Zum Ergebnis der Nationalratswahl 2019

Erklärung des Parteivorstandes der Partei der Arbeit Österreichs (PdA), Wien, 2. Oktober 2019

1. Am 29. September 2019 fand in Österreich eine vorgezogene Nationalratswahl statt. Diese war notwendig, da die ÖVP/FPÖ-Regierung im Mai dieses Jahres zerbrochen war. Die Regierung Kurz I ist jedoch nicht politisch-programmatisch gescheitert und wurde auch nicht von außen gestürzt, sondern scheiterte am Dilettantismus der FPÖ und am Machstreben von Kurz. Es handelte sich also nicht um einen Erfolg der Opposition, weder der parlamentarischen noch der außerparlamentarischen.

2. Daher ist es nur logisch, dass das auf den ersten Blick recht dynamische Wahlergebnis vom 29. September in Wirklichkeit unterm Strich wenig Veränderung beinhaltet: Der radikalkapitalistische Bürgerblock (ÖVP, FPÖ, NEOS) hält weiterhin knapp zwei Drittel der Mandate, das humanistisch-reformistische Lager (SPÖ, Grüne bzw. Pilz/Jetzt) etwa ein Drittel. Die Verschiebungen betrafen lediglich – allerdings massive – Bewegungen von der FPÖ zur ÖVP sowie von der SPÖ zu den Grünen. Von einer Wende gibt es keine Spur. Die Politik der Regierung Kurz wurde nicht abgewählt.

3. Insofern verwundert es nicht, dass Kurz angekündigt hat, eine „Mitte-rechts“-Politik fortzusetzen – gemeint ist eine kapitalfreundliche, arbeiter‑, frauen- und migrantenfeindliche Politik, die den Profiten der Banken und Konzerne nützt, während sie auf soziale Probleme, Armut, globale Flucht- und Migrationsbewegungen sowie den Klimawandel keine Rücksicht nimmt. Tatsächlich verfügen ÖVP und FPÖ weiterhin über eine potenzielle Regierungsmehrheit, wenngleich mit einem größeren internen Ungleichgewicht als zuvor.

4. Trotzdem verfügt Kurz bzw. die ÖVP keineswegs über jenen Rückhalt in der österreichischen Bevölkerung, den sie selbst suggerieren. Rund 25% der Wahlberechtigten blieben den Urnen fern und bilden somit eine zahlenmäßig größere Gruppe als die ÖVP-WählerInnen. Damit haben in Wirklichkeit nur 23% der Wahlberechtigten für die ÖVP gestimmt. Zieht man des weiteren in Betracht, dass in Österreich 1,2 Millionen erwachsene Menschen leben, die hier arbeiten, Steuern zahlen und den Gesetzen unterworfen sind, aber nicht wahlberechtigt sind, so fällt der Anteil der ÖVP-WählerInnen an der tatsächlichen Bevölkerung unseres Landes auf nur noch 19%. Entsprechend gilt Ähnliches für alle anderen Parteien. Hierbei handelt es sich nicht um ein mathematisches Zahlenspiel, sondern um die Verdeutlichung der Legitimationskrise des bürgerlichen Parlamentarismus.

5. Die SPÖ verbuchte das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die Schuld daran tragen aber nicht einfach nur Spitzenkandidatin und Geschäftsführung, weswegen ein einfacher Personalwechsel auch diesmal nichts ändern würde bzw. wird. Verantwortlich für den neuen Tiefpunkt der Sozialdemokratie ist ihr Charakter als kapitalistische Partei: Seit den 1980er Jahren führte sie über viele Jahre als Kanzlerpartei konterreformistische Regierungen, die für Sozialabbau, Privatisierungen und Marktdominanz sowie Fremdenfeindlichkeit und EU-Unterordnung verantwortlich waren. Natürlich war auch dies nur eine Folge des schon vor 100 Jahren eingeschlagenen Weges, der die Interessen der Arbeiterklasse opfert, im Klassenkampf kapituliert und sich mit dem Kapitalismus arrangiert. Die Sozialdemokratie kann hauptsächlich nur noch aufgrund ihrer Tradition als ehemalige Arbeiterpartei bei einem (mittlerweile recht geringen) Teil der Arbeiterklasse punkten. Der größere Teil bleibt mittlerweile den Wahlen fern bzw. wird von den reaktionären und sich arbeiterfreundlich gebenden Sozialdemagogen der FPÖ angezogen. Denn der parteiförmige Sozialdemokratismus ist als progressive Kraft und emanzipatorische Ideologie der Arbeiterbewegung tot und kann nicht wiederbelebt werden. Diejenigen in der SPÖ, die solchen Illusionen anhängen, dienen nur als Feigenblätter einer opportunistischen Partei. Einer tatsächlichen Bewegung für den Sozialismus stehen sie im Wege.

6. Die beiden Kandidaturen links der Sozialdemokratie führten zu äußerst bescheidenen Ergebnissen. Während die reformistische Liste „Der Wandel“ schon ihr bundesweites Antreten als positiv verbuchen wird, markiert das Abschneiden der KPÖ einen klaren Misserfolg: Wieder einmal mauerte man sich mit ein paar Getreuen ein und titulierte dies als angeblich „breites Bündnis“, das den Einzug ins Parlament schaffen könne – und abermals scheiterte man mit Stimmenverlusten (besonders massiv in Wien) und schließlich 0,7% auf niedrigstem Niveau. Das ist umso bemerkenswerter, als diesmal auch die bei lokalen und regionalen Wahlen ansonsten erfolgreiche steirische Landesorganisation der KPÖ nicht nur mit an Bord war, sondern sogar federführend agierte und ihre ehemalige Grazer Vizebürgermeisterin sowie auch den zweiten Stadtrat prominent auf den Wahllisten platzierte. Doch die inhaltliche Reduzierung auf rein moralistische Appelle, karitative Heiligenikonen und reformistische Illusionen offenbaren das ganze Dilemma der ideologisch ankerlosen und beliebigkeitslinken KPÖ. Dass sie noch am Wahlabend ankündigte, nun unbeirrt am Aufbau einer „modernen Linkspartei“ arbeiten zu wollen, soll das Hamsterrad in Bewegung halten, ohne zu bemerken, dass es eckig ist.

7. Die ÖVP kann sich nun den Billigstanbieter als Juniorpartner aussuchen. Doch gleichzeitig wissen FPÖ, SPÖ und Grüne, dass sie in einer Regierung mit der ÖVP vermutlich (weiter) Stimmen verlieren würden. Insofern ist noch unklar, welche Partei dem Drang nach Posten, Geldern und Machtanteilen nachgeben und als Koalitionspartner bereitstehen wird. Doch egal, wer schlussendlich neben der ÖVP in der nächsten Bundesregierung vertreten sein wird – es wird auf jeden Fall wieder eine arbeiter- und volksfeindliche Regierung des Kapitals sein. Sie wird im Dienste der Banken, Konzerne und Unternehmen sowie der Reichen und Superreichen agieren, sie wird die arbeitenden Menschen, Beschäftigungslose, ärmere Bevölkerungsschichten und MigrantInnen weiter unter Druck setzen. Sie wird Militarismus und Aufrüstung (auch im Rahmen der EU) betreiben, und gleichzeitig Bildung, Gesundheit, Altersversorgung und Umweltschutz vernachlässigen. Sie wird den Kapitalismus und Imperialismus fördern, und die Arbeiterbewegung, Emanzipation und den Sozialismus unterdrücken.

8. Die Partei der Arbeit bekämpft jede Regierung des Kapitals, egal in welcher farblichen Zusammensetzung. Wir werden Teil des Widerstandes gegen die arbeiter- und volksfeindliche Politik der Regierung sein – und wir werden auch die parlamentarische Opposition nicht als substanziellen Gegenentwurf akzeptieren. Die einzige Antwort auf den Klassenkampf von oben, den alle kapitalistischen Parteien in unterschiedlichen Formen betreiben, ist der Klassenkampf von unten. Hierfür müssen wir die Menschen aufklären, mobilisieren und organisieren – damit sie neue Einsichten gewinnen und selbst für ihre Interessen kämpfen. In der Ausweitung dieser Tätigkeit muss die PdA nicht nur wesentlich stärker, sondern durchaus auch wahlkampffähig werden. Doch die Wahlinszenierungen der Herrschenden, ihrer Parteien und Medien, beinhalten keinen Ausweg aus dem System der Existenzunsicherheit und Armut, der Unterdrückung und Ausbeutung. Der Kampf gegen den Kapitalismus muss zum revolutionären Sturz der herrschenden Ordnung und zum Sozialismus führen, worüber gewiss nicht im Nationalrat verhandelt werden wird. Eine andere Zukunft gibt es nicht.

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