Zur kommunistischen Theorie und Praxis 100 Jahre nach der Oktoberrevolution
Beitrag der Partei der Arbeit Österreichs (PdA) zur 42. Prager Theoretisch-politischen Konferenz der KP Böhmens und Mährens (Komunistická strana Čech a Moravy, KSČM), „Zur Theorie und Praxis der kommunistischen Bewegung“, Prag, 11. November 2017
Im November 2017 befinden wir uns im Kreise von gleich vier bedeutenden Jubiläen der Geschichte der (marxistischen) Arbeiterbewegung. Vor nicht ganz 170 Jahren, zur Jahreswende 1847/1848, verfassten Karl Marx und Friedrich Engels das „Manifest der kommunistischen Partei“ und legten damit den Grundstein für den wissenschaftlichen Sozialismus und die eigenständige revolutionäre Weltanschauung und Bewegung des Proletariats. Vor 150 Jahren, im September 1867, wurde der erste Band von Marx’ „Kapital“ veröffentlicht, die umfassende, bis heute gültige Analyse des Kapitalismus. Im Frühsommer 1917, vor etwas mehr als 100 Jahren, erschien W. I. Lenins Werk „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, eine präzise Betrachtung des gegenwärtigen Monopolkapitalismus, den Lenin als „Vorabend der sozialen Revolution“ der Arbeiterklasse bezeichnete. Und er sollte recht behalten: Wenige Monate später, im November 1917 – vor genau 100 Jahren – siegte in Russland die Große Sozialistische Oktoberrevolution.
Damit schloss sich nach 70 Jahren in der Tat der Kreis von revolutionärer Theorie und Praxis, der Höhepunkt des internationalen Klassenkampfes brachte mit der Russischen Sowjetrepublik bzw. der UdSSR den ersten proletarischen, sozialistischen Staat der Welt hervor. Die Menschheit befand sich endgültig in der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus. Dies verdeutlichten in den darauf folgenden Jahrzehnten die Erfolge der Sowjetunion und der Ausbau des sozialistischen Lagers zum Weltsystem, zunächst vom nördlichen Polarmeer bis zur Adria, sodann von der Karibik bis zum Südchinesischen Meer. Doch 70 Jahre nach der Oktoberrevolution befand sich die UdSSR bereits im Niedergang, zu Beginn der 1990er Jahre waren sie und die europäischen sozialistischen Staaten Geschichte.
Die Oktoberrevolution, Aufstieg und Fall der UdSSR, zeigen mit positiven und negativen Lehren, warum ersteres möglich und letzteres vermeidbar war – und welche unerlässlichen Hinweise sich daraus für die gegenwärtige kommunistische Bewegung ableiten lassen. Wir möchten auf drei Punkte genauer eingehen.
Zunächst hat die Oktoberrevolution vor allem eines bewiesen: Die Arbeiterklasse als historisches Subjekt kann die Bourgeoisie besiegen und die Macht übernehmen. Sie kann, organisierte als herrschende Klasse in der Diktatur des Proletariats (im Falle der UdSSR in Form der Sowjetmacht), die konterrevolutionären Kräfte niederhalten, die Produktionsmittel vergesellschaften und den Sozialismus aufbauen – auch in einem einzelnen Land. Der sozialistische Arbeiterstaat kann eine immense ökonomische Leistung entfalten, die den kapitalistischen Ländern überlegen ist, er kann Arbeit, Wohnen, Bildung und Gesundheitsversorgung als grundlegende Menschenrechte verwirklichen, er ist in der Lage, den mächtigsten und gewalttätigsten imperialistischen Feinden zu trotzen. All’ dies haben die Oktoberrevolution und die Sowjetunion bewältigt. Daraus folgt, dass auch die politische Linie der KPdSU in den ersten Jahrzehnten nach der Revolution richtig war.
Damit sind wir beim zweiten Punkt. Die Arbeiterklasse benötigt, um ihre historische Mission zu erfüllen, eine revolutionäre Kampfpartei. Der Sieg der von den Bolschewiki geleiteten Oktoberrevolution zeigt dies ebenso wie die damaligen Niederlagen der revolutionären Bewegungen in West- und Mitteleuropa, wo es am Ende des Ersten Weltkrieges noch keine Parteien neuen Typs gab, sondern die alte Sozialdemokratie entweder scheiterte oder gleich eine gegenrevolutionäre Position einnahm. Mit aller Folgerichtigkeit wurden aufgrund dieser Erfahrungen überall auf der Welt kommunistische Parteien gegründet, in der III., kommunistischen Internationale zusammengefasst und mittels der Bolschewisierung auf eine gemeinsame theoretische und strategische Grundlage gestellt. In Europa waren diese Parteien sodann in der Lage, die Führung des antifaschistischen Widerstandes zu übernehmen und nach dem Zweiten Weltkrieg in Ost- und Mitteleuropa sozialistische Umwälzungen zu betreiben. Die Existenz einer revolutionären Kampfpartei der Arbeiterklasse ist zwar keine Garantie, aber eine unbedingte Voraussetzung für den Sieg der Revolution und des Sozialismus. Die Partei muss hierbei einen eigenständigen, organisch einen proletarischen Charakter besitzen, konsequent internationalistisch und antiimperialistisch auftreten, alle Formen des Klassenkampfes beherrschen und anzuwenden wissen, sowie der revolutionären Bewegung Weg und Ziel weisen. Hierfür benötig sie wiederum das richtige Werkzeug.
Diese ist nichts anderes – und dies zum Dritten – der Marxismus-Leninismus, die Weltanschauung der Arbeiterklasse unserer Epoche. Der Marxismus-Leninismus befähigt die Partei zur richtigen Analyse, zur Mobilisierung, Schulung und Organisierung der Massen, zur Festlegung der korrekten Strategie und Taktik unter Berücksichtigung des strategischen Zieles. Die theoretischen Grundlagen, die Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus – der dialektische und historische Materialismus, Marx’ Kapitalismusanalyse, Lenins Imperialismustheorie, entsprechende parteitheoretische, bündnispolitische und revolutionstheoretische Vorgaben sowie wissenschaftliche Begründungen des sozialistischen Aufbaus – sind durchwegs unerlässliche Einsichten, damit die Partei ihre praktischen Aufgaben erfüllen kann. Sie muss aber auch in der Lage sein, den Marxismus-Leninismus konkret anzuwenden und schöpferisch weiterzuentwickeln. Tatsache ist jedenfalls: Ohne die revolutionäre Theorie des Marxismus-Leninismus kann es auch keine revolutionäre Bewegung geben.
Dies sind drei unbedingte Lehren der Oktoberrevolution. Umgekehrt: Wo die Macht der Arbeiterklasse nicht abgesichert wird, wo die Rolle der Partei falsch ausgeübt wird, wo der Marxismus-Leninismus verfälscht wird, da wird die Revolution nicht siegen können bzw. keine sozialistische Gesellschaft bestand haben und kein Weg zur klassenlosen Gesellschaft, zum Kommunismus, beschritten werden können. Die Fehlentwicklungen in der UdSSR nach dem 20. Parteitag – in ökonomischer, innen- und außenpolitischer Hinsicht sowie in Bezug auf das Verhältnis der Arbeiterklasse zum Arbeiterstaat – zeugen davon, dass der Einfluss des modernen Revisionismus Staat und Partei so weit schwächte, dass dem Druck von außen schließlich nicht mehr standgehalten werden konnte. Doch auch die Erfahrungen der kommunistischen Bewegung in den kapitalistischen Ländern – und überall in Europa seit 1989/90 – zeigen, dass – wie schon vor 100 Jahren – der Kampf gegen den Revisionismus und Opportunismus, gegen Reformismus und Nationalismus unerlässlich ist, wenn es marxistisch-leninistische Parteien geben soll, die mit der Arbeiterklasse den nächsten Roten Oktober vorbereiten und zum Sieg führen können. Denn dies ist unsere Aufgabe: Der Wiederaufbau und die Stärkung der kommunistischen Bewegung auf marxistisch-leninistischer Grundlage, in jedem Land und weltweit. Dies ist Voraussetzung, für die Überwindung von Kapitalismus und Imperialismus, für den Sieg der Revolution und den Aufbau des Sozialismus.
Helmuth Fellner und Tibor Zenker