Rechter Tanz und rechte Pflanz

Eine Nachbetrachtung zum 24.01.2014
Von Otto Bruckner
Ein Vergleich drängt sich auf in diesen Tagen: Wenn in Kiew der faschistische Mob öffentliche Gebäude demoliert, die Polizei angreift, oder brennende Barrikaden errichtet, dann sind das die “Guten”, sie kämpfen ja für die “Demokratie”, für jene Demokratie, die Brüssel und Washington im Kampf um die Hegemonie in der Ukraine als Speerspitze einsetzen. Wenn aber in Wien ein paar Scheiben zu Bruch gehen, dann herrscht großes Entsetzen vor den “gewaltbereiten Chaoten”. Und das in ein- und derselben Zeitung.
Die Polizei veranstaltete bei den diesjährigen Protesten gegen den FPÖ-Ball in der Hofburg zum rechten Tanz auch noch eine rechte Pflanz. Erst warnte sie tagelang vor den “Chaoten aus Deutschland”, dann setzte sie auf eine Eskalationsstrategie durch großräumiges Platz- und Vermummungsverbot. Und schließlich gelang es trotz der vorherigen Warnungen den “Chaoten” sogar, die Polizei anzugreifen, so gut vorbereitet war diese. 2000 Polizisten im Einsatz, viele aus den Bundesländern, im offensichtlichen Fehlurteil einer ängstlichen und überforderten Polizeispitze gefangen, dass gepanzerte Masse eine Strategie ersetzen könne. Zusätzlich brachte man die Journalisten gegen sich auf, sieht man von den üblichen Krawallblättern ab.
Die traurige Figur, welche der Wiener Polizeipräsident abgibt, die Tragik, die seine Allmachtsphantasien (so will er von den Rettungskräften die Daten der Verletzten anfordern) verströmt, lassen ganz vergessen: Hier geht es um den obersten Polizisten im rosa-grün-regierten Wien. Hier agiert ein rosaroter Polizeichef mit rigid schwarzer Chefin in der Traditionslinie des Ständestaates!
Dieser ganze Lärm übertüncht ein wenig den eigentlichen Anlass der ganzen Aufregung. In der Hofburg (einem historischen Gebäudekomplex im Eigentum der Republik, in dem auch der Sitz des Bundespräsidenten liegt) finden sich in Frack und Ballkleid europäische Rechte und Rechtsextreme zum gemütlichen Plausch zusammen. Von 4 – 800 Leuten war heuer die Rede. Das Bedeutende an der Sache ist das staatstragende Getue, das “wir gehören zur Normalität dieser Republik”, was sie ja in gewisser Weise auch tun. Erinnern wir uns, wie kürzlich vor Bildung der Regierung führende SPÖ-Gewerkschafter von der großen Schnittmenge an sozialpolitischen Forderungen mit Straches FPÖ schwadronierten; Oder wie sehr in den Institutionen der Republik und auch der Arbeiterbewegung (siehe AK) so getan wird, als wären die Rechten ohnehin nur ein wenig seltsam, aber sonst ganz in Ordnung. Schon ein wenig ausgeleiert ist die Masche, mit der sich die rechte Hetzertruppe rund um den Herrn Zahntechniker als Opfer stilisieren möchte. Und noch dümmlicher ist der Versuch, die Errungenschaften der bürgerlichen Revolution mit der deutschnationalen Traditionslinie gleichzusetzen, wie es Strache in seiner Rede versuchte. Das ist mit dem Wüten und Morden des Deutschnationalismus in Form der Nazi-Barbarei endgültig erledigt. Nichts von der Parole “Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit” hat irgendetwas mit diesem dumpf-reaktionären, rückständigen und deutschnationalen Mief gemeinsam, den diese Truppe verströmt. Aber es gibt jemanden, der diese Truppe brauchen kann:
Die imperialistische Ordnung im EU-Europa benötigt die Krakeeler à la Strache und Le Pen und ihre Mitläufer und Nachäffer als ideologische, als verbale und nötigenfalls auch als physische Schlägertruppe, die das politische Klima verschärft und zuspitzt: Gegen die Einwanderer, gegen Asylsuchende, gegen die Armen und die Ausgegrenzten, gegen Kommunisten und Gewerkschafter ( wie beim Überfall auf ATIGF und KOMintern), gegen Kulturschaffende, gegen Lesben und Schwule. Das lenkt die wirklichen Verlierer schön ab von den wahren Ursachen ihrer Misere. Das hält die entpolitisierten, entwurzelten und entrechteten Menschen, denen vom EU-Régime des zügellosen Finanzkapitalismus und seinen rosa-schwarzen Vollstreckern in Österreich die Perspektive geraubt wird, davon ab, sich zu einer wirksamen Protestbewegung zusammenzuschließen.
Und ein Wort noch zu den Randalen in der Wiener Innenstadt: Es sind zumeist Söhne und Töchter aus den feineren Schichten Deutschlands und Österreichs, die sich besonders “radikal” vorkommen, wenn sie Staat, Kapital, Polizei und die nächstbeste Schaufensterscheibe in eins setzen und dabei auch noch völlig unbeteiligte Kaffeehausgäste in Angst und Schrecken. Die Werktätigen haben die Erfahrung gemacht, dass nicht wenige dieser “Superradikalen” einige Zeit später zu den widerlichsten Figuren im Management mutieren: Spontan, locker, immer einen flotten Spruch zur politisch korrekten Verarschung der Untergebenen auf den Lippen. Die “antinationalen” “no border – no nation”-Parolen, die von ihnen verbreitet werden, und die auch in bobo-linken Kreisen als schick gelten, sind günstigstenfalls naiv, meist aber aggressiv und gegen jede reale Klassenbewegung im nationalen Rahmen gerichtet. Und oft fällt den Polithooligans nicht einmal auf, dass der Vermummte mit den “radikalsten” Phrasen ein Provokateur von der anderen Seite ist. Auch Herr Polizeipräsident Pürstl sollte sich einmal erkundigen, wie viele der Randalierer der eigenen Truppe oder der des deutschen Verfassungsschutzes angehörten. Seit k.u.k.-Zeiten ist der agent provocateur schließlich ein beliebtes Mittel österreichischer Geheimdienstarbeit.
Aber sei es drum: Der internationalistische Block hat – wie 99,9% der 10.000 Menschen, die gegen den WKR-Ball demonstrierten, gezeigt, dass “die Verbindung von betrieblichem und studentischem Protest erfolgreich sein kann”, wie es die Wiener KOMintern-AK-Rätin Selma Schacht formuliert.

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