebenso wie die NATO-Mitglieder – mit allen Konsequenzen der Parteinahme und Sanktionspolitik. Die einzige Sorge, die man in Österreich hat, ist die weitere Versorgung mit russischem Erdgas – hier besteht eine besondere Abhängigkeit, der sich das Kapital und die Regierung nicht verschließen können. Wohlgemerkt freilich nicht deshalb, damit die Wohnungen der Bevölkerung weiterhin beheizt werden und über Warmwasser verfügen, sondern wegen den industriellen Interessen. Wirtschaftlich ist es so, dass der limitierte österreichische Imperialismus bedeutende Verluste hinnehmen muss, bereits jetzt, z.B. im Bankensektor, bei der Agrarwirtschaft, in der Baubranche oder im Telekombereich, denn man ist in Russland, Weißrussland, der Ukraine und Kasachstan überdurchschnittlich engagiert.

Schlussendlich werden sich Österreichs Kapital und Politik mit der Kriegswirtschaft abfinden – und die Bevölkerung wird die Zeche begleichen, in jeder Hinsicht. Die Europäische Union, in der es nach österreichischer Lesart keine Neutralität gibt, die Teilnahme an der so genannten „Partnerschaft für den Frieden“ der NATO, die Rolle als Juniorpartner oder Rattenschwanz des BRD-Imperialismus sowie strategische Vereinbarungen mit den USA ketten Österreich in Wirklichkeit felsenfest an den Westimperialismus. Bis zum Ende der UdSSR mag das Neutralitätsgesetz eine Teilwirkung entfaltet und gewisse Handlungsspielräume impliziert haben, doch eine Chimäre war es immer schon: Niemals gab und konnte es eine tatsächliche Neutralität zwischen dem nordamerikanisch-westeuropäischen Imperialismus und dem sowjetisch-osteuropäischen Sozialismus in der Systemkonkurrenz geben. Und seither betrachten die österreichischen Regierungen die Neutralität in Wirklichkeit als obsolet, auch wenn sie sich nicht immer trauen, das auch laut auszusprechen. Die Aushöhlung der Neutralität zur nur noch rhetorischen Hülle ist weit vorangeschritten, wodurch wir es faktisch nur noch mit einer begrenzten militärischen Paktfreiheit zu tun haben. Das bedeutet jedoch nicht, dass es bereits egal wäre. Nein, wir müssen die Herrschenden durchaus darauf festnageln und die Einhaltung der Neutralitätsbestimmungen einfordern, denn sie beruhen auf Verfassungsgesetzen und internationalen Staatsverträgen. Was wir dabei aber nicht haben dürfen, sind unbegründete Illusionen in die Realpolitik. Und eines ist auch klar: Eine „gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der EU“ und eine „EU-Armee“ sind natürlich auch keine positiven Alternativen, denn sie bedeuten ja nur die Militarisierung und Kriegstauglichmachung eines weiteren imperialistischen Bündnisses, das sich Großteils ohnedies mit der europäischen NATO überschneidet.

Im Schatten oder eher im Windschatten des Ukrainekrieges soll nun auch in Österreich massiv aufgerüstet werden. Mit absurden Bedrohungsszenarien wird eine Vervielfachung des bisherigen Budgets des Bundesheeres forciert. Die neuen Hubschrauber sind bereits im Anflug, im Bereich der Kampfflugzeuge steht eine Entscheidung bevor. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis man uns erklären wird, dass die Beschaffung von modernen Raketensystemen, Drohnen und zusätzlichem schweren Gerät eine verteidigungspolitische Notwendigkeit sei.

Vor diesem gesamten Hintergrund hat die PdA seit ihrem letzten Parteitag immer klar Stellung bezogen: Gegen Aufrüstung und Militarisierung, gegen NATO-Truppen auf österreichischem Staatsgebiet, gegen gemeinsame Manöver, gegen die Teilnahme Österreichs an der PESCO der EU und der NATO-PfP, gegen die Okkupationstätigkeit des Bundesheeres am Balkan, gegen die gänzliche Abschaffung der Neutralität. Die PdA muss eine Friedenspartei sein, nicht aufgrund eines utopischen Pazifismus, sondern als konsequent antimilitaristische Kraft im Sinne der Arbeiterklasse und der Völkerfreundschaft, des Antiimperialismus und des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen. Auch hier gilt: Wir haben keine Illusionen gegenüber den Vereinten Nationen, gegenüber der OSZE, dem Internationalen Strafgerichtshof und dem Völkerrecht. Im Rahmen des imperialistischen Weltsystems scheren sich die Hauptaggressoren im Zweifelsfall nicht um ihre eigenen Institutionen und Verträge. Doch wir müssen daran erinnern, nicht zuletzt im Sinne der Aufklärung der Bevölkerung. Die Kriegstreiber und Verbrecher sind zu entlarven und zu benennen, im Gegenzug gibt es die Chance der Etablierung einer wirksamen solidarischen Friedensbewegung und v.a. einer bewussten antimilitaristischen und antiimperialistischen Arbeiterbewegung, die ihre Hauptfeinde kennt und vehement bekämpft. Und in der die Erkenntnis heranreift, dass der Kapitalismus selbst die Wurzel des imperialistischen Krieges ist.

Der konkrete Fall des Ukrainekrieges verdeutlicht dies im historischen Vergleich besonders markant – und auch dies haben wir thematisiert sowie agitatorisch klargemacht: Die Völker der Sowjetunion lebten über Jahrzehnte untereinander in Frieden, erst die Konterrevolution brachte wieder Kriege zwischen den ehemaligen Teilrepubliken. Daher ist unsere unmissverständliche Botschaft: Eine nachhaltige Friedenssicherung verlangt die siegreiche sozialistische Revolution. – Kapitalismus bedeutet Krieg, Sozialismus bedeutet Frieden. Je stärker die Kommunistinnen und Kommunisten und das sozialistische Lager sind, desto sicherer ist der Frieden.

Liebe Genossinnen und Genossen!

Nach diesem kurzen Einschub zum aktuellen Krieg und seinen Hintergründen, kehre ich an den Beginn der Periode seit dem 4. Parteitag zurück. Wie ihr alle wisst, entfaltete sich recht bald, im Frühjahr 2020, die Corona-Pandemie. Sie hat vieles überschattet und beeinflusst – und selbstverständlich wurde sie zum politischen und gesellschaftlichen Hauptthema der vergangenen beiden Jahre.

Wir haben von Beginn an gefordert, dass sofortige Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung umfassend zu schützen, zum Teil mit durchaus konkreten Vorschlägen, die oft die Betriebe und Arbeitsstätten betrafen, die von der Regierung besonders vernachlässigt wurden. Rasch hat sich gezeigt, dass die österreichische Bundesregierung und die Landesregierungen nicht in der Lage und vor allem auch nicht willens sind, die richtigen Prioritäten zu setzen. Die oberste Direktive der wechselnden Kanzler und Gesundheitsminister bestand nicht im Schutz, in der Versorgung und Behandlung der Bevölkerung, sondern in ökonomischer Schadensbegrenzung. Auch in der Pandemie hat die Regierung die Interessen des Kapitals über jene der Menschen gestellt. Dafür stehen die unwürdigen Schauspiele in der Tourismusbranche, das Offenhalten in der Produktion und auch die Verteilung der „Hilfsgelder“: Die Unternehmen wurden mit zig Milliarden Euro gefüttert, um fehlende Profite zu kompensieren, während die Einkommensverluste der unselbständig Beschäftigten und kleinen Selbständigen gar nicht oder unzureichend ausgeglichen wurden. Darüber hinaus fanden sich bald findige Unternehmer, die mit Hilfe der Regierungen selbst aus der Pandemiebekämpfung noch lukrative Geschäfte machen konnten.

Auf der Strecke blieb die Bevölkerung, nicht nur sozial, sondern eben auch gesundheitlich. Die Pandemiewellen brachten Millionen von Infizierten und Erkrankten sowie rund 20.000 Todesfälle, die mehr oder minder COVID-19 zuzuordnen sind. Dafür trägt die Regierung die Verantwortung, denn sie hat in der Pandemiebekämpfung weiträumig versagt. Teilweise, weil sie, wie gesagt, die kapitalistischen Profite retten wollte, teilweise, weil sie stattdessen nur um PR-Inszenierungen bemüht war, teilweise aus blanker Unfähigkeit, Ignoranz und Missachtung der Bevölkerung. Zwischendurch versuchte man, die Pandemie zur Privatsache zu erklären und immer wieder diese oder jene Gruppe als Sündenböcke für das eigene Versagen vorzuschieben. Viele Maßnahmen kamen zu spät oder zu nachlässig, andere zu früh – eine wirkliche Strategie war über zwei Jahre hinweg nie zu erkennen. Dass man am Ende quasi bei der „Durchseuchung“ gelandet ist, mag auch am Wesen der Omikron-Variante liegen, doch es entspricht auch der wahren Interessenslage der Herrschenden: Kranke und Tote nehmen sie bis zu einem gewissen Grad in Kauf, wenn nur die „Normalität“ des Kapitalismus wiederhergestellt werden kann. 

Neben Gesetzen und Verordnungen, die vom Verfassungsgerichtshof als gesetz- oder verfassungswidrig aufgehoben werden mussten, markiert die gescheiterte Impfkampagne die Spitze des Regierungsversagens, bei der man es insbesondere mit Repression, aber auch mit falschen Versprechungen versuchte. Die schließlich auf den Weg gebrachte allgemeine Impfpflicht, die wir als PdA zurecht als unverhältnismäßig abgelehnt haben, war der finale Rohrkrepierer der Pandemiepolitik von ÖVP und Grünen, mit freundlicher Unterstützung der SPÖ. Das Vertrauen der Bevölkerung ist nicht unverdient auf dem Tiefpunkt – natürlich auch wegen den Korruptionsermittlungen –, doch vielerorts mündet es in widersinnigen Bahnen. – Wir wissen nicht, was die kommenden Monate und insbesondere der Herbst und Winter hinsichtlich Corona bringen werden, doch gewinnt man schon jetzt abermals den Eindruck, dass die Regierung neuerlich keinen Plan hat.

Angesichts der Pandemie ist jedoch nicht nur vom politischen Versagen der Regierung zu sprechen, sondern von einem regelrechten Staatsversagen. Dieser Staat hat versagt, weil er ein bürgerlich-kapitalistischer Staat ist. Seit Jahrzehnten und unter Mitwirkung aller etablierten Parteien wurde das österreichische Gesundheitswesen kaputtgespart. Natürlich, denn für die Volksgesundheit sollen möglich geringe Staatsausgaben und Gelder gebunden werden, die man doch besser dem Kapital in den Rachen werfen kann – dass das Staatsbudget hauptsächlich aus den Lohn- und Massensteuern kommt, spielt dabei freilich keine Rolle. Und so wurden schon seit langer Zeit Krankenhäuser und Stationen geschlossen, hunderte und tausende Spitals- und Intensivbetten abgebaut, die Ausstattung mit medizinischen Geräten, Materialien und Medikamenten zurückgefahren sowie ein allgemeiner Personal- und Ärztemangel in Kauf genommen, der schon vor der Pandemie vielerorts zu medizinischer Unterversorgung und Überlastung des Gesundheits- und Pflegepersonals führte. Gleichzeitig förderte man – auch mit Steuergeldern – private Einrichtungen, damit selbst mit der Gesundheit Profite gemacht werden können, während ein Gutteil der Bevölkerung sich private Behandlungen oder auch nur Selbstbehalte nicht oder schwer leisten kann. Im Kapitalismus sind auch Gesundheit und Tod Klassenfragen. Vor diesem Hintergrund war und ist das österreichische Gesundheitssystem schlicht und ergreifend nicht pandemietauglich – mit purer Absicht der Herrschenden und des Kapitals.

Auf diese Tatsachen haben wir immer wieder hingewiesen. Es braucht ein flächendeckendes, kostenloses und hochwertiges öffentliches Gesundheitswesen für alle. Die Pandemie hat leider eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass der bürgerliche Staat und der Kapitalismus dazu nicht in der Lage sind, denn sie wollen kein Geld an die einfachen Menschen „verschwenden“. Offensichtlich ist, dass wir auch aus diesen Erkenntnissen den Schluss ziehen müssen, dass der Kapitalismus nicht den Bedürfnissen der Menschheit entspricht.

Liebe Genossinnen und Genossen!

Eng verbunden mit der Pandemie ist die Wirtschaftskrise. Die Regierung und ihre bürgerlichen und sozialdemokratischen „Wirtschaftsforscher“ wollen uns sogar weismachen, die Krise sei allein eine Folgeerscheinung der Pandemie. Das ist natürlich nicht wahr. Auch die jetzige Krise ist ein zwingendes, unausweichliches Ergebnis des Kapitalismus, des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Produktion und Distribution bzw. letztlich Konsumtion. Eine scheinbare Überproduktion steht am Markt der ausbleibenden zahlungskräftigen Nachfrage gegenüber. Dass man den Arbeiterinnen und Arbeitern einerseits möglichst niedrige Löhne zugesteht, die jedenfalls unter dem Wert ihrer Produktivität liegen, andererseits im Rahmen der Konsumtion den vollen Preis verlangt, geht sich am Ende einfach nicht aus, und die anarchische Produktion führt zum wechselseitigen Ungleichgewicht der Sektoren, womit man auch keinen Lenkungsmechanismus hat. Kapitalistische Krisen treten daher regelmäßig und gesetzmäßig auf, weil die Realisierung des Mehrwerts als Profit seine logischen, man könnte fast sagen: seine mathematischen Grenzen hat. Die Marktausweitung hat ihre Grenzen. Dass man gleichzeitig versucht, der Überakkumulation und dem tendenziellen Fall der Profitrate mit Finanzinvestitionen beizukommen, die nichts als Spekulationen und im Ernstfall Blasen sind, verschärft die Situation.

Die Krisen sind der praktische Beweis, dass der Kapitalismus nicht funktioniert – daher kommt es zu einer Situation, in der nur noch Kapitalvernichtung und Entwertung den Widerspruch überbrücken können, um den fehlerhaften Kreislauf der kapitalistischen Wirtschaft von neuem zu beginnen. Hier geht es um ökonomische Entwicklungen und Zusammenhänge, angesichts deren Wirkung die bürgerliche „Wirtschaftswissenschaft“ immer wieder gänzlich überrascht und ahnungslos tut, wie vor einem unerklärlichen Naturphänomen, weswegen man der Bevölkerung allerlei Märchen über Konjunkturverläufe erzählt, die gar nichts erklären, sondern nur ablenken sollen. Zum Kern der Sache gelangen sie nie, denn dann müsste man ja den Kapitalismus insgesamt in Frage stellen.

Die Folgen der Krisen für die Arbeiterklasse sind Arbeitslosigkeit, Einkommensverluste, finanzielle Schwierigkeiten, soziale Ausgrenzung und Degradierung, Armutsgefährdung, tatsächliche Armut, Existenzbedrohung, was das unzulängliche Sozialsystem des bürgerlichen Staates nicht kompensieren kann und will. Aber der Staat hat Geld für die bedrohten Unternehmen: Es werden Milliarden Euro in die Hand genommen, um sie zu „retten“, für Subventionen, Kreditvergaben und geförderte Investitionen, wodurch am Ende der Krise die großen Unternehmen sogar gestärkt hervorgehen, wodurch sich der Konzentrations- und Zentralisationsprozess weiter fortsetzt. Denn viele kleinere und mittlere Unternehmen gehen in Konkurs – und auch in der jetzigen Krise ist mit einer bislang verzögerten, aber absehbar durchschlagenden Pleitewelle zu rechnen.

Wir haben angesichts der kapitalistischen Krise an die Herrschenden die Losung gerichtet: „Wir zahlen nicht für eure Krise!“, und dies mit einer Kampagne begleitet. Denn natürlich ist es das Ziel des Kapitals und seiner Regierung, die Krisenlasten und ‑kosten der Arbeiterklasse aufzubürden, direkt und indirekt. Nach der Krise kommen neue Spar- und Belastungspakete auf uns zu, doch viel mehr ist gegenwärtig die Teuerung das spürbare Thema. Viele und immer mehr Menschen haben Schwierigkeit, Wohnen, Energie und mitunter sogar Lebensmittel zu bezahlen. Auch hier haben die Herrschenden eine Ausrede parat – überall wird behauptet, es sei der Ukrainekrieg für die Preissteigerungen verantwortlich. Das ist eine Lüge, denn die Teuerungswelle rollt schon seit über einem Jahr und in den Monaten vor Kriegsbeginn wurden bei der Inflation Rekordwerte erreicht. Durchaus werden der Krieg und damit verbundene Sanktionen und Lieferengpässe die Inflation zusätzlich befeuern, wie ja auch die Pandemie die Krise beschleunigt und verschärft hat. Aber die Ursache liegt nicht hier. Bislang ist nicht ein einziger Tropfen Öl und nicht ein einziger Kubikmillimeter Gas weniger aus Russland nach Österreich geliefert worden, als vereinbart ist. Und trotzdem steigen die zuletzt schon massiv erhöhten Preise immer weiter. Es ist die kapitalistische Marktwirtschaft, die nicht funktioniert. Es sind Spekulationen, die Profite auf unsere Kosten erzeugen. Es ist das System, das Menschen verarmen lässt, während die Reichen immer reicher werden. Denn das ist nun mal der Zweck des Kapitalismus – und er ist es, den wir uns nicht mehr leisten können. Diese Einsicht ist es, die im Mittelpunkt unserer Aufklärung und Agitation stehen muss.

Wir können festhalten: Krisen sind gesetzmäßige Erscheinungen des Kapitalismus, Teuerung und Arbeitslosigkeit sind im Sinne der bestmöglichen Ausbeutung und Unterdrückung sogar gewollt, Lohnabschlüsse unter der Inflationsrate sowieso. Davon profitiert eine kleine Minderheit, während die Masse der Menschen draufzahlt. Eine Wirtschaft ohne Krisen und ohne Ausbeutung wird nur eine sozialistische Wirtschaft sein können, in der das Privateigentum an Produktionsmitteln als systematischer Kern in gesellschaftliches Eigentum überführt wird und eine geplante Produktion stattfindet.

Liebe Genossinnen und Genossen!

Ich habe drei wesentliche Themenbereiche der letzten beiden Jahre umrissen. Man könnte freilich noch über weiteres sprechen: über die ökologische und Klimakrise oder über die Erosion der bürgerlich-demokratischen Herrschaftsform. Aber diese Punkte und einige weitere werden sich später in den vorliegenden Resolutionen und Anträgen an den Parteitag wiederfinden, weswegen ich diesen Tagesordnungspunkt nicht unnötig in die Länge ziehen möchte. Trotzdem, über die Entwicklung der Partei seit dem 4. Parteitag muss ich natürlich sehr wohl noch ein paar Worte verlieren.

Ich möchte folgende organisationspolitische Erwägung voranstellen. Für das Funktionieren einer marxistisch-leninistischen Partei sind mehrere Dinge unerlässlich: Es braucht eine zentrale Leitung, ein organisatorisches Zentrum, aktive Grundorganisationen, regelmäßige Parteipublikationen sowie eine zweckmäßige Programmatik.

Auf dem letzten, am 4. Parteitag der PdA wurde ein neuer Parteivorstand gewählt, der sich markant von dem vorangegangenen unterschieden hat. Dabei habe ich weniger den Wechsel in der Funktion des Vorsitzenden im Auge als vielmehr die Gesamtzusammensetzung. Die Neuwahl erbrachte damals eine Verjüngung sowie, noch viel wichtiger, eine bessere regionale Repräsentation, wie sie einem wirklich bundesweiten Leitungsgremium entspricht. Aber – damit es hier kein Missverständnis gibt – der Parteivorstand ist gar nicht ein Repräsentations‑, sondern primär ein Arbeitsgremium – ihm kommt die Aufgabe zu, die gesamte Tätigkeit der Partei als höchste Instanz zwischen und nach den Parteitagen zu leiten. Wenn ich heute eine Bilanz über die Arbeit des vom 4. Parteitag gewählten Vorstandes ziehen soll, so fällt diese positiv aus: Die neue Zusammensetzung hat sich bewährt. Manches, das früher lähmend und hinderlich war, wurde überwunden, Stagnation, Selbstzufriedenheit, Pessimismus und offenes Desinteresse, wofür manche frühere PV-Mitglieder standen, sind einer optimistischen Herangehensweise gewichen, die mit Engagement, Planung, Fleiß und geradezu Umtriebigkeit verbunden war und ist. Bezüglich der Tätigkeit des Parteivorstandes in der heute zu Ende gehenden Periode möchte ich von einem großen Fortschritt sprechen. Nicht, dass alles perfekt wäre – nein, davon sind wir weit entfernt –, aber die Entwicklung ist eindeutig. In diesem Sinne möchte ich den bis heute amtierenden PV-Mitglieder auch meinen Dank für die geleistete Arbeit aussprechen, auf der man weiter aufbauen kann.

Das organisatorische Zentrum der Parteiarbeit bildet in unserem Fall das Sekretariat des Parteivorstandes, das dieser aus seinen Reihen wählt. Das Sekretariat kann aufgrund der überschaubaren Größe der PdA und ihrer beschränkten Ressourcen und finanziellen Mittel nur eine Annäherung an das darstellen, was normalerweise ein zentraler Parteiapparat ist. Natürlich haben wir nicht die Möglichkeit, freigestellte, d.h. bezahlte Funktionärinnen und Funktionäre bereitzustellen, die sich hauptamtlich und ausschließlich um die tagtäglich nötige Arbeit für die Partei kümmern. Unsere Sekretariatsmitglieder gehen einer Lohnarbeit nach und sparen sich jede Minute ihrer Parteitätigkeiten von ihrer Freizeit ab. Und ich möchte dies, hier vor der Mitgliedschaft, gebührend hervorheben: In der Geschichte der PdA – und ihrer Vorläuferorganisation, der Kommunistischen Initiative – gab es wohl noch nie ein Sekretariat, das ein derartiges Leistungsvermögen an den Tag gelegt hat. Auch diesbezüglich gilt: Wir sind meilenwert von einem Idealzustand entfernt, aber der Fortschritt seit dem letzten Parteitag ist signifikant.

Wenngleich man also von einer Verbesserung und Professionalisierung beim Parteivorstand und seinem Sekretariat sprechen darf, so bedeutet das nicht, dass es keine Spannungsfelder gibt. Noch immer ist es so, dass die Arbeit auf zu wenigen Schultern lastet; noch immer ist es so, dass die Reaktionszeit, der Input und die Partizipation optimierbar sind; noch immer ist es so, dass das Sekretariat aufpassen muss, den Parteivorstand nicht unbeabsichtigt zu übergehen, wie umgekehrt der Parteivorstand nicht zu vieles auf das Sekretariat abwälzen darf, sondern seine letztinstanzliche Verantwortung wahrnehmen muss.

Die Aktivitäten der Grundorganisationen waren seit dem 4. Parteitag natürlich durch die Pandemie beeinträchtigt. Trotz des Wechsels von intensiven Aktivitätsphasen und zwischenzeitlichen Einbrüchen im Gruppenleben oder in der Außenwirkung kann man die Entwicklung der letzten beiden Jahre auf der Habenseite vermerken. Grundorganisationen der PdA existieren in Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich – zu Wien komme ich später –, die je nach Mitglieder- bzw. Aktivistenzahl sowie Zusammensetzung ihre Aufgaben wahrgenommen haben: mit Mitgliedertreffen, Veranstaltungen, Kundgebungen, Infotischen und Verteilaktionen. Die Grundorganisationen sind die Kernzellen des innerparteilichen Lebens und die Schnittstellen zur Arbeiterklasse vor Ort. Wir haben uns im Dezember 2019 verschiedene Ziele für die verschiedenen Grundorganisationen gestellt, und diese wurden planmäßig verfolgt. Zum direkten Austausch haben wir die Gruppentreffen etabliert, die vierteljährlich stattfinden. Bezüglich Wien haben wir, wie am letzten Parteitag beschlossen, eine neue Zellenstruktur umgesetzt, die sich im Wesentlichen bewährt hat. Im Prinzip stehen wir, an realistischen Vorstellungen bemessen, nicht schlecht da – aber natürlich bei weitem nicht gut genug. Die Mitgliederzahl, aber vor allem die Aktivistenzahl ist immer noch zu gering. Um wirklich ein wahrnehmbarer Faktor in der Klasse zu werden, braucht es mehr aktive Mitglieder und mehr Grundorganisationen, mehr Aktivitäten und mehr Kontakt zur Klasse. Aber die Entwicklung der marxistisch-leninistischen Partei der Arbeiterklasse in Österreich ist kein Wunschkonzert, sondern erfordert beharrliche, beschwerliche Arbeit im Kleinen, um den Auf- und Ausbau zu gewährleisten. An dieser Stelle stehen wir – damit können wir arbeiten, darauf können wir durchaus weiter aufbauen. Dass hier natürlich ein besonders wichtiger Aspekt der Parteientwicklung vorliegt, muss ich wohl nicht explizit betonen.

Einen großen Fortschritt hat die vergangene Periode bei den Parteimedien gebracht. Seit April 2020 betreiben wir eine täglich mehrmals aktualisierte Online-Ausgabe unseres Zentralorgans, das seither auch die neue Bezeichnung „Zeitung der Arbeit“ trägt. Dies ohne hauptamtliche Redakteurinnen und Redakteure zu schaffen, ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Wir werden später noch einen Bericht der AG Medien- und Öffentlichkeitsarbeit hören, dem ich nicht vorgreifen will, doch möchte ich festhalten, dass die Etablierung der ZdA-online zweifellos zu den besonderen Errungenschaften seit dem letzten Parteitag gehört. Gleichzeitig haben wir die Printausgabe der ZdA einem Relaunch unterzogen, der entscheidende Verbesserungen mit sich brachte. Zwar gibt es immer noch Schwierigkeiten mit dem regelmäßigen, häufigeren Erscheinen, aber das liegt auch an mangelnden Ressourcen und vor allem finanziellen Mitteln. Dass die Printausgabe unseres Zentralorgans jedoch mit neuer Ernsthaftigkeit behandelt wird, ist ein Fortschritt in der Parteientwicklung. Etwas besser hätte es mit dem Erscheinen unseres Theorie- und Diskussionsorgans „Einheit und Widerspruch“ laufen können, nämlich sowohl hinsichtlich der Regelmäßigkeit wie bezüglich der Quantität der eigenständigen Beiträge. Das sind Dinge, die in den kommenden beiden Jahren zu optimieren sind. Doch dass wir alle drei Aufgaben – Online-Zeitung, Print-Zeitung und Theoriemagazin – grundsätzlich annehmen und umsetzen, ist für eine Partei unserer Größe durchaus eine Leistung. Darüber hinaus ist anzumerken, dass auch bezüglich unserer Partei-Website sowie im früher teilweise fast brachliegenden Social Media-Bereich Verbesserungen umgesetzt wurden. In der Gesamtschau kann man bezüglich der Parteipublikationen ein positives Resümee ziehen, ungeachtet möglicher und notwendiger weiterer Optimierungen.

Bezüglich ideologischer, programmatischer und strategischer Fragen liegt mit der Hauptresolution, die sich ihren Titel mit dem Parteitag teilt, heute noch ein wichtiges Dokument zur Beratung vor. Es behandelt einige Aspekte, wie die PdA aussehen muss, wie sie sich entwickeln soll, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Viele dieser Einsichten wurden nicht erst seit dem letzten Parteitag, sondern seit dem Gründungskongress im Oktober 2013 gewonnen. Sie stellen Aktualisierungen dar, die zum Teil Antworten auf recht konkrete Fragen, Anforderungen und Probleme in der Partei sind. Diese Resolution soll ein Leitbild schaffen für unsere weitere Entwicklung. Die allgemeine Programmatik der PdA bleibt natürlich die Grundsatzerklärung, die vor achteinhalb Jahren beschlossen wurde. In diesem Dokument, das gleichzeitig als Gründungserklärung der Partei fungierte, werden Herkunft, Selbstverständnis, Aufgaben und Ziele der PdA umfassend erläutert, in aller Klarheit und Stringenz. Die programmatischen Grundsätze sind unsere marxistisch-leninistische Grundlage im Parteiaufbau, im revolutionären Klassenkampf der Arbeiterklasse und auf dem Weg zum Sozialismus. Um dieses Werkzeug auch anwenden zu können, erscheint eine Befassung damit zweckmäßig, denn zum Zeitpunkt der Erarbeitung und Beschussfassung waren viele heutige Mitglieder noch nicht dabei, und die genaue Kenntnis unserer Grundsätze ist unerlässlich. Ob es dann in weiterer Folge irgendwann eine Weiterentwicklung des Parteiprogramms braucht, wird dementsprechend zu einem späteren Zeitpunkt zu evaluieren sein, doch zumindest an Marx, Engels und Lenin werden wir wohl nicht rütteln müssen.

Ihr könnt meinen Ausführungen entnehmen, dass die PdA über die Vorbedingungen einer funktionierenden Partei verfügt, zumindest im Rahmen des Möglichen, und dass es seit dem 4. Parteitag diesbezügliche Verbesserungen gab. In diesem Sinne sind wir weiterhin auf dem Weg zur entwickelten marxistisch-leninistischen Partei der österreichischen Arbeiterklasse. Diesen Anspruch stellen wir an uns, doch müssen wir ihn auch erfüllen und ausfüllen – umso mehr, als niemand sonst diese Zielsetzung verfolgt. Die politischen, gesellschaftlichen und sozial-ökonomischen Ereignisse der vergangenen beiden Jahre, die ich eingangs skizziert habe, unterstreichen die Notwendigkeit, dass wir möglichst rasch substanziell und organisch unsere Rolle erfüllen können müssen.

Liebe Genossinnen und Genossen!

Ich könnte noch länger fortsetzen über die Resultate der Parteientwicklung seit Dezember 2019 – ein sehr erfolgreiches, wichtiges und interessantes Feld wären etwa die internationalen Beziehungen der PdA. Doch zu diesem Bereich hören wir später ohnedies noch einen separaten Bericht der Internationalen Kommission. Daher will ich nur noch zwei Punkte der vergangenen Periode hervorheben.

Wir sind weit davon entfernt, Illusionen in die demokratischen Institutionen des bürgerlichen Staates zu hegen, in seine Vertretungskörper und Parlamente. Wir sind keine reformistische und Wahlpartei, die dem einen oder anderen Mandat alles unterordnet, sondern eine Partei des revolutionären Klassenkampfes, der vornehmlich außerparlamentarisch zu führen ist. Trotzdem sind wir im Jahr 2020 zu zwei Wahlen angetreten, denn natürlich sind Mandate für uns auch potenzielle Tribünen des Kassenkampfes sowie Bastionen, die einen Parteiausbau ermöglichen.

Bei den Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen in Wien haben wir als PdA im Bezirk Ottakring kandidiert. Das Stimmenergebnis war überschaubar, origineller Weise fast ident mit jenem fünf Jahre zuvor – von einem Einzug in die Bezirksvertretung konnte keine Rede sein, und diese war auch immer unrealistisch. Wir haben den Wahlantritt und den Wahlkampf stattdessen genützt, um die eigenen Strukturen zu aktivieren und zu mobilisieren. Wir konnten klar feststellen, wo es Potenzial gibt – und wo das nicht der Fall ist. Und daher ist die wichtigste Erkenntnis aus den Wiener Wahlen für uns, dass wir diese Kandidatur, zumal unter den schwierigen Pandemiebedingungen, ganz allein gestemmt haben, im Gegensatz zur Vergangenheit ohne die Hilfe irgendwelcher Verbündeten, von denen sich manche inzwischen auch als nur vermeintliche Verbündete und tatsächliche Gegner der Partei erwiesen haben. 

Was die Resultate betrifft, war die Teilnahme an den Gemeinderatswahlen im niederösterreichischen Weinviertel mit zwei PdA-Listen wesentlich erfolgreicher. In Weikendorf erreichte der Gen. Markus Fendrych mit 1,22 Prozent einen Achtungserfolg, wenngleich kein Mandat. In der Gemeinde Neusiedl an der Zaya kam die PdA auf bemerkenswerte 5,4 Prozent der Stimmen, wodurch der Gen. Armin Kollarik seither unser erster und einstweilen einziger Gemeinderat ist. Das ist nicht nur ein besonders schöner Erfolg seit dem 4. Parteitag, sondern, wie zu hoffen ist, ein kleiner Meilenstein in der Entwicklung der Partei, die nun also erstmals in einem „Kommunalparlament“ vertreten ist. Meine nochmalige Gratulation an den Gen. Kollarik und meine Anerkennung für den Gen. Fendrych.

Der andere und nun wirklich letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Entwicklungen im Jugendbereich. Es hat sich schon seit Beginn der heute auslaufenden Periode gezeigt, dass die zunehmend parteifeindliche KJÖ-Führung einen Bruch mit der PdA und die Spaltung der KJÖ verfolgt. Ich muss hier nicht auf die Details der Ereignisse eingehen, doch das Ergebnis ist eine rechtsopportunistische Wende in der KJÖ, die sich nun offenbar an der KPÖ Graz orientieren und an der erfolgreichen bedingungslosen Wahlorientierung und karitativen Almosenpolitik beteiligen will. Wer an der reformistischen Neosozialdemokratie andocken möchte, kann das natürlich tun, wenn es dafür in der KJÖ eine Mehrheit gibt – das geht uns nichts an und ist zur Kenntnis zu nehmen. Sehr wohl geht es uns etwas an, ob es in Österreich einen marxistisch-leninistischen Jugendverband gibt. Die der PdA nahestehenden KJÖ-Gruppen wurden von der Bundesleitung über Jahre hinweg mit allerlei Repressionen bedacht, Mitglieder wurden ausgeschlossen, am Ende die Gruppen einfach aufgelöst. Dieser Zustand ist natürlich nicht hinzunehmen: Einerseits benötigen die jungen Kommunistinnen und Kommunisten eine Struktur, um weiter aktiv sein zu können, andererseits braucht auch die Partei eine Frontorganisation der arbeitenden und lernenden Jugend und jungen Menschen – und dies in enger Verbundenheit, in einer Kampfeinheit, die auf dem Boden des Marxismus-Leninismus steht. Nachdem die negativen Entwicklungen in der KJÖ natürlich vorhersehbar waren, haben wir in der vergangenen Periode entsprechende Vorbereitungen getroffen, um gegebenenfalls auf den Bruch und die Spaltung reagieren zu können. Ausgehend von einem Jugendkongress im letzten Herbst wurden Anstrengungen unternommen, um einen neuen marxistisch-leninistischen Jugendverband zu schaffen, nämlich die Jugendfront der PdA. Dem Parteitag liegen zwei Anträge vor, die diese überaus wichtige Gründung formalisieren sollen – doch dazu später in der Tagesordnung. Einstweilen möchte ich es aber explizit als positiven Schritt festhalten, dass der ohnedies unhaltbare Zustand in der KJÖ nun endlich überwunden ist, denn bundesweit untauglich war er schon seit 17 Jahren. Die eigentliche Absicht der rechtsopportunistischen KJÖ-Führung war es gewiss auch, der PdA zu schaden, doch das Ergebnis wird das genaue Gegenteil sein: Denn nun wird es eine eigene Jugendorganisation geben, die bereits in ihrer Gründungsphase neue Mitglieder gewonnen hat, die jetzt schon über mehr Standorte als die KJÖ verfügt, die ohne Rücksicht auf reformistische und opportunistische Wahltaktik konsequent im Sinne des revolutionären Klassenkampfes tätig sein kann – und die sowohl qualitativ wie quantitativ den marxistisch-leninistischen Pol um die PdA deutlich stärken wird.

Liebe Genossinnen und Genossen!

Ich komme zum Schluss. In den letzten zwei Jahren haben wir einiges erreicht, doch vieles bleibt zu tun. Das ist nichts Neues für uns, sondern ganz natürlich. Die kommunistische Bewegung in Österreich laboriert immer noch an der Krise, die vor etwas mehr als 30 Jahren begonnen hat und die nicht leicht zu überwinden ist. Doch es ist machbar und wir sind es, die dies bewältigen können und müssen.

Wir müssen es tun, um der arbeiter- und volksfeindlichen Regierung Widerstand entgegenzusetzen – mit den Kräften, die wir einstweilen haben, aber dafür in aller Konsequenz. Wir bekämpfen die Regierung nicht, damit danach eine andere – etwa eine sozialdemokratisch geführte – an die Macht kommt, sondern wir bekämpfen jede Regierung des Kapitals. Das haben wir bereits kurz nach dem 4. Parteitag in einer Erklärung festgehalten, denn nur kurze Zeit später wurde die Koalition aus ÖVP und Grünen fixiert und die Regierung angelobt. Inzwischen ist Sebastian Kurz gescheitert und Geschichte, doch die Probleme bleiben: Dem imperialistischen Krieg, der kapitalistischen Wirtschaftskrise und der Teuerungswelle, der Gesundheits- und Pflegekrise, die es auch ohne Pandemie gibt, der ökologischen und Klimakrise hat diese Regierung nichts entgegenzusetzen, denn sie tangieren nur die Interessen des Kapitals, nicht das Schicksal der Arbeiterklasse und der ärmeren Volksschichten. Gleichzeitig haben wir es unverändert mit einer unmenschlichen und tödlichen – und, wie wir anhand der Ukraine sehen, auch rassistischen – Asylpolitik und ‑praxis zu tun, mit einer durch Schikanen und Repression, aber v.a. auch Manipulation, Korruption und Bereicherung deformierten „Demokratie“ abgehobener Bonzen und Lakaien, mit einer umfassenden Misere in der Kinderbetreuung, im Bildungsbereich und bei der Lehre sowie mit einem Pensionssystem, das Altersarmut befördert, insbesondere bei Frauen – dies sei angemerkt, um damit noch ein paar weitere und konkretere Bereiche zu benennen, die im Argen liegen.

Wir vertrauen nicht nur nicht auf eine bessere Regierung unter Führung der SPÖ, die schon vor über 100 Jahren die Seiten gewechselt hat und gemeinsam mit der ÖGB-Führung die soziale Hauptstütze des Kapitalismus in Österreich bildet, sondern wir glauben an keinerlei angeblich „soziale“ Kapitalismusverwaltung. Insofern distanzieren wir uns auch von linksreformistischen und opportunistischen Projekten, die – mit oder ohne KPÖ – lediglich eine vermeintliche Wahlalternative konstruieren wollen. Die Arbeiterklasse hat im bürgerlichen Staat und im Kapitalismus nur eine Wahl, den revolutionären Klassenkampf für den Sturz des Kapitalismus und Imperialismus, für die Abschaffung von Ausbeutung und Unterdrückung, von Krieg und Krisen. Es braucht den Sozialismus. Dieser wird aber nicht in bürgerlichen Parlamenten beschlossen, nicht herbeitransformiert und nicht erbettelt – er muss gegen die Herrschenden erkämpft und erzwungen werden. Hierfür braucht es eine kampffähige und bewusste Arbeiterklasse und deren marxistisch-leninistische Partei. Beides zu gewährleisten und zu erhalten, ist unsere Aufgabe, anders werden das strategische Ziel und die historische Mission der sozialistischen Revolution nicht zu erreichen sein.

In diesem Sinne: Für den weiteren Aufbau der marxistisch-leninistischen Partei der Arbeit Österreichs! Für Klassenkampf und Sozialismus!

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