Lukrative „Gemeinnützigkeit“, teurer „Sozialbau“

Praterstern_vom_Wiener_Riesenrad1020 Wien: Ein Spaziergang durch Spekulationszonen, SP-dominierte Aufsichtsräte und die täglichen Sorgen der MieterInnen
Wien, Praterstern: Unser Rundgang durch den Bezirk startet am berüchtigten Verkehrsknotenpunkt. Jedoch geht es heute ausnahmsweise nicht um den angeblichen „Drogenhotspot“ – wir richten unseren Blick vorbei an den gehetzten Passanten, vorbei an den Polizisten in Kampfmontur und ihrem auffälligen Observationswagen samt Überachungskamera. Hinter den Fassaden im Nordwesten des Platzes, mit majestätischem Blick über die Niederungen des etwas bodenständigen Pratersterns, residieren einige der wichtigen Player im Immobiliengeschäft. In harmonischer Eintracht stechen einem die dicht gedrängten, gewaltigen Logos von Wiener Städtischer, SPÖ, Wüstenrot und ÖBB ins Auge. Finanzwelt, Politik und staatliche Betriebe – Tür an Tür, Hand in Hand?
Ein Musterbeispiel für die höchst rentablen Geschäfte, die in Bürotürmen wie diesen eingefädelt werden, findet sich gut 400 Meter Luftlinie entfernt. Die Liegenschaft Große Stadtgutstraße 14 war unter den Augen der Behörden gute 15 Jahre lang dem spekulationsgetriebenen Verfall preisgegeben. Schließlich wurde die Stadt aktiv – aber nicht mit Strafen gegen den Eigentümer, sondern indem sie den inzwischen nötigen Abbruch mit 120.000 Euro finanzierte. Die „Gemeinnützige Wohnungsbau GmbH“ (GEWOG) kaufte das Grundstück, SP-Bezirksvorsteher Gerhard Kubik ließ sich medienwirksam als Retter abfeiern. Auch beim Neubau war die Stadt großzügig und übernahm fast die Hälfte der Baukosten von 2,9 Millionen Euro. Im Neubau integriert sind neun frei finanzierte Wohnungen, die die profitorientierte Tochter der GEWOG, die „atHome Immobilien“ errichten ließ. Ihr damaliger Aufsichtsrat Karl Wurm – nebenbei auch GEWOG-Verbandspräsident und gleichzeitig Obmann des Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen GBV (sein eigenes Aufsichtsorgan!), aber auch im Aufsichtsrat der Bank Austria Wohnbaubank umtriebig – erwarb kurz nach seinem Ausscheiden aus dem atHome- Aufsichtsrat die beste Wohnung im Haus: Dachgeschoß, hell und ruhig. Natürlich bewohnt Wurm, der sich als Multifunktionär in „gemeinnützigen“ und kommerziellen Immobiliengesellschaften gleich mehrere Höchstklasse-Wohnungen leisten kann, die attraktive Liegenschaft nicht. Ein satter Gewinn bei Wiederverkauf ist vorprogrammiert, die durchschnittlichen Quadratmeterpreise im Bezirk haben sich seit 2007 verdoppelt – und das Spekulationskapitel rund um die Große Stadtgutstraße aus Sicht des SP-nahen Firmengeflechts erfolgreich abgeschlossen.
Alte Zinshäuser mit niedrigen Mieten zu schicken Luxusbuden mit teuren Wohnungen umzugestalten – bei diesem Geschäftsmodell sind so manche Spekulanten alles andere als zimperlich. Und wo sich lästiger Widerstand bildet, wie in der nahe gelegenen Mühlfeldgasse, in der sich AltmieterInnen und die Punks der „Pizzeria Anarchia“ lange gegen widerliche Rausekelungsversuche des Eigentümers wehren konnten, springt auch gern einmal der Staat ein. Natürlich nicht im Sinne der Nutzer, sondern in Form eines Polizeieinsatzes mit 1.700 Uniformierten samt Panzerwagen und Hubschrauber, die die letzten BewohnerInnen des Hauses auf Kosten der Allgemeinheit rauswarfen.
Freilich, das wirklich große Geld mit Immobilien machen in der Leopoldstadt andere, und das weitaus reibungsloser. Für die hohen Gagen im Management der „gemeinnützigen“ Bauträger müssen keine Polizei-Hundertschaften ausrücken, und der wichtige Draht zum Rathaus braucht nicht erst mühsam hergestellt oder gar erkauft werden, da er qua Parteibuch meist ohnehin seit Jahrzehnten besteht. Von der „Sozialbau AG“ – die nichts mit echtem sozialem Wohnbau, aber viel mit der Gier einer AG zu tun hat – wurden und werden nicht gerade günstige Wohnungen am ehemaligen Nordbahnhofgelände, etwa in der Jakov-Lind-Straße 14 errichtet. Hier stehen völlig charakterlose, austauschbare Bauwürfel mit der maximalen Kubatur, die die Bauordnung noch zulässt; Teil eines riesigen „Stadtentwicklungsgebietes“, das außer Wohnungen wenig zu bieten hat. Der Architekt Reinhard Seiß fasste das einmal so zusammen: „Renditeerwartungen werden in Baumasse umgesetzt“. Der dreiköpfige Vorstand der „Sozialbau“ lässt sich seine Tätigkeiten mit einer schlanken knappen Million Euro jährlich abgelten. Irgendwohin muss das Geld ja fließen, das durch günstige Grundstücke von der ÖBB, Förderungen der Stadt Wien einerseits sowie hohe Genossenschaftsanteile und happige Mieten andererseits zusammenkommt.
gstopfte und co_neuVom Etikettenschwindel „Sozialbau“ zu den hoch gepriesenen „modernen Gemeindewohnungen“ (© Wiener Wohnen): Am Handelskai 132a entstehen seit Anfang des Jahres 19 sogenannte „Smart Wohnungen“. Natürlich nicht in den oberen Etagen, dort dürfen’s wieder einmal freifinanzierte Eigentumswohnungen mit freiem Blick auf die Donau für die Kaufkräftigen sein. Auch die „Smart Wohnungen“ haben mit echtem sozialen Wohnbau wenig gemeinsam: Die „BAUHILFE“ fungiert als Bauträger; es sind Eigenmittel zu bezahlen und die Voraussetzung „dringender Wohnbedarf“ schließt oft gerade jene aus, die den hohen Mieten im Privatsektor entkommen wollen. Lange vor Bekanntgabe eines Fertigstellungstermins ist eine Vormerkung aufgrund der hohen Nachfrage nicht mehr möglich. Die Stadt reagierte auf die hohe Zahl der Interessenten – knapp 30.000 Vormerkungen für geförderte und Gemeindewohnungen – bisher ausschließlich mit einer Verschärfung der Vergaberichtlinien.
Und die Bezirkspolitik? Die diskutiert derweilen in Form der Spitzenkandidaten von SPÖ und FPÖ im schicken Prater-Lokal „Waggon 31“ über Radwege und ein Alkoholverbot am Praterstern. Hier in der „Event-Location“ (Spezialität Spargelessen mit Starkoch Bernie Rieder) spricht SP-Bezirksvorsteher Hora den blauen Herausforderer Seidl schon mal mit „lieber Wolfgang“ an. Von den wirklichen Skandalen, den echten Problemen der Leopoldstädter Mieterinnen und Mieter können und wollen sie nicht reden – zu sehr ist die SP hier „part of the game“, zu sehr wäre es die FP auch gerne.
Durch noch so teure Werbekampagnen kann das Polit-Establishment nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Interessen der Wohnungssuchenden und MieterInnen niemals jene der Finanzkonzerne, Miethaie und Immobilienspekulanten sein können. Entweder leistbares Leben für uns – oder noch mehr Profite für sie. Vernetzen wir uns, leisten wir Widerstand, bleiben wir unbequem! Und am 18. September mit einer Stimme für die PdA die Rote Karte für die Gfraster!
Foto: Wien Praterstern (public domain)

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