Reform und Revolution

Text nach einem Vortrag von Tibor Zenker, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs, am KJÖ-Herbstauftakt, Wien, 30. August 2019

Reform und Revolution waren und sind zwei zentrale Begriffe aus der Theoriegeschichte und der Praxis der Arbeiterbewegung. Reform oder Revolution – das ist eine Fragestellung, die in dieser Form nicht zwingend ist, aber auch seit gewiss 200 Jahren grundlegende Bedeutung hat – und vor ziemlich genau 100 Jahren in direkter Konfrontation zur unerlässlichen Differenzierung in der Arbeiterbewegung geführt hat, nämlich zu jener zwischen Sozialdemokratie und kommunistischer Bewegung.

Bleiben wir kurz bei den Begriffen: Die Revolution – nämlich die sozialistische, proletarische Revolution, die soziale Revolution der Arbeiterklasse – ist das Ziel der, selbstredend, revolutionären Arbeiterbewegung, d.h. der, wenn man so will, historischen marxistischen Sozialdemokratie der I. und frühen II. Internationale sowie der kommunistischen Bewegung bis in die Gegenwart – mit gewissen Einschränkungen, wie wir noch sehen werden. Diese Revolution ist der immanente Höhepunkt des politischen, ökonomischen und ideologischen Klassenkampfes der Arbeiterklasse und ruht auf mehreren Säulen: Die zentrale Frage der Revolution ist die Eroberung der politischen Macht durch die organisierte Arbeiterklasse, d.h. die Errichtung der Diktatur des Proletariats; ihre Grundfrage ist die Eigentumsfrage, d.h. die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln und deren Überführung in gesellschaftliches Eigentum – somit die Abschaffung des Kapitalismus, wenn es plakativ formulieren möchte. Die Lösung der zweiten ist ohne die Lösung der ersten Frage nicht möglich, denn es handelt sich um eine politische, klassenmachtpolitische Voraussetzung für soziale und ökonomische Umwälzungen. Ohne Herrschaft der organisierten Arbeiterklasse wird es keinen Sozialismus geben, denn er kann erst auf dieser Grundlage aufgebaut werden. Vorausgesetzt sind die Überwindung, die Zerschlagung des bürgerlichen Staates soweit Unterdrückungsinstrument der Bourgeoisie, die Niederhaltung konterrevolutionärer, bürgerlicher, imperialistischer Gegenbestrebungen und die für die Arbeiterklasse demokratische Ordnung und Ausübung der politischen Macht sowie deren Kontrolle. Der Aufbau des Sozialismus vollzieht sich: durch die politische Macht der organisierten Arbeiterklasse und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel – wie bereits erwähnt; durch die bedürfnisorientierte Produktion und die planmäßige Steigerung der Produktivität; durch die Sicherung des materiellen Lebens aller Menschen; durch die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen; durch eine ökologisch nachhaltige Produktion; durch die Förderung und Entwicklung des sozialistischen Bewusstseins; durch die Überwindung der Teilung der Gesellschaft in Klassen und durch die Ausschaltung von Kriegen auf dem Leben der Menschen. Dies in höherer Entwicklungsstufe sind sodann auch die Voraussetzungen für den Übergang zum Kommunismus, zur klassenlosen Gesellschaft.

Der Begriff Reform bedeutet zunächst bloß „Umformung“, im Sinne der Arbeiterbewegung in aller Regel eine Umformung der sozialen und demokratischen Verhältnisse in eine „gerechtere“, demokratische, progressive Richtung. Daher sprechen wir zumeist von Sozialreformen und demokratischen Reformen. Diese spielen sich – im Gegensatz zur Revolution, die eine radikale, grundlegende Umwälzung markiert – im Rahmen der jeweils bestehenden Gesellschaftsordnung ab, d.h. für uns im Rahmen des Kapitalismus und des bürgerlichen Staates. Reformen sollen also die Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen des Kapitalismus lediglich abmildern, während die Revolution sie aufheben will. Reformen sollen die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse verbessern, sie sollen z.B. höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten ermöglichen, Umverteilung, Arbeitslosenunterstützung, Bildung, Gesundheit, Altersversorgung etc. – Es versteht sich von selbst, dass die Bourgeoisie, die dem Zwang der Profitmaximierung unterliegt, zunächst gelinde gesagt kein besonderes Interesse an solchen Reformen hat und habe kann. Reformen müssen also von der Arbeiterbewegung erkämpft werden, dem Kapital und dem bürgerlichen Staat abgetrotzt werden – und dann stetig verteidigt. Damit ist aber auch gesagt, dass Reformen ein natürliches Limit haben: Sie tasten den Kapitalismus nicht grundlegend an und werden vom Kapital lediglich geduldet, wenn nötig.

Und das ist in der Vergangenheit auch so geschehen: Relevante Reformen schon in Zeiten der österreichischen Monarchie betrafen z.B. das Recht auf (politische) Organisierung der Arbeiterklasse selbst ab 1867, bis hin zur Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Männer im Jahr 1907, das damals die SDAP unter Victor Adler als „historischen Kompromiss“ erreichte. Der Übergang zur Republik 1918/19 brachte eine Fülle an Reformen mit sich, darunter den 8‑Stunden-Arbeitstag, eine gesetzliche Grundlage für Arbeitslosenunterstützung und Urlaubsansprüche, Betriebsräte und Arbeiterkammern oder natürlich auch nicht zuletzt das Frauenwahlrecht. Für besonders engagierte soziale Reformen steht das sozialdemokratische „Rote Wien“ der Ersten Republik, mit ihren Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung, in der Bildung und nicht zuletzt mit dem sozialen Wohnbau. Die letzten großen Reformfortschritte verbindet man in Österreich gemeinhin mit den SPÖ-Alleinregierungen unter Bruno Kreisky 1970 – 1983.

Danach hat sich bezüglich des Reformbegriffes übrigens eine Wandlung vollzogen. Wenn heute von Reformen die Rede ist, so ist das zumeist eine Drohung, denn damit sind üblicherweise Konterreformen gemeint: Verschlechterungen für die Arbeiterklasse, für ärmere Bevölkerungsschichten, für Minderheiten, Migranten oder Frauen. Die so genannten „Reformen“ der Gegenwart und der letzten 30 Jahre waren in Kern das Programm des Sozialabbaus, der Privatisierungen, der Ökonomisierung und Marktliberalisierung, des Rückbaus der Gesundheits‑, Pensions‑, Bildungs- und Selbstverwaltungssysteme – bis hin zur partiellen Wiederauferstehung des 12-Stunden-Tages. Im heutigen „hochpolitischen“ und medialen Diskurs wird die „Reform“ zum außer Frage stehenden Selbstzweck, der aber in Wirklichkeit Rationalisierungen, Einsparungen und Kapitalkontrolle ermöglichen soll. Wir wollen uns diesbezüglich aber nicht begrifflich verwirren lassen – es sind, wie gesagt, Konterreformen. Es zeigt aber, dass wir nicht nur weit davon entfernt sind, positive Veränderungen durchzusetzen, sondern dass wir nicht einmal die Deutungshoheit über die Terminologie beeinflussen können, denn diese haben die Kapitalisten und die ihnen hörige Politik nicht zufällig an sich gerissen. Der positiv konnotierte Begriff wurde mit neuem, in der Regel faktisch negativem Inhalt gefüllt. Doch das nur am Rande.

Die zuvor erwähnten, tatsächlich positiven historischen Reformen sind zweifelsfrei gute Dinge – es ist besser, es gibt sie, als es gibt sie nicht. Trotzdem sei erlaubt, ihre kritische, problematische Seite auch zu beleuchten. Durchgesetzte Reformen spiegeln immer ein Kräfteverhältnis wider, nämlich zwischen den Interessen der Arbeiterklasse, den Möglichkeiten der Arbeiterbewegung und den Spielräumen des Kapitals. Das Kapital hat eigentlich nicht mehr Interesse am Wohlergehen des Arbeiters, als dass seine Arbeitkraft immer wieder reproduziert, d.h. wiederhergestellt werden soll – er muss ja arbeitsfähig bleiben und weiterhin Mehrwert produzieren, den sich die Kapitalisten als Profit aneignen. (Nur in Ausnahmefällen, etwa bei Sklaven- und Zwangsarbeit, gilt selbst dies nicht vollumfänglich.)

Durch eine starke, mächtige Arbeiterbewegung können die Kapitalisten zu weiter reichenden Kompromissen und somit Reformen gezwungen werden. Diese Kompromissbereitschaft besteht jedoch lediglich in der Angst der Bourgeoisie vor Verlusten, vor dem Aufstand, vor Streiks, in letzter Instanz vor der drohenden Revolution, die kompletten Machtverlust und Enteignung bedeuten würde. Das Faustpfand der Arbeiterbewegung gegenüber der Bourgeoisie besteht in ihrer Überzahl und potenziellen Übermacht – und sie muss diese mit Massenaktionen, Kundgebungen und Arbeitsniederlegungen demonstrieren, sie muss auch glaubwürdig den Willen zum Sozialismus zeigen. Wenn das Kapital keine Angst vor einer mächtigen Arbeiterbewegung und der Revolution hat, dann wird sie auch auf keine Kompromisse eingehen, sondern – so wie heute – ihr Programm der Konterreformen ungehindert durchziehen.

Dies zeigt aber nicht nur die Gegenwart, sondern noch deutlicher die Vergangenheit. Die großen Reformen der Ersten Republik in den Jahren 1918 – 1920 unter SP-Kanzler Karl Renner waren möglich, weil in Österreich eine revolutionäre Situation gegeben war. Die Massen wollten die sozialistische Republik, doch die Führung der Sozialdemokratie begnügte sich damals mit den bekannten Reformen im Rahmen des Kapitalismus – und die junge KPÖ war damals nicht in der Lage, sich an die Spitze der revolutionären Rätebewegung zu setzen. Daher gelang es der Sozialdemokratie, in Österreich den Kapitalismus zu retten, was den bürgerlichen Parteien zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gelungen wäre. Das Kapital hat es den Sozialdemokraten aber nicht gedankt: Einmal wieder auf die Beine gekommen, holte es in den 1920er Jahren zum Gegenschlag aus, um den „revolutionären Schutt“ – gemeint waren die Sozialreformen – zu beseitigen. Und mit dem Faschismus fand man schließlich das Werkzeug, um dies äußerst gründlich zu tun, letztlich 1933÷34−1945.

1945 war die Bourgeoisie abermals in der Defensive: Der Kapitalismus war diskreditiert, sozialistische Volksdemokratien bildeten sich in den Nachbarländern, in wichtigen Teilen Österreichs stand die Rote Armee der Sowjetunion, die Kommunistinnen und Kommunisten hatten erhebliche Verdienste im antifaschistischen Widerstand. Wieder war man zu Kompromissen bereit, dazu zählen etwa das Neutralitätsgesetz oder weitgehende Verstaatlichungen der Groß- und Schlüsselindustrie. Doch die KPÖ blieb zu schwach, und die SPÖ versicherte der ÖVP ihren bedingungslosen Antikommunismus und ihre Loyalität gegenüber dem Kapitalismus – und mit der Niederschlagung des Oktoberstreiks 1950 erfolgten schon wieder die Gegenschläge, wobei die SPÖ nun endgültig zur kapitalistischen Partei geworden war.

Doch die sozialistischen Staaten in Europa hatten durchaus Erfolge, ebenso antiimperialistische Befreiungsbewegungen und weitere sozialistische Revolutionen von China über Kuba bis Vietnam. Hinzu kam die 68er Revolte, wenngleich in Wien natürlich eher harmlos. Wieder wurde die Regierung an die SPÖ übergeben, um den Kapitalismus zu stabilisieren: Kreisky, ideologisch eigentlich ein Rechtssozialdemokrat, inszenierte den sozialen Wohlfahrtsstaat und eine keynesianistische Wirtschaftspolitik, bei gleichzeitigem Antisozialismus und Antikommunismus nach innen und außen. In Wirklichkeit aber waren viele Reformen und Erfolge der Arbeiterbewegung in dieser Zeit indirekte Abkömmlinge der Existenz der UdSSR und der sozialistischen Staaten – man musste gerade im Frontstaat Österreich zeigen, dass die „soziale Markwirtschaft“ ohnedies eine Insel der Seligen für alle Menschen schafft. Spätestens mit der Niederlage des Sozialismus in Europa 1989/90 war auch diese Phase wieder vorbei: Die ungehemmte Neuentfaltung des Imperialismus in aggressiver und repressiver Weise – oft als „Neoliberalismus“ betitelt –, begünstigt durch die kapitalistische Restaurierung in Osteuropa und dessen imperialistische Wiedereingliederung, besteht bis heute. Dass der Lebensstandard in Mittel- und Westeuropa, nicht zuletzt in Österreich, dennoch ein vergleichsweise hoher ist, beruht natürlich auf der Ausbeutung der Länder in der östlichen südöstlichen Semiperipherie, im Großen der abhängigen Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika. Auch hier gilt: Wäre der eine nicht arm, wäre der andere nicht reich – und umgekehrt.

Dass wir Österreich heute dort stehen, wo wir sind, ist – wie üblich – das zweifelhafte Verdienst der Sozialdemokratie: Sie hat gewissermaßen immer wieder positive Reformen durchgesetzt, aber mit der Aufgabe des sozialistischen Ziels und v.a. der kämpferischen Organisierung der Klasse ihr Druckmittel aus der Hand gegeben. Die Industriellenvereinigung, die Wirtschaftskammer und die ÖVP fürchten sich nicht oder nicht mehr vor der SPÖ und dem ÖGB, sie können mittlerweile sogar auf die „Sozialpartnerschaft“, das Herrschaftssystem der Zweiten Republik, verzichten. Und gleichzeitig hat die SPÖ dafür gesorgt, durch falsche Versprechungen, Diffamierungen und Lügenkampagnen, dass es neben ihr keine wirkungsvolle revolutionäre Partei der Arbeiterklasse gibt, wofür die KPÖ aber freilich auch selbst verantwortlich war und ist. Die KPÖ durchlebte in der Zweiten Republik im Wesentlichen – von kleinen Zwischenhochs abgesehen – eine Abwärtsentwicklung. Sie hat heute kaum bundesweite Bedeutung. Und schlimmer noch: Sie hat sich ohne Not ihrer schärfsten Waffe, des wissenschaftlichen Sozialismus, entledigt und reduziert ihre Programmatik auf innerkapitalistische Reformforderungen. Sie dupliziert damit im Kleinen die Farce zur historischen Tragödie der Sozialdemokratie.

Reduziert eine Arbeiterpartei ihre Programmatik und Zielsetzung auf das Erreichen von Reformen – wobei das strategische Ziel unter den Tisch fällt, egal ob explizit oder implizit –, so spricht man von Reformismus. Grundlegend für diese Entwicklung in der deutschen und österreichischen Sozialdemokratie waren die historischen Ansichten eines gewissen Eduard Bernstein am Ende des 19. Jahrhunderts. Dieser stellte den Marxismus auf den Kopf, entstellte ihn bezüglich zentraler Voraussetzungen bis zur Unkenntlichkeit – wir sprechen daher auch von Revisionismus –, kippte die Revolution de facto in die Tonne und forderte das Primat der Reform, die auf politisch-parlamentarischem Wege im bürgerlichen Staat zu erreichen sei. Namhafte Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wandten sich gegen ihn – zunächst auch Kautsky, natürlich Luxemburg, Bebel, später Lenin –, doch in der Praxis siegte der Reformismus in der Sozialdemokratie. Und das ist der Grund, warum die SPÖ heute dort steht, wo sie es sich ausgesucht hat. Auf ihren aktuellen Wahlplakaten fordert sie nur noch, dass Menschen, die einen Job haben, nicht verhungern sollen – das ist das blanke Minimum des Reproduktionsprozesses der kapitalistischen Lohnsklaverei. Und als einziges „Druckmittel“ verbleibt der SPÖ der untaugliche Moralismus.

Aber das ist natürlich auch der oder zumindest ein wesentlicher Grund, warum sich schon am Ende und im Gefolge des Ersten Weltkrieges überall auf der Welt kommunistische Parteien gegründet haben, 1919 in der Komintern zusammengefasst. Die KPÖ, 1918 geschaffen, war Gründungsmitglied der organisierten kommunistischen Weltbewegung. Und sie vertrat Jahrzehntelang, auf ehrenvolle und kämpferische Weise, unter schwierigen und z.T. unter geradezu furchtbaren Bedingungen, den Marxismus-Leninismus, mit diesem Klassenkampf, Revolution und Sozialismus. Nur auf dieser Basis war es ihr auch möglich, glaubhaft für weitgehende Reformen einzutreten, ohne das strategische Ziel zu verlieren. Doch es fehlte ihr bekanntlich an Einfluss, nur indirekt, wie bereits dargelegt, mit Unterstützung aus den sozialistischen Staaten, wurde die kommunistische Bewegung in Österreich auf einer höheren Ebene wirksam.

Seit den 1990er Jahren ist die kommunistische Weltbewegung im Umbruch, verbunden mit einem immensen Macht- und Bedeutungsverlust durch den Wegfall des Großteils der sozialistischen Staatenwelt: Traditionsreiche Parteien, im Westen wie im Osten, wurden aufgelöst oder in sozialdemokratische Organisationen umgewandelt. Viele haben sich auch – trotz ihres kommunistischen Namens – in rein reformistische Parteien verwandelt: Dazu zählen z.B. die französische KP, die italienische Rifondazione, die CPUSA und leider auch die KPÖ, die in aller Folgerichtigkeit Mitglied der antikommunistischen EU-Linkspartei ist, gemeinsam mit Ausgeburten wie der griechischen SYRIZA, einer äußerst unappetitlichen Hauptpartei des radikalen Konterreformismus. Das ist wiederum der Grund, warum es heute auch neue kommunistische Parteien gibt und geben muss, die an die Stelle der reformistischen oder neosozialdemokratischen getreten sind, darunter freilich auch die Partei der Arbeit Österreichs. Die PdA ist international verbunden mit jenen Parteien, die weiterhin für Marxismus-Leninismus und die sozialistische Revolution stehen, darunter die griechische KKE, die italienische PC, die KP der Türkei, die KP der Arbeiter Spaniens, die KP Schwedens, die Neue KP Jugoslawiens und einige andere – viele davon aber sind, wie auch die PdA, im Vergleich zur Vergangenheit (noch) kleinere Organisationen und z.T. im Aufbau begriffen. Die KKE ist hiervon die deutlichste Ausnahme.

Anhand der PdA kommen wir nun nochmals zurück zum Verhältnis von Reform und Revolution. In Artikel 23 ihrer programmatischen Grundsätze heißt es:

„Es ist die Aufgabe der PdA, für positive Reformen zu kämpfen. Die PdA ist eine revolutionäre und antikapitalistische Partei, doch bedeutet dies nicht, dass sie nicht für tatsächliche und unmittelbare Reformen, für soziale und politische Verbesserungen zugunsten der arbeitenden Menschen auch im Rahmen des Kapitalismus kämpft und diese verteidigt. Solche können aber nicht von den Herrschenden erbettelt oder ‚sozialpartnerschaftlich’ ausverhandelt, sondern nur durch den – vornehmlich außerparlamentarischen – Druck der Arbeiterklasse erzwungen werden. Es ist jedoch festzustellen, dass keine Kette von Reformen ein automatisches Hineinwachsen in den Sozialismus oder eine Transformation des Kapitalismus ermöglicht.“

Auch die besten und weitestreichenden Reformen ersetzen niemals den Kampf um den Sozialismus und das Ziel des Sozialismus. Deshalb heißt es weiter in den Grundsätzen: „Die Strategie der PdA ist auf das Hauptziel der sozialistischen Revolution und des Aufbaus des Sozialismus in Österreich gerichtet. Dieses ist nicht zu ersetzen durch eine ‚soziale Demokratie’, eine ‚solidarische Gesellschaft’, eine ‚soziale Marktwirtschaft’ oder dergleichen, denn diese verbleiben entweder im Rahmen des Kapitalismus oder stellen einen Widerspruch in sich dar.“ (Artikel 14) „Mit der Verfolgung dieses Hauptziels trägt die PdA als Teil einer internationalen, weltumspannenden revolutionären Arbeiterbewegung zur weltweiten Überwindung des Kapitalismus bei.“ (Artikel 15)

Das bedeutet, wenngleich eine Aufgabe der marxistisch-leninistischen Partei der Kampf um Reformen sein mag, so gilt dennoch: „Es ist die historische Aufgabe der PdA, für den Sozialismus zu kämpfen.“ (Artikel 27) Und weiter: „Die Hauptaufgabe der PdA besteht in der Aufklärung, Mobilisierung und Organisierung der Arbeiterklasse.“ (Artikel 21) „Es ist die Aufgabe der PdA, die Verbindung mit den Massen zu organisieren und die Arbeiterklasse mit allumfassendem politischen Bewusstsein zu erfüllen.“ (Art 22) D.h., es geht darum, die Arbeiterklasse in jeder Hinsicht kampffähig für den Sozialismus zu machen. Soziale und demokratische Reformen können diesbezüglich aber jedenfalls Ressourcen freilegen und die Kampfbedingungen subjektiv wie objektiv, individuell wie kollektiv optimieren. Das ist – oder wäre – der auf den Sozialismus gerichtete strategische Zweck der Reform.

Die geschichtliche Wahrheit Österreichs ist jedoch bekanntlich eine andere, nämlich jene, dass Reformfortschritte eher zur Lähmung der sozialistischen Bewegung geführt haben – denn alsbald gab man sich, wie zuvor erwähnt, in der Sozialdemokratie damit zufrieden. Das ist eine faktische Feststellung, egal wie lange die SPÖ die Termini „Sozialismus“ oder „sozialistisch“ auch noch in ihrem Parteiprogramm oder sogar im Parteinamen stehen hatte.

Und gleiches Maß gilt auch für alle anderen: In den offiziellen Dokumenten der KPÖ spielt der Sozialismus keine Rolle mehr – man will den Kapitalismus in eine „solidarische Gesellschaft“ verwandeln oder strebt einen irgendwie progressiv-souveränen Sozialstaat an. Mit der Preisgabe des Marxismus-Leninismus entwaffnet sich auch die KPÖ und reduziert sich programmatisch auf Reformpolitik, Stellvertreterpolitik, Kapitalismus- und Armutsverwaltung, inklusive Almosenverteilung und Moralismus. Man kann das getrost als reformistisch bezeichnen. Das ist aber nicht per se ehrenrührig, denn mit dieser Ausrichtung reiht man sich in aufrichtige humanistische Organisationen ein wie Caritas, Diakonie, Volkshilfe oder „Licht ins Dunkel“. Nur: Kommunistisch und marxistisch ist das nicht. Damit wirkt man nicht für, sondern unweigerlich gegen den Sozialismus. Das „gute Leben für alle“ spielt’s im Kapitalismus und Imperialismus nun mal nicht – das ist Selbstbetrug, zu dessen Behufe man sich jeweils auch noch hinter eurozentristische, österreichisch-nationale, regional-provinzielle oder gar kommunale Tellerränder zurückzieht. Vor einer solchen Partei hat das Kapital keine Angst – egal wie hoch gelegentlich die Stimmenanteile bei bürgerlichen Kommunalwahlen oder die Mitgliederzahlen am Papier sind. Hier gibt es nur aus rein realpolitischen Gründen hin und wieder das eine oder andere Zugeständnis, falls dies für eine gerade opportune Mehrheit nötig ist, womit man mancherorts schlichtweg die Ersatz-Sozialdemokratie geben kann. Man hat in Griechenland eindrucksvoll gesehen – aber auch in manchen deutschen Bundesländern –, wohin das schlussendlich führen kann.

Der Weg der marxistisch-leninistischen Partei muss ein anderer sein: Ja zu Reformzielen, um die Kampfbedingungen zu verbessern; ja zu Reformzielen, um die Begrenztheit der Möglichkeiten des Kapitalismus aufzuzeigen; aber keine Aufgabe, keine Vernachlässigung und keine taktisch opportunistische Verzerrung des strategischen Hauptzieles – und der Hauptaufgaben. In dieser Form wären Reform und Revolution kein Gegensatz und kein Widerspruch, sondern können eine Einheit bilden.

Wer das Hauptziel und die Hauptaufgaben (in Worten und/oder Taten) hinten anstellt – aus wahltaktischen Gründen, aus Pessimismus, aus Mutlosigkeit, der eigenen Kleinheit wegen oder angesichts eines allzu mächtigen Gegners, oder gar aufgrund angeblicher historischer Obsoletheit – hat bereits den entscheidenden Schritt getan von der revolutionären Kampfpartei der Arbeiterklasse zum linkreformistischen Anhängsel der Kapitalismusverwaltung, der hat sich für die falsche Seite der Barrikade entschieden und steht dem Sozialismus im Wege.

Die PdA – und letztlich kann ich natürlich nur für diese sprechen – hat sich für den anderen Weg entschieden. Sie wird dabei aber auch durchaus von außen bestärkt. Denn es möge so sein, wie es Franz Stephan Parteder angesichts der Vorbereitung der KPÖ auf ihre rein reformistische Nationalratskandidatur kürzlich in unsere Richtung formuliert hat: „Lasst uns in Ruhe – und macht Revolution!“ – Nun gut, soll sein – möge jeder wissen, wo er steht. Danke. Bitte. Gerne.

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