Rede von Tibor Zenker, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA), bei der Kundgebung zum 70. Jahrestag des Sieges über den deutschen Faschismus, Wien, 7. Mai 2015
Der 8. und 9. Mai 1945 markieren mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa die endgültige militärische Niederlage Deutschlands, das Ende des historischen deutschen Faschismus sowie das Ende der deutschen Fremdherrschaft in Österreich. Es waren und sind Tage der Befreiung. Wir gedenken zu diesem Anlass der durch das NS-Régime ermordeten Opfer, der getöteten Widerstandskämpfer und der gefallenen Soldaten, die ihr Leben im Kampf gegen den Faschismus gelassen haben. Wir erneuern unser Bekenntnis zum bedingungslosen Antifaschismus, Antimilitarismus und Antiimperialismus.
Diese Daten des 8. und 9. Mai bedeuteten natürlich gleichzeitig den Sieg der Westalliierten, d.h. der USA, Großbritanniens und Frankreichs, sowie jenen der Sowjetunion – und dies gilt es zu feiern. In Erinnerung an den Sieg – und die Opfer – der UdSSR steht seit August 1945 hier am Wiener Schwarzenbergplatz das Heldendenkmal der Roten Armee, die bereits am 13. April 1945 Wien sowie davor und danach einen Gutteil Österreichs befreit hatte. Dieser Tatsache konnte sich auch der sozialdemokratische Kanzler Karl Renner seinerzeit nicht entziehen, als er bei der öffentlichen Enthüllung dieses Denkmals sagte: „Die späteren Geschlechter werden in Andacht erschauernd erkennen: Die kühnen Heldentaten der Roten Armee, die heilige Opferbereitschaft der Sowjetsoldaten und die meisterhafte Führung ihres Generalissimus Stalin haben das fluchwürdige Régime des völkervernichtenden Nationalsozialismus beseitigt. Felsenfest wie dieses Denkmal ist unser Vertrauen und unsere unvergängliche Dankbarkeit für die Rote Armee.“
Wie jedes sozialdemokratische Lippenbekenntnis hatte auch diese „Dankbarkeit“ ihre realen Grenzen. Bald nach Kriegsende bildete die SPÖ mit der ÖVP einen antikommunistischen und antisowjetischen Block, der auf eben diese Ausrichtung anstelle des Antifaschismus setzte, was auch dadurch ermöglicht wurde, dass die österreichische Sozialdemokratie von jeder antikapitalistischen Perspektive endgültig Abschied genommen hatte. Die ÖVP musste von gar nichts Abschied nehmen, denn sie ist die einzige Partei in Österreich, die selbst eine faschistische Vergangenheit und in unserem Land 1934 – 1938 eine terroristische, offene Diktatur des Großkapitals errichtet hat, noch bevor 1938 der deutsche Konkurrenzfaschismus Österreicht okkupierte und annektierte.
Und genau das ist der Faschismus: die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, der am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals, wie es Georgi Dimitroff formulierte. Der Faschismus ist ein unmittelbares und folgerichtiges Ergebnis des imperialistischen Kapitalismus, die faschistische Diktatur ist eine der möglichen finanzkapitalistischen Herrschaftsformen. Der Faschismus ist kein Betriebsunfall des Imperialismus, sondern seine äußerste innere Konsequenz. Wir tun also gut daran, das Verhältnis der imperialistischen Hauptmächte zum Faschismus einer genauen Prüfung zu unterziehen – in der Gegenwart und auch in Bezug auf den deutschen Nazi-Faschismus 1933 – 1945.
Ein gut sichtbarer Ansatz ist bereits die Bezeichnung des am 8. Mai 1945 siegreichen Bündnisses – es war die „Anti-Hitler-Koalition“, die die Westmächte bereit waren mit der UdSSR einzugehen, nicht etwa eine antifaschistische Koalition. Für die USA und Großbritannien war der Krieg gegen Deutschland dasselbe, was er umgekehrt für Deutschland war: ein imperialistischer Krieg um Einflussgebiete und direkte Kolonien, um Rohstoffe, Marktsphären, Investitionsmöglichkeiten und billige Arbeitskräfte. Die Herrschaftsform in Deutschland spielte für sie keine Rolle. Und zweitens war das gesteigerte Interesse an der militärischen Invasion der von Deutschland okkupierten Gebiete Kontinentaleuropas seitens der USA und Großbritanniens bereits eine Vorwegnahme des Kalten Krieges und der Containment-Politik. Denn andernfalls, wäre die US-Armee nicht in der Normandie gelandet und nach Osten vorgedrungen, dann wäre der Siegeszug der Roten Armee nicht nur bis Wien und Berlin gegangen, sondern er hätte sein Ende erst aus geografischen Gründen an der Atlantikküste gefunden. Die Präsenz westalliierter Truppen verhinderte nach 1945 – und dies ist durchaus intentionell so zu sehen – revolutionäre Prozesse und die Errichtung sozialistischer Gemeinschaften zumindest im Westen Deutschlands, in Italien und wohl auch in Österreich.
Und so ist es auch kein Zufall, dass der Imperialismus unter Führung der USA nach 1945 blitzschnell wieder vom scheinbaren „Antifaschismus“ zum Antikommunismus überging. Man verstand sich blendend mit den beiden verbliebenen faschistischen Diktaturen in Europa, nämlich mit Spanien und Portugal, und man ließ sogar neue errichten, nämlich in Griechenland 1967. Man schuf ein imperialistisches Militärbündnis mit der NATO, man bündelte ökonomische und später zunehmend politische und militärische Potenzen in den so genannten Europäischen Gemeinschaften, der heutigen Europäischen Union. Man gründete einseitig die BRD, rüstete sie wieder auf und setzte die faschistischen Eliten wieder ein. Man integrierte die revisionistische, reformistische Sozialdemokratie endgültig ins imperialistische System, um die Arbeiterklassen der westeuropäischen Staaten durch sie ruhigstellen zu lassen. Und in ideologischer Hinsicht unterlegte man sein Handeln mit der antikommunistischen, geschichtswissenschaftlich völlig unsinnigen „Totalitarismus“-Doktrin.
Dies alles diente der Frontstellung zur Sowjetunion, zu den volksdemokratischen Bewegungen und kommunistischen Parteien in Europa, später zur sozialistischen Staatengemeinschaft – mit dem einen Ziel der Zerschlagung des Sozialismus, was mit 1989/90 in der Sowjetunion und Osteuropa auch gelungen ist. Der Imperialismus sorgte in diesen Ländern für einen historischen Rückschritt hinter das Jahr 1945, im Falle der UdSSR hinter das Jahr 1917. Dieser Rückschritt in den Kapitalismus brachte folgerichtig nicht nur Ausbeutung und Unterdrückung mit sich, sondern auch wieder zunehmend faschistische Bewegungen und Rechtsextremismus, chauvinistischen Nationalismus und Rassismus – und letzten Endes, am Balkan, auch Krieg in Europa.
Und im Jahr 2015 müssen wir nun feststellen: In den EU-Staaten Griechenland und Ungarn sitzen faschistische Parteien in den nationalen Parlamenten, in der BR Deutschland, wo die KPD seit 1956 und bis heute verboten ist, gibt es Neofaschisten in Regionalparlamenten. Im EU-Land Lettland marschieren in Riga jedes Jahr SS-Veteranen und ihre Unterstützer ungehindert auf, während kommunistische Organisationen kriminalisiert und die russischsprachige Minderheit diskriminiert werden. In der Ukraine ist eine Putschregierung an der Macht, die die historische Wahrheit über den Zweiten Weltkrieg verfälscht und von faschistischen Kräften mitgetragen wird, im Osten des Landes terrorisieren faschistische Mörderbanden die Bevölkerung. Nicht zufällig wird dieses Régime in Kiew von den USA und der EU unterstützt – mehr noch: Die USA, die NATO und die EU – hierbei nicht zuletzt Deutschland – betätigten sich 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges als Kriegstreiber gegen Russland.
Die sowjetische Führung wusste 1945 ganz genau, dass der Sieg über den deutschen Faschismus nur ein Teilerfolg in einer größeren Auseinandersetzung ist. Der Faschismus wird nur dann endgültig besiegt sein, wenn der Imperialismus besiegt ist. Und so machte man sich in den von der Roten Armee besetzten Ländern daran, das Befreiungswerk fortzusetzen, d.h. die Völker nicht nur von der faschistischen Form, sondern bis 1989/90 von jedwedem Imperialismus und Kapitalismus zu befreien.
Es gilt festzuhalten: Der Imperialismus ist nicht und niemals antifaschistisch – er kann es gar nicht sein und gerade in diesen Tagen darf man sich nicht von „staatstragenden“ Beteuerungen der Herrschenden blenden lassen. Die Wurzel des Faschismus, das sind der Imperialismus und Kapitalismus selbst – wer den Faschismus ausrotten will, wird daher entsprechend vorgehen müssen. In diesem Sinne sind für uns Antifaschismus, Antiimperialismus und Antimonopolismus untrennbar miteinander verbunden, denn sie sind nur verschiedene Seiten ein und desselben Kampfes; eines Kampfes, der für uns Teil des antikapitalistischen Kampfes ist; eines Kampfes, der nicht enden wird, bevor nicht der Sozialismus endgültig siegt.
Unsere Pflicht an den Tagen der Befreiung und des Sieges besteht darin, die im Großen Vaterländischen Krieg siegreiche Sowjetunion zu ehren, ihre Völker, ihre kommunistische Partei, ihre Soldaten, Partisanen und Zivilisten, aber auch die österreichischen Widerstandskämpfer und Partisanen, die ihren Teil zur Befreiung Österreichs beigetragen haben. Am besten aber ehren wir die gefallenen, ermordeten und siegreichen Genossen und Kameraden, indem wir ihren Kampf fortführen – bis zum vollständigen Sieg, der jenseits des Kapitalismus liegt.
Von der Befreiung zum vollständigen Sieg
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