„Ihr seid nicht allein, lasst uns gemeinsam kämpfen!“

Der Bundesvorsitzende der Kommunistischen Jugend Österreichs im Gespräch
ArbeiterInnenzeitung: Lieber Raffael, bevor wir zu den politischen Themen kommen, stell Dich unseren LeserInnen doch einmal kurz vor. Wie alt bist Du? Woher kommst Du? Was machst Du beruflich?

Erst einmal Danke für die Einladung euch Antwort und Rede stehen zu dürfen. Ich bin 28 Jahre alt und mittlerweile fast 12 Jahre in der KJÖ aktiv. Aufgewachsen bin ich in Braunau am Inn. Dort bin ich auch politisch sozialisiert worden. Bei mir war es insbesondere die klare antifaschistische Haltung meiner Eltern, meine Wut auf die damalige schwarz-blau-orange Bundesregierung unter Kanzler Schüssel und damit verbunden auch mein Wunsch etwas an den Gegebenheiten verändern zu wollen, der mich dazu bewegt hat, sich politisch zu engagieren. Mein Vater hatte mich damals schon öfters mit auf Demonstrationen gegen die NATO-Sicherheitskonferenz in München genommen und dann war da auch noch die Großdemo gegen den Besuch von G. W. Bush in Wien, die mich sicherlich stark geprägt haben. In diesen Jahren bin ich auch zur KJÖ Braunau gestoßen. Mittlerweile lebe ich in Linz und bin im Gesundheitsbereich beschäftigt.

AZ: Seit dem letzten Bundeskongress bist Du Bundesvorsitzender der Kommunistischen Jugend Österreichs. Welche Aufgabe hat die KJÖ unter den heutigen Bedingungen ganz generell? 

Wir leben heute in einer Zeit der weltweiten Offensive des Kapitals, in der zum Frontalangriff auf erkämpfte Rechte der ArbeiterInnenklasse und der Jugend geblasen wird. Insbesondere auch die neue schwarz-blaue Bundesregierung tut sich hier als wütender Kettenhund hervor, der sich lediglich den kühnsten Träumen der KapitalvertreterInnen verschrieben hat. Hier gilt es unermüdlichen Widerstand zu leisten und eine Gegenmacht zu organisieren. Als Kommunistische Jugend wollen wir aber nicht bloß abwartend am Spielfeldrand stehen, sondern eine aktive und gewichtige Rolle einnehmen, wenn es darum geht, die drohenden Verschlechterungen abzuwehren und letztlich auch die Angriffe auf die Lebensrealitäten breiter Teile der Bevölkerung zurückzuschlagen.

Im einhundertsten Jahr der Gründung des Kommunistischen Jugendverbands (KJV), in dessen Tradition wir uns als KJÖ verstehen, und der parteiförmigen Organisierung von Kommunistinnen und Kommunisten befinden wir uns aber auch in einer denkbar schwierigen Situation. Auch wenn uns die Entwicklungen der Bundes-KPÖ egaler nicht sein könnten, schreitet diese ihren seit Jahren eingeschlagenen Weg der völligen ideologischen Selbstaufgabe unbeirrt voran – und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ihnen nun mit den Jungen Linken, eine Jugendorganisation zur Seite steht, die lieber heut als morgen in einer pluralistischen, vollkommen beliebigen und letztlich reformistischen Linkspartei aufgehen will. Ohne einzelnen ihrer Mitgliedern absprechen zu wollen, dass sie sich mit den herrschenden Verhältnissen nicht abfinden wollen, kann unsere Perspektive als KJÖ – und natürlich auch die des Kommunistischen StudentInnenverbands – einzig allein darin bestehen, die PdA in ihrem Aufbau an bundesweiten Strukturen zu unterstützen, um so den Weg zu ebnen für eine bundesweit relevante und in der ArbeiterInnenklasse verankerten revolutionären und kommunistischen Partei in Österreich. Wir orientieren darauf gemeinsam mit der PdA und der KPÖ Steiermark an Stärke zu gewinnen und somit ein Fundament dafür zu schaffen, um unseren bevorstehenden Aufgaben und der Verantwortung der ArbeiterInnenklasse gegenüber gerecht zu werden.

AZ: Du bist aber nicht nur Vorsitzender der KJÖ, Du bist auch in der Gewerkschaft recht aktiv. Welche Funktionen bekleidest du dort?

Ich bin seit 2015 stellvertretender Bundesjugendvorsitzender des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und seit letztem Jahr Vorsitzender der GPA-djp Jugend in Oberösterreich. Durch meine Funktionen in der Jugendgewerkschaft bin ich auch Mitglied des oberösterreichischen Regionalvorstandes und des Bundesvorstands der GPA-djp.

AZ: Die aktuelle schwarz-blaue Regierung greift die demokratischen und sozialen Rechte der arbeitenden Volksmassen massiv an. 12-Stunden-Tag, AUVA, Mindestsicherung, um nur die ärgsten Verschlechterungen zu benennen. Wo treffen diese Angriffe die jungen ArbeiterInnen und Lehrlinge?

Gerade die Ausweitung der gesetzlichen Arbeitszeit auf 12 Stunden täglich bzw. 60 Stunden in der Woche, aber auch alle anderen Angriffe auf erkämpfte Arbeitsrechte, treffen junge Menschen, die sich schließlich erst am Anfang ihres Lohnarbeitsverhältnisses befinden, besonders hart. Denn was heißt es denn, von jungen Jahren an und womöglich sein ganzes bevorstehendes Arbeitsleben unter widrigsten Bedingungen fristen zu müssen? Unsere Arbeitskraft wird von Anfang an stärker verschlissen und ausgebeutet, daraus resultierende gesundheitliche Probleme oder auch Arbeitsunfälle, die sich vor allem bei ständiger Überlastung oder Müdigkeit häufen, können das Leben junger Menschen massiv beeinträchtigen. Zu allem Überdruss will die Bundesregierung die Allgemeine Unfallversicherung zerschlagen und die Krankenkassen handlungsunfähig machen, um letztlich das Gesundheitswesen an private Investoren zu verscherbeln und daraus Profit zu schlagen.

Bei all diesen arbeiterInnenfeindlichen Vorhaben ist der Regierung natürlich eine gewerkschaftliche und betriebliche Interessensvertretung, insbesondere dann, wenn sie kämpferisch auftritt, ein gewaltiger Dorn im Auge. So wollen sie den Einfluss von Betriebsräten einschränken und die Jugendvertrauensräte, also die Vertretung junger ArbeiterInnen und Lehrlingen im Betrieb, abschaffen. Das dürfen wir uns keinesfalls gefallen lassen und so müssen wir mit aller Entschlossenheit dagegen ankämpfen!

AZ: Viele der Pläne sind bereits im „Plan A“ des sozialdemokratischen Oppositionsführers Christian Kern, angedacht worden. Wie schätzt du die Rolle der FSG in der Gewerkschaft und im Betrieb ein?

Das unsägliche Spiel der Sozialdemokratie ist doch immer dasselbe, das ist nicht mehr als alter Wein in neuen Schläuchen. Während man sich in Regierungsverantwortung angeblichen realpolitischen Sachzwängen hingibt, um letztlich auch nur die Interessen des Kapitals zu stützen, kann man sich in Zeiten der Opposition kämpferisch und links geben. Das ist halt nicht nur unglaubwürdig, sondern auch ein ganz billiger und durchschaubarer Schmäh. Und das wissen vor allem auch jene Menschen, deren Löhne seit Jahrzehnten stagnieren und deren Druck am Arbeitsplatz mehr und mehr zunimmt während ihre Mieten und Lebenserhaltungskosten massiv im Steigen begriffen sind. Christian Kerns Schwenk bei CETA, in dem er das Freihandelsabkommen als Bundeskanzler noch ganz im Interesse der Großkonzerne durchgepeitscht hat, um es nun lautstark zu kritisieren, ist zwar sicherlich das plakativste Beispiel, aber dies ist letztlich nur symptomatisch für die Rolle der sozialdemokratischen Führung.

Die Situation im Betrieb und in der Gewerkschaft ist eine ganz ähnliche. Gerade in Hinblick auf die kommenden Arbeiterkammer-Wahlen spielt die momentane Verunsicherung und die völlig gerechtfertigte Empörung vieler Menschen der FSG in die Hände. Man versucht die Wut zu kanalisieren, aber nicht, um die herrschenden Verhältnisse umzuwerfen, sondern lediglich um Wahlen zu gewinnen.

AZ: Stichwort Jugendvertrauensrat: wieso ist dieser der Kurz-Strache-Regierung solch ein Dorn im Auge? Und wie kann es Deiner Meinung nach verhindert werden, dass der JVR abgeschafft wird?

Durch den Jugendvertrauensrat haben junge ArbeiterInnen, Angestellte und Lehrlinge das Recht sich im Betrieb zu organisieren und sich für ihre Interessen und die ihrer KollegInnen einzusetzen. Das macht es für den Lehrherrn natürlich schwerer sie nach Strich und Faden zu verarschen und auszubeuten. Schließlich stehen dem Jugendvertrauensrat auch gesetzliche Schutzbestimmungen, wie Kündigungsschutz und Bildungsfreistellung zu. Viele JugendvertrauenrätInnen werden später dann auch aktiv im Betriebsrat oder in der Gewerkschaft. Und wenn man die Interessensvertretung ganz im Allgemeinen angreifen will, macht man das natürlich am effektivsten, in dem man ihm die wichtigste Rekrutierungsbasis nimmt.

Im ersten Schritt war es jetzt erst einmal wichtig, die breite Öffentlichkeit durch Protestaktionen und eine Unterschriftenkampagne über das Vorhaben der Bundesregierung, den JVR abschaffen zu wollen, zu informieren. Nachdem es ÖVP und FPÖ lediglich eine Randnotiz wert war, wussten viele Menschen, mit denen wir auf der Straße und bei Aktionen gesprochen haben, gar nicht, dass das überhaupt auf der Agenda steht. Nun müssen wir dazu übergehen, die Schlagkraft und den Druck zu erhöhen. Es bräuchte österreichweite Jugendversammlungen und die rund 800 Körperschaften und 3000 JVR-Mitglieder, die es österreichweit gibt, aber auch alle anderen Lehrlinge müssen noch viel stärker in die Kampagne eingebunden werden. Die „Wir lösen das für euch“-StellvertreterInnenpolitik der Gewerkschaften wird auch hier keinen Erfolg haben, insbesondere jungen Menschen muss das Werkzeug in die Hand gegeben werden, sich selbst zu wehren, um im Betrieb aktiv zu werden.

AZ: Die Gewerkschaft schwankt momentan zwischen Verbalradikalismus und Kompromiss mit der Regierung. Zuletzt war vom ÖGB-Vorsitzenden Katzian zu hören, dass man den 12-Stunden-Tag bei den Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst nur noch abfedern wolle anstatt ihn zu bekämpfen. Wie schätzt du die Politik des ÖGB ein? Ist eine kämpferische Offensive – vielleicht sogar Streiks – zu erwarten? Und wie ist die Stimmung unter der arbeitenden Jugend?

Es wäre dringend notwendig! Doch ich befürchte, dass der ÖGB über die jahrzehntelang gelebte Praxis des sozialpartnerschaftlichen Kuhhandels verlernt hat, zu kämpfen und man deshalb so schleppend in die Gänge kommt. Man klopft sich für die – wirklich beeindruckende – Großdemonstration mit über 100.000 TeilnehmerInnen und die mehr als 2000 Betriebsversammlungen noch immer kräftig auf die Schulter, um wohl auch darüber hinwegzutäuschen, dass man gar nicht so Recht einen Plan hat, wie es nun weitergehen soll. Das ständige Gerede davon, dass man vom Vorgehen der Regierung überrumpelt wurde, dass man in die Gesetzfindung nicht eingebunden war und jetzt plötzlich niemand mehr mit einem Reden möchte, macht eher einen weinerlichen Eindruck als den einer selbstbewussten und klassenkämpferischen Gewerkschaftsorganisation. Die Ankündigung von ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, den 12-Stunden-Arbeitstag lediglich abfedern zu wollen, wäre tatsächlich ein Kniefall vor dem Kapital und ein ganz besonders schwerer Schlag ins Gesicht für all jene in den Betrieben, die nun für ihre Rechte kämpfen wollen. Aber auch das ist leider gelebte Praxis in Österreich. Die Stimmung unter der arbeitenden Bevölkerung und auch in der Jugend – das hat sich ja zuletzt in den Betriebsversammlungen gezeigt, aber auch bei den Warnstreiks im Sozialbereich – ist durchaus kämpferisch, was ja die Grundlage für weitere Kampfmaßnahmen wäre. Es darf eigentlich kein Weg daran vorbeiführen, möglichst rasch weitere gewerkschaftliche und betriebliche Kampfformen vorzubereiten, zu organisieren und damit den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen. Von öffentlichen Protesten über weitere Großdemonstrationen, österreichweite Aktionstage und Betriebsversammlungen, braucht es die Vorbereitung zum flächendeckenden und branchenübergreifenden Streik. Das was es jetzt braucht, ist kein “Dialog auf Augenhöhe”, sondern ein Sturm der Entrüstung auf der Straße und in den Betrieben!

AZ: Was sind Deiner Meinung nach die Aufgaben von JungkommunistInnen im Widerstand gegen diese arbeiterInnen- und volksfeindliche Regierung? 

Mit Demos und öffentlichen Aktionen gegen diese Regierung allein wird es nicht getan sein. Vordergründig müssen wir gerade in jenen Bereichen, in denen unsere Mitglieder arbeiten, zur Schule gehen oder studieren, Strukturen aufbauen und aktiv werden. Dort wo wir selbst die meiste Zeit des Tages verbringen, dort wo wir ja auch die unmittelbaren Auswirkungen der Angriffe am härtesten zu spüren bekommen, müssen wir uns mit unseren KollegInnen zusammenschließen und gemeinsam Widerstand organisieren. Dieser Weg mag nicht immer einfach sein, es wird Rückschläge geben und vor allem wird es keine schnellen Erfolge geben, aber es ist die einzige Möglichkeit um auch langfristig eine Gegenmacht aufbauen zu können.

Gleichzeitig liegt es aber auch an uns, Illusionen über sozialpartnerschaftliche und reformistische Träumereien zu zerstreuen, die letztlich nur dazu da sind, den Menschen Sand in die Augen zu streuen und die Widersprüche des kapitalistischen Systems zu verschleiern. Fakt jedenfalls ist, nur, weil sich die Sozialdemokratie gerade in Opposition befindet, bedeutet das noch lange nicht, dass diese eine Alternative zur momentanen Bundesregierung darstellt.

AZ: Was würdest du jungen ArbeiterInnen und Jugendlichen raten, um sich gegen die Angriffe der Regierung zur Wehr zu setzen? Hast du einige praktische Ratschläge für sie?

Tag ein, Tag aus wird uns erzählt, dass es unser alleiniges, individuelles Versagen wäre, wenn wir Probleme mit dem Chef hätten, unseren Job verlieren oder, wenn wir am ständigen Leistungs- und Arbeitsdruck zerbrechen. Das ist natürlich Schwachsinn, all diese Missstände haben System! Wir müssen endlich aufhören zu glauben, dass wir mit unseren Problemen und Sorgen alleine dastehen. Deshalb redet mit euren KollegInnen über eure Ängste, tauscht euch über die Probleme in eurer Schule, in eurem Betrieb oder auf der Uni aus – und vor allem seid solidarisch mit jenen, die unter die Räder des Systems gekommen sind. Ihr seid nicht allein, lasst uns gemeinsam kämpfen!

AZ: Danke Raffael für das spannende Gespräch. Wir wünschen euch viel Kraft im Kampf gegen Regierung und Kapital!

Danke auch euch für das Interview! Wir wissen natürlich auch, dass wir das nicht ohne euch schaffen werden und diesen Kampf nicht allein gewinnen können, gemeinsam aber können wir das System ins Wanken und letztlich auch zu Fall bringen.

Das Interview wurde für die Ausgabe 3/2018 der ArbeiterInnenzeitung – Zeitung der Partei der Arbeit Österreich im August 2018 geführt und findet sich verkürzt in der Printausgabe wieder. Falls Du die 4x im Jahr erscheinende AZ abonnieren möchtest, schreib uns ein Email mit Name und Adresse an pda@parteiderarbeit.at

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