Abgeschlossene Asozialdemokratie

(Bild: raketa.at)
(Bild: raketa​.at)

Zum 43. SPÖ-Bundesparteitag
Werner Faymann, SPÖ-Bundesparteivorsitzender und Bundeskanzlerimitator, erreichte bei seiner Wiederwahl am 43. Bundesparteitag der SPÖ bloß knapp 84% der Delegiertenstimmen. Unter der von Sozialminister Rudolf Hundstorfer launig-listig gelegten Latte („Neuner vorne“) tänzelte Faymann somit locker durch. Dass der Limbo allerdings ursprünglich nicht der Bacardi-geschwängerten Partyanimation diente, sondern einer trinidadianischen Begräbnistradition entstammt, sei anlassbezogen erwähnt.
Trotzdem – 84% Zustimmung sind ja mathematisch betrachtet nicht schlecht, auch wenn in den Bereichen ÖVP, KDVR und FPÖ zuletzt bessere Ergebnisse vorzuweisen waren. Weniger gut wird’s, wenn man sich vor Augen hält, wie ein SPÖ-Bundesparteitag zusammengesetzt ist, denn die Delegierten einer solchen Inszenierung sind freilich handverlesen. Als stimmberechtigte Delegierte kommen nur (mindestens regional-kommunal) höhere oder wenigstens altgediente und verlässliche SPÖ-Funktionäre in Betracht, während die Fixplätze z.B. für die „rebellische“ SJ natürlich weit unterhalb der fehlenden 16% liegen – das „einfache Mitglied“ (eh immer weniger) hat sowieso nichts zu melden. Das bedeutet, dass sogar ein Teil jener SPÖ-Funktionärsschicht, die feudalistisch mit Posten und Pöstchen versorgt wird, nicht mehr bei der Stange zu halten war. Das ist kein gutes Zeichen für Faymann, aber gewiss nicht das Hauptproblem der SPÖ, das umgekehrt auch nicht Faymann als Person ist. Dass an der SPÖ-Spitze personell nichts Besseres nachkommt, ist spätestens seit 1988 gewiss, aber eigentlich ist egal, ob dort Faymann, Chubby Checker, David Hasselhoff oder der Weihnachtsmann stehen. Denn auch Vranitzky, Klima, Faymann sind nur ein Symptom. Auch wenn der Fisch am Kopf zu stinken beginnt, so ist ja dennoch der ganze Fisch verfault.
Inhaltlich und thematisch gelingt es der SPÖ schon lange nicht mehr, die arbeitenden Menschen zu erfassen. Sie ist derartig abgehoben von den realen Problemen der einfachen Menschen, dass sie gar nicht mehr mitbekommt, wie sehr sie an deren Interessen vorbei agiert. Und das gilt auch für die „Linken“ in der SPÖ. Da geht’s um die interne Einhaltung der Frauenquote, die natürlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, aber für eine Favoritener Arbeiterin, die mit ihrem Lohn nicht auskommt, keinen erkennbaren Nutzen hat. Da freut man sich enthusiastisch über den Beschluss zur Cannabis-Entkriminalisierung, womit endlich, endlich eine alte Forderung der Arbeiterbewegung zur Umsetzung gelangen könnte: Die über 400.000 österreichischen Arbeitslosen, die keinerlei reale Chance auf einen Job haben, könnten dann immerhin nicht nur im Alkohol vergeblich Trost suchen, sondern auch bekifft unglücklich sein (sofern sie sich das leisten können) – echt tolle Sache! Und die 35-Stunden-Woche wurde wiedermal aufs geduldige Papier geschrieben. Da steht sie aber eh erst seit fast 30 Jahren.
Es ist einigermaßen naiv, von der SPÖ Lösungen für Probleme zu fordern und v.a. auch ernsthaft zu erwarten, die sie selbst maßgeblich verursacht – und zwar nicht deshalb, weil die böse ÖVP immer alles verhindert, sondern weil es im Interesse der SPÖ liegt. Die SPÖ ist inhaltlich eine bürgerliche und kapitalistische Partei. Man muss schon sehr verblendet sein, um zu glauben, sie würde und könnte gegen die Prinzipien des Kapitalismus agieren (oder diesen gar überwinden, wie jede neue SJ-Generation es sich wieder erträumt, bis sie selbst an den Parteifuttertrögen ankommt). Direkte und indirekte SPÖ-Unternehmungen sowie Unternehmer, Konzernchefs, Banker und Spitzenmanager mit SPÖ-Parteibuch ziehen Profit aus der Ausbeutung und Existenzunsicherheit der arbeitenden Menschen. Der ganze SPÖ-Apparat ist Bestandteil der Pfründeverteilung des bürgerlichen Staates. Sichere Arbeitsplätze, höhere Löhne, leistbares Wohnen, niedrigere Politikergehälter usw. sind lauter Dinge, die dem kapitalistischen Selbsterhaltungsbetrieb SPÖ schaden würden. Man kann sich von der SPÖ nichts erwarten, außer dass sie ihre charakterliche Funktion als soziale Stütze und tragende Säule des Status quo erfüllt: Die kapitalistische Ausbeutung mitorganisieren und entsprechende Profite für die eigenen Leute abstauben, aber in Worten (beim letzten NR-Wahlkampf waren’s nur noch Wörter) so zu tun, als würde man das alles ablehnen, um eben das System aufrechtzuerhalten. Wer sich etwas anderes erwartet, sollte aufwachen, denn sonst wird es ein böses Erwachen geben – oder aber freilich die Integration ins System als Profiteur desselben, unter Auf- und Preisgabe aller vorherigen Träumereien.
Geschlossenheit hat Werner Faymann vor dem Parteitag gefordert. Darüber sind medial bereits genügend Wortspiele gemacht worden, manche gelungen, manche bemüht, deshalb hier verkniffen. Abgeschlossen ist indessen die Geschichte der SPÖ als Partei der und für die arbeitenden Menschen – nicht erst seit diesem Parteitag, sondern schon lange. Das kann man zur Kenntnis nehmen und die Konsequenzen ziehen. Oder man irrt sich weiterhin und hält der Asozialdemokratie die Stange. Dann sollte man sich aber auch die eigene politische Latte lieber nicht zu hoch legen.

Tibor Zenker, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs, ehemals Mitglied des Landesvorstandes
der SJ NÖ und des Bezirksparteivorstandes der SPÖ Klosterneuburg.

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