Der neue Vorstandsvorsitzende der SPÖ, Christian Kern, nebenbei automatisch auch Bundeskanzler der Republik Österreich, hat nun also Ernennung, Antrittspressekonferenz, ZIB-2-Studiointerview und Parlamentsbegrüßung unfallfrei hinter sich. Und er tat, was er tun musste: Die Beteuerung abzugeben, dass hinkünftig alles besser werden würde. Dafür hat man ihn auch geholt, denn der politische Quasi-Quereinsteiger soll freilich suggerieren, dass die neue SPÖ-Führung sowie ihre Regierungspolitik mit der bisherigen nichts mehr zu tun hat bzw. zumindest keinesfalls dafür verantwortlich gemacht werden kann. Der „Zauber“ des Neuen, wie es Mitterlehner nannte, ist in Wirklichkeit eher ein billiger Taschenspielertrick.
Das Problem an der Sozialdemokratie und der Bundesregierung war natürlich nicht die Person Werner Faymann, sondern ihr Inhalt. Der Glaube, der Austausch des SPÖ-CEO und Kanzlers brächte tatsächliche Veränderung, ist bestenfalls naiv. Trotzdem ist in der SPÖ so etwas wie „Aufbruchstimmung“ zu sehen, was aber vor allem auf der kollektiven Erleichterung über Faymanns politischen Exitus gründen dürfte. Doch es ist eben nur ein Personal- und Fassadenwechsel.
Was Kern anbietet, ist „gute Stimmung“. Dass ihm für solche rhetorische Seifenblasen nun Vorschusslorbeeren zufliegen, zeugt bloß vom ganzen Elend der SPÖ und der Regierung. Wieder hat man nicht begriffen: Was an der Sozialdemokratie stört, sind nicht schlechte Vermittlung, mangelnde PR und untaugliche Werbung. Sondern es ist das Produkt selbst, das nicht mehr angenommen wird. Wenn sich inhaltlich nichts ändert – und nichts deutet darauf hin –, dann werden die zur FPÖ übergelaufenen Zielgruppen, nämlich die Arbeiterklasse, Beschäftigungslose und sozial Benachteiligte, weiterhin und völlig zurecht nicht zu gewinnen sein. Niemand braucht eine SPÖ, die ein Schoß- und Kettenhund des Kapitals ist.
Es ist auch schwer vorstellbar, dass ausgerechnet der Spitzenmanager Kern nur ansatzweise eine sozialpolitische, gar „linke“ Wende in der SPÖ herbeiführen könnte oder auch nur wollte. Kern schwebt in anderen Sphären als die Zielgruppe: Sein bisheriges Jahreseinkommen als ÖBB-Direktor belief sich auf rund 700.000 Euro, das entspricht einem Monatseinkommen von fast 60.000 Euro. Zum Vergleich: Ein ÖBB-Lokführer muss für 60.000 Euro, brutto natürlich, zwei Jahre lang arbeiten. Eine Mindestsicherungsempfängerin muss mit knapp 1,4% des Kernschen Einkommens auskommen. Das ist einfach nur obszön und das Ergebnis sozialdemokratischer Politik gegen die Arbeiterklasse und für die eigene Bonzenschicht. Und nun soll so ein Bonze die realen, tagtäglichen Existenzprobleme der Menschen kennen und sich ihrer annehmen? Da braucht man nicht Optimismus, sondern Humor.
Immerhin, Kern hat die ÖBB in den letzten sechs Jahren in die Gewinnzone gebracht. Ja, denn er weiß, wie der Kapitalismus funktioniert: Rationalisierung und Kostenreduktion haben seit 2010 nicht weniger als 4.000 Arbeitsplätze (von zuvor 44.000) bei den ÖBB vernichtet. Somit weiß Kern also erwiesenermaßen, wie man die Arbeitslosigkeit um 10% steigert, aber dafür ordentliche Unternehmensgewinne lukriert. Wahrlich rosige Aussichten. Aber die Stimmung ist toll. Lang anhalten wird sie nicht.
Tibor Zenker, stv. Vorsitzender der PdA Österreichs