Oberösterreich hat also gewählt und alle sind schockiert. Schockiert, weil die FPÖ massiv dazugewinnt. Schockiert, weil SPÖ und ÖVP kräftig verlieren. Schockiert, weil ein Thema die Wahl bestimmt hat, das die Wahl dann doch nicht bestimmt hat. Aber warum sind eigentlich alle schockiert von einem Ergebnis, das vorherzusehen war? Warum sind alle schockiert, wenn das eintritt, was zu erwarten war?
Warum gehen Menschen wählen? Von klein auf wird uns eingetrichtert, wie wichtig es ist, wählen zu gehen. Wie wichtig es ist, alle paar Jahre ein Kreuzerl bei Partei XY zu machen, um dann auch „mitreden“ zu können. Wer nicht wählen geht, braucht sich nachher nicht zu beschweren, hört man oft. Oder wie wichtig es ist, dieses demokratische Instrument zu nutzen, für welches in der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung so viel Blut geflossen ist. Wo früher aus Überzeugung gewählt wurde, bestimmt heute der Pragmatismus, das geringste Übel zu unterstützen.
„Aber die FPÖ ist nicht das geringste Übel!“ Tatsächlich? Was unterscheidet FPÖ von SPÖ und ÖVP? Der Populismus, sagen die einen. Es sei daran erinnert, dass die Linzer SPÖ mit Schildern „Hupen gegen das Asylheim“ im Wahlkampf auf sich aufmerksam machte. Die Inhaltsleere der Forderungen, sagen die anderen. Wo sind denn die Inhalte bei ÖVP und SPÖ? Die menschenverachtenden Positionen der FPÖ, sagen wieder andere. Wo sind denn die humanistischen Positionen bei Parteien, die das Militär an die Grenze schicken um Flüchtlinge abzudrängen?
Es ist durchaus nicht leicht zu verstehen, warum die “kleinen Leut” die FPÖ wählen. Es ist aber auch schwer zu verstehen, warum Menschen SPÖ, ÖVP, Grüne oder Neos wählen (sollten).
Dass sich keine der letztgenannten den (teilweise berechtigten, teilweise unberechtigten) Ängsten und Sorgen der arbeitenden und arbeitslosen Menschen annimmt, macht es dennoch nicht ganz verständlich, warum so viele Menschen in einer Partei eine Alternative oder auch nur ein Protestvehikel sehen, die mehrfach eindrucksvoll bewiesen hat – und immer wieder aufs Neue beweist -, dass sie für die “kleinen Leut” nicht nur nichts über hat, sondern bisweilen offener die Interessen der Banken, Konzerne und Besitzer großer Vermögen vertritt als die SPÖ und nicht weniger kriminell als die ÖVP.
Man sollte meinen, dass der offene Rassismus und die menschenfeindliche Hetze sowie die bekannte (teils offen zur Schau gestellte, teils verklausuliert verdeckte) Kontinuität und Verflechtung der FPÖ mit historischen und aktuellen faschistischen Organisationen, Arbeitende, Arbeitslose und “Menschen mit Migrationshintergrund” davon abhalten sollte, diese zu wählen.
Man sollte aber auch nicht vergessen, dass der Mangel an einem massenwirksamen antifaschistischen und antirassistischen Grundkonsens in diesem Land die “Großparteien” SPÖ und ÖVP ursächlich zu verantworten haben. Wer stand einer konsequenten Entnazifizierung Österreichs im Wege? Wer hat (ehemalige) Nazis das erste Mal in die Regierung geholt? Wer die FPÖ immer wieder “regierungsfähig” gemacht? Wer hat FPÖ-Ideen und ‑Kampagnen mit Hilfe der Medien aufgegriffen, propagiert und schließlich in Gesetzesform gegossen? Und wer setzt diese Gesetze bis zum heutigen Tag bereitwillig um? Wer übergeht bzw. verrät mit seiner Politik die große Mehrheit der Bevölkerung zu Gunsten der Banken, Konzerne und großen Vermögen?
Die kleinbürgerlich-linksliberale FPÖ-Hysterie, welche die anderen Parteien sich als antifaschistische Kräfte gerieren lässt, verdeckt die Tatsache, dass insbesondere die SPÖ und ÖVP immer wieder als politische aber auch ideologische Steigbügelhalter für die FPÖ agieren und alle drei gemeinsam als politische Repräsentanten der Besitzer von Banken und Konzernen meist bestens zusammenarbeiten, man denke in diesem Zusammenhang an die Hypo.
Die kleinbürgerlich-linksliberale FPÖ-Hysterie offenbart aber noch eine weitaus gefährlichere Seite, wenn sie verächtlich klassistisch vor allem “Proleten” massenhaft zum tumben Pöbel herabwürdigt und damit in ihrer sozialen Hetze nicht anders agiert als die FPÖ in ihrer rassistischen und ihr damit letztlich in die Hände spielt. Das bedeutet aber gerade nicht, dass man für rückschrittliches und rassistisches Gedankengut Verständnis entgegen bringen muss oder sollte – ganz im Gegenteil!
Man muss den – zugegebenermaßen teilweise – verqueren Ängsten und tiefsitzenden Vorurteilen nicht Weniger entschieden entgegentreten und diese auch mit jenen, die sie hegen, gemeinsam bekämpfen lernen. Dies aber nicht nur ausschließlich gegen die FPÖ, sondern auch gegen all die anderen Parteien, die allesamt politische Repräsentanten, Handlanger und Nutznießer eines menschenverachtenden Systems sind, das vom sozialen, kulturellen, ethnischen, sprachlichen, religiösen, geschlechtsspezifischen Ausspielen und Aufhetzen der Menschen gegeneinander im wahrsten Sinnes des Wortes profitiert. Hier muss eine fortschrittliche Bewegung ansetzen.
Guter Wille allein genügt nicht, um die Welt zu verändern. Betroffenheit, Empörung, Wut über unsere derzeitige Gesellschaft, in der wenige sehr viel und viele sehr wenig besitzen, bewirken noch keine Veränderung derselben. Bloße Moralität ist kein politisches Prinzip. Betroffenheit kann Hunger und Armut nicht beseitigen, Empörung nicht Ausbeutung und Unterdrückung, Wut nicht Krieg und Umweltzerstörung.
Zu unserer Betroffenheit, unserer Empörung, unserer Wut muss die Einsicht treten, dass wir die Welt verändern können, Geschichte machen und sie nicht erleiden müssen. Aber um die Welt zu verändern, müssen wir erkennen, dass wir, die wir von unserer und nicht von der Arbeit anderer leben, dieselben Interessen haben und diese nur durchsetzen können, wenn wir uns gemeinsam für diese einsetzen. Im gemeinsamen Einsetzen für unsere Interessen deutet sich aber auch letztlich das Ziel ihrer Durchsetzung an:
- Eine Gesellschaft, in der alle Menschen dieselben Möglichkeiten und Rechte haben und ihre Geschicke gemeinsam lenken können.
- Eine Gesellschaft, in welcher es Individuen nicht mehr möglich ist, von der privaten Aneignung der Arbeit anderer und dem, was diese hervorbringt, leben zu können.
- Eine Gesellschaft, in der die Wirtschaft von allen Menschen gemeinsam zum Wohle aller gestaltet und geplant wird, in welcher die Menschen über ihre Ressourcen und Produkte gemeinsam verfügen und entscheiden können.
Hierfür müssen wir zielgerichtet handeln. Aber unser Handeln kann nur dann zielgerichtet sein, wenn wir organisiert sind. Und organisiert sind wir nur dann, wenn wir unsere unterschiedlichen Erfahrungen und unser unterschiedliches Wissen im gemeinsamen Kampf um die Veränderung der Welt zu einer Einheit vermitteln.
Dies kann nur in, durch und mit einer Organisation geschehen:
- eine Organisation, welche die soziale und kulturelle Vielfalt der Gesellschaft widerspiegelt und in sich vereint.
- eine Organisation, welche die Breite der gesellschaftlichen Kämpfe aufgreift und sich in ihnen engagiert.
- eine Organisation, welche von der Solidarität und dem Zusammenhalt ihrer Mitglieder beseelt und geprägt ist.
Dieses Angebot macht die PdA-Solidaritätsplattform bei den Wahlen in Wien am 11. Oktober, wenn wir zur Bezirksvertretung in Leopoldstadt, Favoriten, Simmering, Meidling, Ottakring und Donaustadt antreten. Widerstand durch Klassenkampf!