Im Windschatten des Terrors: Neues Überwachungspaket in Österreich

Analyse, Kritik und Gegenpositionen. Von Maria Hrivula für die Partei der Arbeit Österreichs (PdA)

“Wir laufen seit Jahren wie Schlafwandler in einen Überwachungsstaat.”

Reinhard Kreissl, Kriminalsoziologe

Terroristen wollen mit ihren Aktionen soziale Gefüge verwunden und zerstören. Sie zeigen, wie verwundbar Staaten trotz aller Sicherheitsvorkehrungen, all ihrer staatlichen und militärischen Macht sind.
Die Reaktion der Staaten zeigt, wie erfolgreich Terroristen damit sind: Im Windschatten des Terrorismus schränken Staaten demokratische Grundrechte ein, massiv verstärken Regierungen die staatlichen Repressions‑, Unterdrückungs- und Überwachungsapparate.
Als „Instrument des Staatsdatenterrorismus“ bezeichnet Alfred Noll im österreichischen Parlament den Bundestrojaner, eines der weitreichenden Elemente im Überwachungspaket, das am 20. April 2018 von der schwarz-blauen Regierungsmehrheit beschlossen wurde.
Die Absicht, dieses Überwachungspaket umzusetzen, stand bereits im Regierungsprogramm der großen Koalition unter Führung der SPÖ. Im Kerns Koalitionsprogramm vom Jänner 2017 war das Überwachungspaket Teil der Übereinkunft mit der ÖVP. Ein erster Teil davon – die Einschränkung der Versammlungsfreiheit – wurde im Mai 2017 mit Zustimmung der SPÖ beschlossen.
Umfassende Gesetzesvorlagen wurden im Sommer 2017 dem Parlament zugeführt. Nach dem Bruch der Koalition kamen die Vorschläge aus Sobotkas und Brandstätters Ministerien nicht mehr zur Abstimmung. Jetzt, als Oppositionspartei, verweist die SPÖ auf die Gefahr, die von diesem Paket ausgeht.
Umgekehrt die FPÖ: als Oppositionspartei noch vehement gegen die Verschärfung durch dieses Paket, spielt Minister Kickl den Scharfmacher für die reaktionäre Umgestaltung der Republik, die ÖVP kann sich dezent im Hintergrund halten.
Österreich hat bisher – selbst innerhalb Europas – eine der am weitesten entwickelten (bürgerlichen) Demokratien. Nach den Gräueln des Faschismus mit Krieg, Massenmord und Überwachung hat sich Österreich eine der fortschrittlichen Verfassungen gegeben.
Die ökonomische Entwicklung, das Nachhinken der Arbeitseinkommen gegenüber Kapital- und Unternehmensgewinnen bewirken eine Teilung, ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft. Die Ausweitung dieses Bruchs wird von den großen politischen Parteien und von auflagenstarken Massenmedien gefördert.
Dazu „Der Standard“ vom 18.3.2018:
Europa als demokratische Festung im digitalen Sturm
Aufrufe zur Verteidigung der liberalen Ordnung im Internet bei STANDARD-Diskussion im Burgtheater
Wien – “Ein Best-of aller Technologien aus dystopischen Romanen seit 1984” sei es, das Chinas Regierung schon heute nutze – und dessen Anwendung in Europa von Demokraten erst einmal vermieden werden müsse. Die Ausbreitung von Überwachung, Troll-Armeen und Cyberangriffen kann für die liberale Ordnung zur Gefahr werden – darüber waren sich alle Diskutanten am Sonntag im Burgtheater mit Brand eins-Journalist Thomas Ramge einig, von dem das Zitat stammt. “Bedroht die Digitalisierung die Demokratie?” lautete der Titel der Veranstaltung, zu der die Erste Stiftung, das Institut für die Wissenschaft vom Menschen (IWM) und DER STANDARD geladen hatten.
Wie weit der Prozess in Europa und den USA schon fortgeschritten ist und wie eine Unterwandung abgewehrt werden kann – darüber wurde unter der Moderation von STANDARD-Chef vom Dienst Eric Frey heftig diskutiert. Robo-Psychologin Martina Mara vom Ars Electronica Futurelab etwa betonte, wie weit die Forschung zu den Effekten möglicher Beeinflussung noch von Antworten auf grundlegende Fragen entfernt sei. Empirisch sei vieles sehr schwer zu untersuchen. Die britische Firma Cambridge Analytica etwa, die wegen ihres Einflusses auf die US-Wahl 2016 nun wieder in den Nachrichten ist, könne selbst nur begrenzt erklären, in welcher Weise ihre Social-Media-Arbeit nun genau zur Wahl des aktuellen US-Präsidenten beigetragen habe.
Der Schaden ist schnell da
Echte Beeinflussung sei unter Umständen aber auch nicht nötig, führte Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle an. Das Wichtigste an der Politik sei das Vertrauen – werde dieses untergraben, sei es nicht nötig, dass es vorher wirklich einen Schaden gegeben habe. Sorge mache ihr vor allem, dass sich Individualisierung in der Gesellschaft im Netz als Polarisierung widerspiegle. “Das, worum es in der Demokratie tatsächlich geht, nämlich Kompromisse zu finden, mit denen alle leben können” – das trete in den Hintergrund.
und die „Kronenzeitung“ vom 20.3.2018:
Laut dem Global Peace Index von 2017 liegt Österreich in der Rangliste der sichersten Länder der Welt auf Rang vier. Hinter Island, Neuseeland und Portugal. Und dennoch entscheidet die Bundesregierung, dass ein verschärftes Überwachungspaket notwendig ist. Mittlerweile befindet sich der Gesetzesentwurf auf dem Weg in eine umfassende Ausschussbegutachtung.
Dem gegenüber stehen demokratiefeindliche Entwicklungen in vielen Ländern:
US-Behörden können künftig leichter auf E‑Mails im Ausland zugreifen
US-Präsident Donald Trump hat ein umstrittenes Gesetz ratifiziert, das US-Behörden den Zugriff auf im Ausland gespeicherte E‑Mails erleichtert. Künftig kann das Justizministerium Abkommen mit anderen Staaten schließen, um entsprechende Anfragen zu beschleunigen und langwierige diplomatische Prozesse zu umgehen. Der sogenannte “Cloud Act” ist Teil des am Freitag von Trump unterzeichneten Budgets. (Der Standard, 24.3.2018)
und
Russischer Geheimdienst will Daten von Messenger-Dienst Telegram
Um Anonymität im Netz zu verhindern, ist Russland erfinderisch.
Das Briefgeheimnis gilt nicht für das Telegramm, zumindest in Russland nicht für den Messenger-Dienst Telegram: Der Geheimdienst FSB befiehlt die Herausgabe der Verschlüsselungs-Codes und das Oberste Gericht des Landes hat die Anweisung nun für rechtens erklärt. Innerhalb von zwei Wochen muss Telegram die Daten herausgeben, anderenfalls droht die Aufsichtsbehörde Roskomnadsor mit der Blockierung des Services.
Seit einem Jahr streiten die russischen Behörden bereits mit Telegram-Gründer Pawel Durow über die Herausgabe von Informationen. Der FSB ist mindestens so neugierig wie jeder andere Geheimdienst auch und möchte nur zu gern wissen, was seine Bürger denken und sich schreiben.
Zahllose vergleichbare Meldungen aus Türkei, Polen, China, USA, und vielen anderen Ländern erreichen uns tagtäglich.
Österreich zählt zu den sichersten Ländern der Welt:
Zahl der Strafanzeigen auf niedrigstem Stand seit zehn Jahren
Die Aufklärungsquote ist auf über 50 Prozent gestiegen. Diebstähle, Einbrüche und Gewaltdelikte gehen zurück, Sorgenkind bleibt die Internetkriminalität – 1 Foto
Wien – Die polizeilich erfassten Anzeigen befinden sich in Österreich auf dem niedrigsten Stand der letzten zehn Jahre. Das geht aus der Kriminalstatistik hervor, die das Innenministerium am Donnerstag präsentiert hat.
510.536 Anzeigen wurden im vergangenen Jahr erstattet, was gegenüber 2016 einen Rückgang um 5,1 Prozent (27.256 Anzeigen) bedeutet. Bei den von der Polizei ausgeforschten Tatverdächtigen handelte es sich zu 60,9 Prozent um Inländer und zu 39,1 Prozent um Ausländer.
Umgekehrt erscheinen Sicherheit, Vertraulichkeit und gesetzeskonformer Umgang mit Privatsphäre und sensiblen und vertraulichen Daten im Behördenbereich nicht hinreichend gesichert: Die Vorgänge rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung lassen Zweifel an Sicherheit und Gesetzeskonformität im Vorgehen von Behörden aufkommen: unzureichende Löschung von sensiblen Daten, Abgreifen und Kopieren von Daten zur Verwendung bei anderen Behörden …
Dazu gab es im Standard vom 24.3.2018 ein Interview mit dem Präsidenten der Wiener Rechtsanwaltskammer, Michael Enzinger:
STANDARD: Die WKStA hat eine riesige Menge an Daten beschlagnahmt, ganze Computer der Leiterin der Extremismusabteilung mitgenommen, also einer Zeugin …
Enzinger: Dagegen kann man sich beim Oberlandesgericht beschweren, dann entscheiden unabhängige Richter, ob das rechtens war. Ich verstehe ja überhaupt nicht, warum man so viel mitgenommen hat, wenn der Vorwurf doch lautet, dass Daten missbräuchlicherweise nicht gelöscht worden seien. …
STANDARD: Ein Vorwurf lautet, BVT-Beamte hätten Daten von Anwalt Gabriel Lansky nicht gelöscht. Anwaltsdaten sind natürlich besonders geschützt und schützenswert …
Enzinger: Das BVT hatte gegen Lansky ermittelt (Verdacht: Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs, § 256 Strafgesetzbuch; Anm.), das Verfahren wurde eingestellt. Das BVT musste alle Daten und Beweismittel löschen – das ist aber nicht geschehen. Entweder aus Versehen, was nicht schön ist. Oder aus Absicht – und dagegen muss ich mich als Standesvertreter verwehren. Es ist nicht akzeptabel, dass da jemand Daten in petto hat, um sie rauszuzaubern, wann immer es passt. Das tangiert unseren Stand massiv. Wir brauchen an den technologischen Fortschritt angepasste Vorkehrungen zur Verwahrung von Anwaltsdaten und müssen neue Vorschriften für Rechtsanwaltsordnung und StPO überlegen, damit wir das Anwaltsgeheimnis schützen können.
In dieser Situation legt die schwarz-blaue Regierung ein Überwachungspaket vor, das massive Eingriffe in Grundrechte und verschärfte Überwachung ermöglichen soll.
Dabei zeigt besonders deutlich, dass durch ständige Ausweitung der Überwachungsmaßnahmen die Grund- und Freiheitsrechte Stück für Stück beschnitten werden – der demokratische Rechtsstaat wird langsam zum Überwachungs- und Polizeistaat.
Das Überwachungspaket der schwarz-blauen Regierung umfasst:
1. Bundestrojaner (staatliche Überwachungssoftware)
Damit soll es dem Staat ermöglicht werden, mit Schadsoftware auf „Computersysteme“ und Handys von „Verdächtigen“ und „Gefährdern“ einzubrechen. Zweck sei es, Kommunikationsüberwachung so wie Telefonüberwachung zu ermöglichen. Telefonüberwachung ermöglicht das Mithören und Aufzeichnen von Kommunikation von außerhalb der intimsten Privatsphäre Betroffener. Die neue Überwachungsmöglichkeiten erfordern jedoch das Eindringen in die intimsten Bereiche der Privatsphäre, um technisch zu funktionieren, muss der Zugriff auf Systemebene erfolgen. Damit ist jede Manipulation am betroffenen Gerät möglich: Zugriff auf alle vorhandenen Funktionen und Datenbestände des Geräts, lesen, kopieren, verändern, löschen, hinzufügen und ausleiten von Daten auf dem Gerät, unbemerkt vom Benutzer. Dabei ist die juristische Definition von „Computersystem“ dermaßen vage, dass vom selbstfahrenden Auto über Herzschrittmacher, Notebooks und Privaten bis zum Computersystem einer Großbank alles umfasst ist (Anzumerken ist, dass schon jetzt – unter strengen Auflagen und richterlicher Zustimmung im Zuge des „großen Lauschangriffs“ das Eindringen in Intimbereiche wie Wohnungen und das Anbringen von Überwachungstechnik zulässig ist und angewandt wird).
Bundestrojaner: Der Staat muss wie Hacker oder Kriminelle vorgehen
Am Schwarzmarkt werden für eine Whatsapp Sicherheitslücke bis zu 500.000 US-Dollar bezahlt
SMS überwachen erlaubt, WhatsApp aber nicht? Das will die türkis-blaue Regierung mit ihrem Überwachungspaket ändern. Künftig sollen die Internet-Kommunikation via Messenger-Apps (Whatsapp, Skype) durch staatliche Spionagesoftware überwacht werden. Der sogenannte Bundestrojaner soll zur Anwendung kommen … Der Bundestrojaner soll auch “remote” installiert werden können.
Wie Hacker oder Kriminelle
Damit die Software eingesetzt werden kann, müssen staatliche Behörden allerdings wie Hacker oder Kriminelle vorgehen und das Programm Verdächtigen unterjubeln, da aktuelle Handys mit starken Schutzmechanismen und starker Verschlüsselung ausgestattet sind. Etwa mit manipulierten E‑Mails und durch die Ausnutzung von Sicherheitslücken.
Kritiker, wie Vertreter der IT-Wirtschaft oder die TU-Wien, sehen es allerdings als problematisch an, wenn der Staat mit Steuergeldern Sicherheitslücken kauft. Denn die Hintertüren, die er nutzt, können auch von Kriminellen oder Terroristen missbraucht werden. So dienten der NSA entwendete Cyberwaffen als Fundament für Erpressungstrojaner, die 2017 weltweit Windows-Rechner attackierten.
Die Liste Pilz sieht die IT-Sicherheit Österreichs erheblich gefährdet, da das Innenministerium “IT-Sicherheitslücken zukaufen und geheim halten muss”, …
Schwarzmarkt
Entsprechende Programme können bei einschlägigen Firmen erstanden werden, die Sicherheitslücken teilweise am Schwarzmarkt einkaufen. So zahlt der US-Amerikanische Anbieter Zerodium bis zu 1,5 Millionen US-Dollar für ein Lücke im iPhone-Betriebssystem iOS. Für eine Lücke in Whatsapp sind 500.000 US-Dollar drinnen.
Deren Geschäftsmodell verbietet es allerdings, betroffene Firmen oder die Öffentlichkeit über Lecks zu informieren. Wird solche Software gekauft, dann konterkariert man staatliche Bemühungen um mehr Cybersicherheit. Ein Bereich, in dem Betriebe und der Staat Millionen Euro investiert werden.
2. Einschränkung des Briefgeheimnisses
Die vorgeschlagenen Novelle der Strafprozessordnung 1975 zur Beschlagnahme von Briefen, Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung, Auskunft über Vorratsdaten sowie Überwachung von Nachrichten sieht folgende Streichung vor:
§ 135. (1) Beschlagnahme von Briefen ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, erforderlich ist und sich der Beschuldigte wegen einer solchen Tat in Haft befindet oder seine Vorführung oder Festnahme deswegen angeordnet wurde.
Das bedeutet eine massive Beschränkung des Briefgeheimnisses, eines Grundrechtes, das in der Verfassung demokratischer Staaten garantiert ist. Dies gefährdet eine bedeutende Errungenschaft, die nach der Überwindung des metternichschen Überwachungsstaats erkämpft wurde.
3. Lauschangriff im Auto
Mit dieser vorgeschlagenen Maßnahme wird die Hürde für den „großen Lauschangriff (§ 136 Abs. 1 Z 3 StPO)“ drastisch reduziert.
Im Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2017/2018 wurde angekündigt, dass der große Lauschangriff nun schon bei Delikten, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind, zulässig sein soll. Diese höchst eingriffsintensive Maßnahme soll also zukünftig auch bei niederschwelligen Delikten angeordnet werden können.
4. Der aktuelle Gesetzesvorschlag sieht eine noch deutlich niedrigere Hürden für den Einsatz dieser Maßnahme vor (nämlich schon bei Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht sind).
5. Vorratsdatenspeicherung 2.0
Die Regierung fordert in ihrem Überwachungspaket auch die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Dieses Gesetz wurde schon mehrfach von Höchstgerichten in ganz Europa aufgehoben. Erst im Dezember 2016 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die nationalen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung in Großbritannien und Schweden nicht mit den Grundrechten vereinbar sind. In Österreich wurde diese Art der verdachtsunabhängigen, anlasslosen Massenüberwachung 2014 vom Verfassungsgerichtshof wegen Grundrechtswidrigkeit annulliert.
6. IMSI-Catcher
Auch der Einsatz von IMSI-Catchern für die Überwachung von Mobiltelefonie soll kommen. Diese Geräte verhalten sich gegenüber dem Mobiltelefon wie eine Funkzelle (Basisstation). So ist es möglich, Handys ohne Mitwirkung des jeweiligen Netzbetreibers zu lokalisieren. Viel wahrscheinlicher ist es jedoch, dass mit diesen Geräten auch Gesprächsinhalte abgehört werden sollen. Obwohl das die eigentliche Funktion von IMSI-Catchern ist, fehlt dafür weiterhin die Rechtsgrundlage (§ 135 Abs 2a StPO‑E).
7. Vernetzung von Videoüberwachung (inkl. Gesichtserkennung!)
Das Innenministerium soll Zugriff auf die Video- und Tonüberwachung aller öffentlichen und privaten Einrichtungen, denen ein öffentlicher Versorgungsauftrag zukommt, bekommen. Damit gibt es eine zentrale, staatliche Kontrolle aller öffentlichen Plätze und des dortigen Lebens. Für den Zugriff auf diese Daten braucht es keinen konkreten Verdacht, ähnlich wie im Polizeilichen Staatsschutzgesetz reicht als Begründung die Vorbeugung wahrscheinlicher Angriffe (§ 53 Abs 5 SPG‑E). Die Sicherheitsbehörden können mittels eines einfachen Bescheids eine zweiwöchentliche Vorratsdatenspeicherung der gesamten Videoüberwachung eines Anbieters verlangen (§ 93a SPG‑E).
In einem nächsten Schritt könnte dieses Bildmaterial ausgewertet werden, um automatisch auffälliges Verhalten zu registrieren und mittels Gesichtserkennung einzelne Personen zu verfolgen. In Österreich gibt es bereits derartige Forschungsprojekte (siehe z.B. iObserve).
Ob Videoüberwachung überhaupt ein geeignetes Mittel ist, um Terroranschläge zu verhindern, muss bezweifelt werden. Schließlich wurde auch die gesamte Uferpromenade von Nizza mit Videokameras überwacht und der Anschlag dort konnte damit auch nicht verhindert werden. Im Gegenteil: Videokameras können Terroristen sogar als Ansporn dienen. Schließlich zielen sie mit ihren Gräueltaten ja auf die größtmögliche Verstörung der Bevölkerung. Im Jänner wurde bekannt, dass die LPD Wien 15 von 17 Überwachungskameras abbauen ließ, weil die Kosten zu hoch waren und der Nutzen für die Verbrechensbekämpfung nicht erkennbar war.
8. Lückenlose Überwachung des Autoverkehrs (Kennzeichenerfassung)
Künftig soll auch auf allen österreichischen Straßen von jedem Auto der Lenker des Fahrzeugs, das Kennzeichen, Marke, Typ und Farbe erfasst werden. Die von den Sicherheitsbehörden selbst ermittelten oder auf deren Ersuchen von der ASFINAG übermittelten Daten, können in Verdachtsfällen bis zu 5 Jahre gespeichert werden (§ 53a Abs 6 SPG‑E). Sind die Daten nicht zur weiteren Verfolgung gerichtlich strafbarer Handlungen erforderlich, sind sie nach längstens 48 Stunden zu löschen. Damit entsteht jedoch eine neue Form der anlasslosen Massenüberwachung und jeder Autofahrer wird unter Generalverdacht gestellt. Aus grundrechtlicher Perspektive ist dieser Schritt in Richtung einer kompletten Überwachung aller Kennzeichen sehr problematisch. Der VfGH hat 2007 in seiner Entscheidung zur Section Control festgestellt, dass eine Überwachung von Autofahrerinnen und Autofahrern nur auf bestimmten, besonders gefährlichen und per Verordnung festgelegten Strecken zulässig ist. Zudem dürfen laut VfGH nur Kennzeichendaten gespeichert und an die Behörden übermittelt werden, wenn die erfassten Fahrzeuge zu schnell unterwegs oder bereits zur Fahndung ausgeschrieben sind. Diese Form der Vorratsdatenspeicherung nicht mit diesem Erkenntnis vereinbar und steht auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH im Fall Watson/Tele 2 Sverige, nach der eine Vorratsdatenspeicherung unter anderem nur zur Bekämpfung schwerer Kriminalität zulässig sein kann.
9. Registrierungspflicht für Wertkarten
Jeder Kauf einer SIM-Karte müsste mit der Registrierung der Identität einhergehen. Damit wird eine weitere Möglichkeit abgeschafft, unbeobachtet zu kommunizieren. Kriminelle können diese Maßnahme leicht mit ausländischen SIM-Karten oder gratis verfügbaren, anonymen Messaging-Diensten umgehen. Für die Mehrzahl der Nutzerinnen und Nutzer in Österreich fällt jedoch eine weitere Möglichkeit weg, anonym zu kommunizieren. Damit werden 4,5 Millionen Nutzerinnen und Nutzer unter Generalverdacht gestellt. Der äußerst zweifelhafte Nutzen für die Bekämpfung von Kriminalität, steht einem Eingriff in das Recht aller Österreicherinnen und Österreicher, frei und unbeobachtet zu kommunizieren gegenüber. Das lässt diese Maßnahme nicht verhältnismäßig erscheinen.
Mexiko hat das Verbot anonymer SIM-Karten sogar wieder abgeschafft, da die Verbrechensrate sogar stieg und es nur zu einem Schwarzmarkt für SIM-Karten führte. Tschechien, Neuseeland, Kanada, Rumänien, Großbritannien und die EU-Kommission haben die Maßnahme analysiert und sich aufgrund der fehlenden Belege dagegen entschieden.
Zusammenfassend die Kritik an diesem Überwachungspaket:
1. Die Sicherheit der IT-Infrastruktur in Österreich wird schwer gefährdet.
2. Statt die Sicherheit der IT-Strukturen für Alle zu gewährleisten beteiligt sich der Staat am Schwarzmarkt für Sicherheitslücken.
3. Eine Überwachungsgesamtrechnung wurde nicht durchgeführt.
4. Eine Wirkungsfolgenabschätzung, eine Abschätzng, wie sehr die tiefen Eingriffe in Grundrechte die demokratische Verfassung schädigen, fehlt.
5. Durch die Anlassdatenspeicherung soll eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür eingeführt werden.
6. Die Schwellen für viele Grundrechtseingriffe werden herabgesetzt.
7. Insgesamt sollen eine Fülle an (weiteren) Bestimmungen mit polizeistaatlichen Tendenzen Einzug in den österreichischen Rechtsbestand halten. Österreich wird in einen Polizei- und Überwachungsstaat umgebaut.
8. Die eingriffsintensive Maßnahmen werden die Sicherheit erwiesenermaßen nicht erhöhen, dafür aber enorme Kosten verursachen.
9. Der Rechtsschutz, wie ihn die Konvention der Menschenrechte (im Verfassungsrang) ist in vielen Punkten der neuen gesetze nicht gewährleistet.
 
Christof Tschohl, Jurist, Techniker und Obmann von epicenter​.works fasst zusammen:
„Kein belegter Nutzen, gewaltige Kollateralschäden
“Wir brauchen eine Sicherheitspolitik, die tatsächlich geeignet ist, den Problemen unserer Zeit zu begegnen. Die Politik übt sich in gefährlichem Aktionismus, der keine Lösungen bringt. Im Gegenteil: Hier werden elementare Grundrechte ausgehöhlt und im Falle des Bundestrojaners und der damit verbundenen Nutzung und Finanzierung von Sicherheitslücken sogar die gesamte kritische Infrastruktur des Landes gefährdet”,
Reinhard Kreissl, Kriminalsoziologe:
„Der Sinn dieses Überwachungspakets ist eher symbolischer Natur“, sagt der renommierte Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl zur „Krone“: „Man dramatisiert die Situation und schiebt dann spektakulär ein Gesetzespaket hinterher, um die vermeintliche Bedrohung zu bekämpfen. Die Frage, was die Sicherheit Österreichs gefährdet, wird dabei nur schlampig beantwortet.“ Mit Argumenten wie „Migranten“, „Extremisten“ und „Cybercrime“. Bundestrojaner oder das „Quick Freeze“ sind laut Kreissl für die Polizeiarbeit von marginaler Bedeutung.
Wir lehnen das vorgeschlagene Überwachungspaket ab und fordern stattdessen:
Sicherheit und Grundrechtsschutz für Alle:
• Überprüfung und Evaluierung bestehender Überwachungsgesetze hinsichtlich ihrer Grundrechtskonformität und Wirksamkeit vor Erlassung neuer Überwachungsmaßnahmen
• Schutz der BürgerInnen vor Bedrohung und Übergriffen insbesondere im Bereich technischer Infrastruktur und digitaler Privatsphäre; dazu gehört auch die Verpflichtung der Hersteller zur Veröffentlichung aller bekannten Sicherheitslücken
• Rigorose Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sowie ausreichende materielle und qualifizierte personelle Dotierung der Datenschutzbehörden (ausreichend Juristen und Techniker)
• Sicherstellung, dass Amtsträger und Behördenvertreter auch persönlich für Grundrechtsverstöße und Datenschutzvergehen haften
• zwingendes Ablaufdatum (“Sunset Clauses” mit wissenschaftlicher Überprüfung der Wirksamkeit/Evaluierung und Rücknahme wirkungsloser Maßnahmen) bei allen Überwachungsgesetzen
• mehr Präventionsarbeit gegen verfassungsfeindliche Radikalisierungstendenzen (z.B. NS-Wiederbetätigung, Verhetzung).
• Verankerung der Integrität informationstechnischer Systeme und Schutz der digitalen Privatsphäre in der Verfassung
 



[i]http://​www​.krone​.at/​1​6​7​0​622
[ii]https://​text​.derstandard​.at/​2​0​0​0​0​7​6​3​7​7​7​8​4​/​E​i​n​e​-​e​u​r​o​p​a​e​i​s​c​h​e​-​F​e​s​t​u​n​g​-​d​e​r​-​D​e​m​o​k​r​a​t​i​e​-​i​m​-​d​i​g​i​t​a​l​e​n​-​S​t​u​r​m​?​r​e​f​=​rss
[iii]https://​text​.derstandard​.at/​2​0​0​0​0​7​6​7​4​4​9​8​5​/​U​S​-​B​e​h​o​e​r​d​e​n​-​k​o​e​n​n​e​n​-​k​u​e​n​f​t​i​g​-​l​e​i​c​h​t​e​r​-​a​u​f​-​E​-​M​a​i​l​s​-​i​m​-​A​u​s​l​a​n​d​?​r​e​f​=​rss
[iv]https://​text​.derstandard​.at/​2​0​0​0​0​7​6​5​6​2​1​9​8​/​M​e​s​s​e​n​g​e​r​-​D​i​e​n​s​t​-​T​e​l​e​g​r​a​m​-​e​r​h​a​e​l​t​-​P​o​s​t​-​v​o​m​-​r​u​s​s​i​s​c​h​e​n​-​G​e​h​e​i​m​d​i​e​n​s​t​?​r​e​f​=​rss
[v]https://​text​.derstandard​.at/​2​0​0​0​0​7​6​6​1​2​8​8​0​/​L​a​u​t​-​K​r​i​m​i​n​a​l​s​t​a​t​i​s​t​i​k​-​i​m​-​V​o​r​j​a​h​r​-​m​e​h​r​-​a​l​s​-27 – 000-Anzeigen-weniger?ref=rss
[vi]https://​text​.derstandard​.at/​2​0​0​0​0​7​5​3​3​1​8​1​4​/​B​u​n​d​e​s​t​r​o​j​a​n​e​r​-​D​e​r​-​S​t​a​a​t​-​m​u​s​s​-​w​i​e​H​a​c​k​e​r​-​o​d​e​r​-​K​r​i​m​i​n​e​l​l​e​-​v​o​r​g​e​h​e​n​?​r​e​f​=​rss
[vii]https://​epicenter​.works/​t​h​e​m​a​/​u​e​b​e​r​w​a​c​h​u​n​g​s​p​a​k​e​t​#​B​r​i​e​f​g​e​h​e​i​m​nis
[viii]https://​epicenter​.works/​t​h​e​m​a​/​u​e​b​e​r​w​a​c​h​u​n​g​s​p​a​k​e​t​#​VDS
[ix]https://​epicenter​.works/​t​h​e​m​a​/​u​e​b​e​r​w​a​c​h​u​n​g​s​p​a​k​e​t​#​VDS
[x]https://​epicenter​.works/​t​h​e​m​a​/​u​e​b​e​r​w​a​c​h​u​n​g​s​p​a​k​e​t​#​VDS
[xi]https://​epicenter​.works/​t​h​e​m​a​/​u​e​b​e​r​w​a​c​h​u​n​g​s​p​a​k​e​t​#​VDS
[xii]http://​www​.krone​.at/​1​6​7​0​622

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