Nein, natürlich handelt es sich beim Bergwerksunglück von Soma um keinen schlichten Unfall, schon gar nicht um „Schicksal“, wie Erdoğan meint. Fahrlässige Tötung ist das Mindeste, was man hier attestieren kann – und das in mehr als 400 Fällen. Diese Fahrlässigkeit hat jedoch System: Es nennt sich Kapitalismus, dessen Grundprinzip auf maximalen Profit orientiert. Das bedeutet zwangsläufig, dass alle Kosten für Arbeitskräfte und Infrastruktur minimiert werden müssen.
Im Jahr 2005 wurde die zuvor staatliche Braunkohlemine bei Soma privatisiert – unter Freunden –, denn „Käufer“ war die der Regierungspartei AKP nahestehende Soma Kömür A.S. Holding. Seither wurde massiv „rationalisiert“: Die Kosten für die Förderung einer Tonne Kohle wurden von bis zu 100 Euro auf 17,50 Euro gesenkt – durch Lohnkürzungen einerseits, andererseits aber durch eine minderwertige technische Ausstattung und eine Reduzierung der Sicherheitsmaßnahmen, was sich prompt rächt. Die Einsparung beträgt 82,50 Euro pro Tonne. Bei über 400 toten Bergleuten wissen wir nun auch, welche Relation zwischen Profitrate und Todesrate besteht: Jedes Todesopfer aus Soma steht für rund 20 Cent Einsparung pro Tonne. Das hat sich ausgezahlt.
Offiziell sind in der Türkei 2,8 Millionen Menschen arbeitslos, inoffiziell werden es bis zu fünf Millionen sein. 400 verlorene Arbeitskräfte lassen sich da leicht ersetzen. Und bei mangelnder Berufserfahrung kann man ja gleich noch mal die Einstiegslöhne niedriger ansetzen. Wieder Profitmaximierung, bis zum nächsten „Unglück“.
So sieht er aus, der Dreckskapitalismus. Rücksichtslos, menschenfeindlich, mörderisch. Dieses Scheißsystem muss weg.
Tibor Zenker, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs