Zur schwarz-grünen Bundesregierung in Österreich
von Tibor Zenker, aus: Unsere Zeit (UZ) – Zeitung der DKP, Essen, 17. Januar 2020
Es hat sich bald nach den Parlamentswahlen im September 2019 abgezeichnet, mit Beginn des neuen Jahres ist es Realität: In Österreich regiert nun eine Koalition aus rechtskonservativer Volkspartei (ÖVP) und den Grünen. Es handelt sich um eine Koalition der Wahlgewinner, während die Verlierer der letzten Nationalratswahl, Sozialdemokratie (SPÖ) und rechtsextreme Freiheitliche Partei (FPÖ), mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind.
Der frühere Kanzler Sebastian Kurz sitzt abermals fest im Sattel. Es besteht kein Zweifel bezüglich seiner Agenda: Er will das Programm der an der Korruptionsaffäre zu Ibiza zerbrochenen konservativ-rechtsrechten Regierung fortsetzen, zumal diese ja keineswegs politisch-inhaltlich gescheitert ist. Die ÖVP wird weitgehend ungehindert das Wunschprogramm der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung, der Banken und Konzerne, umsetzen. Als Hauptpartei des Kapitals senkt die ÖVP die Steuern für Unternehmen und Besserverdienende, während ihre arbeiterfeindlichen und antizozialen Maßnahmen Bestand haben, darunter die Ermöglichung des 12-Stunden-Arbeitstages, die Zerschlagung der Selbstverwaltung der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung oder die Kürzung der Sozialhilfe (wenngleich der Verfassungsgerichtshof hier kürzlich aufbegehrte). In der Asyl- und Migrationspolitik gilt weiter eine harte Linie, ebenso im Kampf gegen den „politischen Islam“: Für „Gefährder“ ist die Einführung einer präventiven „Sicherungshaft“ vorgesehen, das Kopftuchverbot in den Schulen wird bis zur 8. Schulstufe ausgedehnt. Bei der Aufteilung der Ressorts hat die ÖVP alles in der Hand, was sie braucht: Finanzen, Wirtschaft, Inneres, Äußeres, Verteidigung, Landwirtschaft und Bildung, inklusive der Agenden für den „Arbeitsmarkt“ und alle Geheimdienste. Kompromisse musste die ÖVP keine eingehen.
Da stellt sich die Frage: Was machen eigentlich die Grünen in dieser Regierung? Ihnen bleibt als Hauptprojekt das „Infrastrukturministerium“, was im Wesentlich eine Zusammenlegung der Ressorts Verkehr und Umwelt bedeutet. Diese Quadratur des Kreises ist symptomatisch für die gesamte Regierungsbeteiligung: Der neue Vizekanzler Werner Kogler war bereit, allerlei Prinzipien über Bord zu werfen und den Steigbügelhalter für Kurz zu machen. Weder gibt es Verbesserung im Bereich Soziales, Migration oder Lohn-/Massensteuern, noch wurden die schlimmsten arbeiter- und menschenfeindlichen Maßnahmen der ÖVP/FPÖ-Regierung infrage gestellt. Die Grünen setzen alles auf das Thema Klimaschutz, haben aber wenig vorzuweisen: Man ist sich mit der ÖVP einig über Maßnahmen, die nur die arbeitenden Menschen, die ärmeren Schichten und die sozial Benachteiligten treffen – sie werden mit Verboten und Repressalien drangsaliert, während die Hauptverursacher von Umweltverschmutzung und Klimawandel – die großen Unternehmen – verschont bleiben. Gemäß ihrer sozialen Basis – besserverdienenden, urbane, kleinbürgerlichen Schichten – ist der Klimaschutz für sie ein moralistisches Thema des Individualverhaltens, das zwischen schicker Lifestylepolitik und bevormundender Verbotspolitik pendelt, während jeder Blick fürs Systematische fehlt. Die österreichischen Grünen haben weder den Kapitalismus noch Greta Thunberg verstanden. Unterm Strich zeigt sich, dass die Grünen lediglich den „linken“ Rand des Kapitals markieren, der unter dem Deckmantel der „Ökologisierung“ durchaus für innovative Profite sorgen kann. Mit den Grünen erhalten wir Sozialabbau, Abschiebungen, Existenzunsicherheit, Repression und nicht zuletzt eine fanatische Unterstützung des EU-Imperialismus mit freundlichem Antlitz, grünem Schleifchen – und der ständigen Ausrede auf Sachzwänge.
Progressiv ist an der neuen schwarz-grünen Regierung nichts. Von der parlamentarischen Opposition ist wenig zu erwarten außer Kollaboration. Der Widerstand bleibt bei der außerparlamentarischen Linken und Arbeiterbewegung, die gegenwärtig über wenig gesellschaftlichen Einfluss verfügt. Hier ist in den nächsten Monaten und Jahren einiges zu tun in den Bereichen Aufklärung, Mobilisierung und Organisierung.