Kommentar von Michael Wögerer und Tibor Zenker
Die Regierungskoalition der SPÖ mit der rechtsextremen FPÖ im Burgenland ist fixiert. Zwei SPÖ-Parteitagsbeschlüsse, die derartiges ausschließen, wurden von der burgenländischen Landespartei einfach ignoriert und von der Bundespartei auch nicht weiter thematisiert. Damit ist „Rot“-Blau nun salonfähig und kann auch nach anderen Wahlen – auf allen Ebenen – ins Spiel gebracht und umgesetzt werden. Die SPÖ ist somit nach rechts, inklusive Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Faschismusverharmlosung, völlig offen. Doch es ist nicht nur Prinzipienlosigkeit, die dazu geführt hat.
Die SPÖ ist inhaltlich eine bürgerliche und politisch eine antisoziale Partei, die bloß aus Traditionsgründen noch einen (schwindenden) Anhang in der Arbeiterschaft hat. Sie ist eng verstrickt in den österreichischen Kapitalismus, dessen Profiteur und mittels „Sozialpartnerschaft“ sogar dessen wichtigste soziale Stütze. Vor diesem Hintergrund ist die SPÖ vor allem ein Selbsterhaltungsapparat für Machtzugang und Pfründe. Die SPÖ hat nicht nur Klassenkampf und Sozialismus längst ad acta gelegt, sondern sogar die einfachste und grundlegendste Arbeiterpolitik. Sie macht Politik für Konzerne und Banken, nicht für die und mit den arbeitenden Menschen, nicht für Arbeitslose, nicht für Armutsbetroffene. Das ist nicht neu, aber ein zentraler Grund, warum ihr die (eigentlich neoliberale) FPÖ den Platz als „soziale“ Partei (zumindest in Worten und bei Wahlen) so erfolgreich streitig machen kann. Die beste Politik gegen Rechtsextremismus, gegen Auf- und Verhetzung, gegen Erfolge sozialer Demagogie wäre eine Politik der sozialen Sicherheit, von Bildungsmöglichkeiten und einer hochwertigen Gesundheitsversorgung für alle, von existenzsichernder Arbeit und leistbaren Wohnungen für alle – sozialdemokratische Selbstverständlichkeiten, möchte man meinen. Doch in der SPÖ ist nicht nur kein Platz mehr für sozialistische Politik, sondern nicht einmal einer für sozialdemokratische.
Auch international ist die Ausrichtung der SPÖ mehr als schändlich. Sie verkauft mit der EU die imperialistische Union der Banken, Konzerne und Militärs als angebliche Völkerfreundschaft; sie trägt die antirussische Kriegstreiberei der EU, der USA und der NATO mit und hofiert das ukrainische Putschregime, in dem neofaschistische Kräfte bedeutenden Einfluss haben; sie unterstützte schon in der Vergangenheit „sozialdemokratische“ Diktatoren wie Mubarak in Ägypten und Ben Ali in Tunesien oder offen konterrevolutionäre „Sozialdemokraten“ in Venezuela; sogar die türkischen Faschisten der „Grauen Wölfe“ sind offenbar willkommene Bündnispartner.
Es liegt vieles im Argen in der österreichischen Sozialdemokratie – und das schon seit 100 Jahren. Damals sozialimperialistische Weltkriegsbefürworter, bald darauf Konterrevolutionäre, danach reformistische Opportunisten und orientierungslose Kapitulanten, sodann deutschnationale Anschlussfreunde, schließlich, nach 1945, antisozialistische Kapitalisten; als Kanzlerpartei seit den 1980er Jahren neoliberale Privatisierungs- und Sozialabbauagentur, die propagandistisch vorrangig für Beschönigungslügen zuständig ist.
Dass es an der Basis – denn höhere Weihen erreichen diese Menschen in der Regel nicht – sowie in den Jugendorganisationen immer wieder Hoffnungen gibt, man würde die SPÖ von Grund auf verändern können, charakterlich verändern können, in Richtung eines unberechtigt verklärten Kreiskyanismus oder gar einer marxistischen Ausrichtung, gründet sich auf Illusionen. Das musste noch jede Generation lernen. Doch generationsübergreifend gibt es eine bemerkenswerte Lernresistenz und eine Vergesslichkeit, die das Scheitern der SPÖ-„Linken“ immer wieder als Farce zur Tragödie von 1914 wiederholt.
Es stimmt übrigens keineswegs, dass es in der SPÖ keinen Platz für „Linke“, für aufrechte AntifaschistInnen, gar SozialistInnen im Wortsinne oder MarxistInnen gibt. Natürlich gibt es den, nämlich als Feigenblatt für die stetige Rechtsentwicklung, für die arbeiterfeindliche und kapitalfreundliche Realsozialdemokratie. Die Frage ist aber: Ist das der Platz – und v.a. die Funktion –, wie die Linken ihn ausfüllen möchten? Als Steigbügelhalter und Schutzschild für antisoziale Politik, für prinzipienlose Parteiführungen und für „rot“-blaue Kooperationen?
Diese Funktion ist eine objektiv negative. Es wird vorgegeben, man könne als Linke in der SPÖ etwas Positives bewirken, doch in Wirklichkeit werden nur Kräfte gebunden, verschlissen und vernichtet. Der linke Kadavergehorsam gegenüber dem „stinkenden Leichnam der Sozialdemokratie“ (Rosa Luxemburg) ist die sicherste Garantie dafür, dass sich die Etablierung linker Politik, von Klassenpolitik, von sozialistischer, internationalistischer und antiimperialistischer Politik möglichst schwierig gestaltet und der kapitalistische Konsens unangetastet bleibt. Es wäre angesichts der SPÖ/FPÖ-Koalition im Burgenland – wieder einmal! – Zeit, in ehrlicher Selbstreflexion die eigene Ausrichtung und Strategie sowie deren Ergebnisse zu evaluieren. Das Resultat ist nämlich verheerend.
Doch es wird wieder alles geschluckt und vergessen werden. Die Linken werden sich abermals unterordnen und auf die nächste Schweinerei der SPÖ-Führung warten – um dann wieder höchst empört und natürlich völlig überrascht zu sein.
Die Frage ist doch: Wie lange kann man sich als SPÖ-Mitglied noch in den Spiegel schauen? Was soll denn noch passieren? Was muss denn noch passieren? – Bis die bittere, aber unerbittliche Wahrheit zur Kenntnis genommen wird: Die SPÖ ist nicht in eine linke Partei, in eine Arbeiterpartei oder gar eine revolutionäre Partei zu transformieren – im Gegenteil: Seit über 100 Jahren geht es Schritt für Schritt in die andere Richtung. Dass kann man weiterhin ignorieren und damit zum unfreiwilligen Helfer dieser Entwicklung werden. Oder man zieht doch einmal die nötigen Konsequenzen und bricht mit der Sozialdemokratie, die nur noch eine leere Hülle und keine ideologische Richtungs- und Klassenpartei mehr ist.
Aber das ist natürlich mit großer Mühe und schwierigen Aufgaben verbunden. Die SPÖ ist immer noch eine große Partei, mit viel Geld, mit vielen Posten und Pöstchen für ihre Mitglieder, mit vielen Vergünstigungen, mit Medienzugang, mit einer relevanten Mitgliederzahl. Wie aussichtslos erscheint es da, außerhalb der SPÖ eine andere, wirklich linke Arbeiterorganisation zu unterstützen, aufzubauen und zu etablieren! Doch diese angebliche Aussichtslosigkeit ist vor allem dreierlei: Ausrede, Selbstbetrug und Selbsterfüllung. Auf diese Weise verweigert man den Einstieg ins Rettungsboot (und warnt andere davor), weil dieses ja viel zu klein sei, und bleibt lieber auf der doch so großen, mächtigen Titanic.
Immerhin, vereinzelt hört man aus den Reihen sozialdemokratischer Linker, es bräuchte nun doch ein alternatives, neues Projekt, womit v.a. ein Wahlprojekt gemeint ist. Damit wird jedoch vor allem bewiesen, wie wenig man vom Wesen emanzipatorischer Politik verstanden hat, denn man bleibt beim Prinzip der Stellvertreterpolitik. Wer aber ein nachhaltiges Projekt abseits der SPÖ will, der wird sich auch die Mühen der Ebene antun müssen, um eine organische Arbeiterpartei zu erhalten. Es wird nicht reichen, mit zwei, drei sozialdemokratischen C‑Promis und Hinterbänklern eine abgehobene Wahlliste aufzustellen, die vielleicht sogar kurzfristige Achtungserfolge verzeichnet, sondern man wird die Arbeiterklasse selbst organisieren müssen, sie mit revolutionärem und sozialistischem Bewusstsein erfüllen, sie geistig und physisch kampffähig machen und erhalten, wie es in der Hainfelder Prinzipienerklärung der österreichischen Sozialdemokratie heißt. Dafür braucht es keine hochtrabenden Politik-Blogs mit gescheiten Erklärungen und gegenseitiger Selbstbeweihräucherung, sondern AktivistInnen, die in den Betrieben, in Aus-/Bildungseinrichtungen und auf der Straße mit den arbeitenden Menschen in unmittelbaren Kontakt treten, sie nicht von oben herab belehren, sondern von ihnen lernen, was ihre Probleme und Anliegen sind; und auf dieser Grundlage mit den „einfachen“, betroffenen Menschen konkrete Politikansätze erarbeiten, ohne dabei freilich das sozialistische Ziel aus den Augen zu verlieren. Und zu diesen „einfachen Menschen“ gehören übrigens auch die FPÖ-WählerInnen. Wer das tun will, findet außerhalb der SPÖ genügend Anknüpfungspunkte, sogar mit einer recht bunten ideologischen Bandbreite. Es ist aber auch verständlich, dass sich viele diese Mühen, diese Arbeit und diesen Aufbau nicht antun wollen. Aber dann sollen sie auch damit aufhören, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Es ist an der Zeit, sich selbst und allen anderen gegenüber endlich aufrichtig zu sein. So oder so.
Und eines ist angesichts der im Herbst folgenden Landtagswahlen in Wien und Oberösterreich auch klar: Niemand soll mehr die Chuzpe haben, zu behaupten, nur eine starke SPÖ sei eine Garantie gegen die FPÖ. Wir wissen nun endgültig: Eine Stimme für die SPÖ ist keineswegs automatisch eine gegen die FPÖ. Das sollten sich die WählerInnen gut merken – und auch die kritischen Parteibasis- und SJ-Mitglieder, die in diesen Wahlkämpfen wieder für die SPÖ laufen sollen.
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Michael Wögerer, Vorstandsmitglied der Partei der Arbeit Österreichs (PdA); ehem. SPÖ-Gemeinderat in Winklarn, Bezirksvorstandsmitglied der SPÖ Amstetten und Landesvorstandsmitglied der SJ Niederösterreich.
Tibor Zenker, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA); ehem. Bezirksvorstandsmitglied der SPÖ Klosterneuburg und Landesvorstandsmitglied der SJ Niederösterreich.
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