Wir wollen uns in diesem Artikel mit einigen Seiten der gängigen Kritik an der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) auseinandersetzen. Diese Auseinandersetzung ist deswegen wichtig, weil sie nicht nur außerhalb der kommunistischen Bewegung, sondern auch – international – innerhalb dieser erhoben wird. Wir möchten uns hier nicht mit den Intentionen dieser Kritik beschäftigen, die man meist ohnehin schwer beurteilen kann, weil man bemerkenswerterweise häufig, sowohl in gegenüber der KKE gut‑, als auch in bösgesinnten Kritiken, dieselben oder ähnliche Argumente entdeckt.
Zunächst muss der Gegenstand der Kritik bestimmt werden. Man kann feststellen, dass in der einen oder anderen Weise hauptsächlich die Bündnispolitik oder auch bloß die politische Haltung der KKE gegenüber anderen politischen Kräften kritisiert oder sogar angegriffen wird. Dabei spielt die rechtsopportunistische, inzwischen vollkommen sozialdemokratisierte Partei SYRIZA eine wichtige Rolle, obwohl man auch bemerken muss, dass nicht alle Kritiker und Kritikerinnen die Zusammenarbeitsverweigerung der KKE mit SYRIZA oder die Einschätzungen der KKE zu dem Charakter dieser Partei in Frage stellen. Dies ist eine wichtige Demarkierungslinie zwischen verschiedenen kritischen Ansätzen.
Da aber SYRIZA de facto nicht nur im Zentrum der Öffentlichkeit steht, sondern auch in der innerkommunistischen Diskussion immer wieder auftaucht, ist es wichtig sich auch mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Dabei geht es um zwei Sachen: Einerseits geht es um die konkrete Einschätzung des Charakters von SYRIZA oder auch Kräften ähnlicher Gesinnung und Ausrichtung in Griechenland, aber auch weltweit. Andererseits geht es aber auch um tiefergreifende Fragen prinzipieller Natur, die mit der Strategie der Kommunistischen Partei zu tun haben, wie die des Charakters des bürgerlichen Staats, der Teilnahme an bürgerlichen Regierungen, oder der Verwaltung der kapitalistischen Krise. Diese Fragen betreffen schließlich auch einige der Kritiken, die über die Frage der Zusammenarbeit mit SYRIZA hinausgehen.
Wir werden aber diese Kritiken weder vereinzelt behandeln noch direkt konfrontieren. Was wir versuchen werden, ist, diese zu entkräften, indem wir unmittelbar die objektive Situation und die betreffenden theoretischen Grundlagen behandeln. Der Boden, auf dem derartige Kritik wächst und sich nährt, ist ein bestimmtes Verständnis der Wirklichkeit. Die beste Antwort kann also nur die Untersuchung der Wirklichkeit selbst sein. Dabei geht es aber nicht primär darum, irgendwelche Teilerscheinungen oder einfache Episoden in dem allgemeinen Prozess journalistisch darzustellen, sondern die grundlegenden, strukturellen Verhältnisse zu untersuchen, weil uns in Wirklichkeit nicht hauptsächlich die Information fehlt, sondern die solide Basis einer sinnvollen Diskussion über Fragen der Strategie und Taktik der kommunistischen Bewegung. Wir stellen keinen Anspruch auf eine allumfassende wissenschaftliche Behandlung des Sachverhalts, sondern zielen nur darauf, einen Anstoß für eine wesentliche und notwendige Diskussion zu geben.
Die ökonomischen und politischen Verhältnisse in Griechenland
Wir werden nicht mit der Beschreibung der aktuellen Entwicklungen und der Parteipositionen beginnen, sondern mit den ökonomischen und politischen Verhältnissen. Denn alle Entscheidungen, Handlungen von Individuen, Parteien und Klassen finden in einem bestimmten Rahmen statt, der schließlich die Bedeutung und Grenzen dieser bestimmen und an welchem sie auch zu messen sind.
Griechenland ist ökonomisch und politisch ein vollentwickeltes monopolkapitalistisches Land. Darüber sollte eigentlich kein Zweifel bestehen. Die Eigenarten der Entwicklung des griechischen Kapitalismus (und solche hat es in jedem Land immer gegeben) sollte man sehr wohl in Betracht ziehen, wenn man eine konkretere Analyse vornehmen möchte, betreffen aber nicht die grundlegenden Wirtschafts- und Machtstrukturen des Landes und sind demnach für die Grundfragen strategischer Natur nicht von primärer Bedeutung. Denn darum geht es nun einmal, da sich an einem Großteil der Analysen ein derart niedriges Niveau abzeichnet, dass elementare Sachen in Frage gestellt werden, weshalb hier auf das ganz Grundlegende zurückgegangen werden muss.
Trotzdem wollen wir hier nichts von einem abstrakten Begriff ableiten. Griechenland ist ein monopolkapitalistisches Land, weil sich die wichtigsten konzentrierten Produktionsmittel und die zentralsten Machtstrukturen in den Händen des Finanz- oder auch allgemeiner Großkapitals befinden. Auch wenn einigen der Grad der Monopolisierung verhältnismäßig klein erscheinen mag, ist die politische Herrschaft mindestens genauso eindeutig wie in jedem anderen entwickelten imperialistischen Land. Dies ist ein empirisches Faktum, auf dem sich folgende Überlegungen begründen lassen.
Eine andere Tatsache ist, dass die strategischen Interessen des griechischen Großkapitals mit der EU und den USA verbunden sind. Innerkapitalistische und –imperialistische Gegensätze gibt es natürlich und kommen auch in der einen oder anderen Weise zum Ausdruck. Diese scheinen aber – mindestens momentan – nicht so zugespitzt zu sein, dass sie die allgemeine strategische Ausrichtung in Frage stellen würden. Das liegt aber vor allem daran, dass die griechische bürgerliche Klasse ihre Herrschaft im Inneren und ihren imperialistischen Einfluss im Äußeren durch das Bündnis mit den EU- und US-amerikanischen Monopolen sichern und stärken kann. Man darf nämlich die rege Aktivität, die Rolle und die Interessen des griechischen Kapitals im Balkan, dem Nahen Osten und Afrika nicht unterschätzen, wofür die transatlantische Zugehörigkeit unabdingbar ist. Umgekehrt hat das EU- und US-Kapital ausreichend Interesse, das griechische Kapital einen kleineren oder größeren Anteil an der imperialistischen Beute haben zu lassen, weil sie sich damit einen treuen Verbündeten in der Region sichern und ihre imperialistische Pläne effektiver durchsetzen können.
Diese Bündnisse tragen einige Konsequenzen und Verpflichtungen mit sich, von denen einige Kräfte das Volk abzulenken versuchen. Die EU als Bündnis zwischen kapitalistischen Staaten hat bestimmte Zwecke und bestimmte Richtlinien. In ihrer Struktur und Politik widerspiegeln sich nicht die Kräfteverhältnisse zwischen den Klassen, sondern höchstens die Kräfteverhältnisse zwischen den verschiedenen Monopolgruppen, aber vor allem ihr Konsens für eine gemeinsame volks- und arbeiterfeindliche Politik und eine verstärkte imperialistische Machtprojektion. Die NATO entspricht ähnlichen Zielrichtungen mit noch stärkerer militärischer Ausprägung. All das bestimmt auch die Orientierung des griechischen Staates, die von Wahlergebnissen und Regierungsparteien unabhängig sind.
Das bedeutet, dass einerseits die politische und wirtschaftliche Macht der Monopole unangefochten bleibt und andererseits ihre Politik eine sehr konkrete Ausrichtung hat, welche den Rahmen jeder Regierungspolitik zusätzlich einengt. Die bürgerliche Klasse verfügt über die wichtigsten Strukturen des Staatsapparats, aber auch über andere Mechanismen des ideologischen Einflusses und der repressiven Gewalt. Abgesehen von den Brüchen und Gegensätzen (die vor allem in den letzten Jahren unausweichlich waren) ist die Unterstützung oder zumindest die Toleranz seitens der höheren Schichten der Bevölkerung wie auch großer Teile des arbeitenden Volks gesichert. Der Druck aufgrund der Krise hat zwar Verluste und Gefahren mitgebracht, aber die Kontrolle über die Wirtschaft nicht geschwächt, sondern im Gegenteil sogar gestärkt. Die Monopolisierung vieler Sektoren wurde durch die Krise beschleunigt und die Profite der größten Unternehmen sind gestiegen. Die Zerstörung von Produktivkräften kann natürlich nicht als vollendet oder sogar genügend für einen Aufschwung betrachtet werden (vor allem aufgrund der internationalen Dimensionen der Krise), hat aber eindeutig die Position der einheimischen und ausländischen Monopole im Land gestärkt.
Was die wirtschaftliche und politische Macht der bürgerlichen Klasse und der Monopole bedeutet, sollte, weit von jeder Naivität, jedem Kommunisten und jeder Kommunistin klar sein. Keine herrschende Klasse in der Geschichte hat ihre Macht freiwillig abgegeben. Und keine herrschende Klasse hat Zugeständnisse freiwillig gemacht. Sowohl Zugeständnisse abzugewinnen, als auch der Macht sich entgegenzustellen vermochte immer nur der organisierte und entschlossene Widerstand der unterdrückten Klassen.
Wir setzen an dieser sehr strukturellen Sache an, weil wir glauben, dass die Bedeutung solcher Tatsachen heute, aus welchen Gründen auch immer, in den Hintergrund gerückt oder sogar gänzlich verschwiegen wird. Uns der Banalität zu bezichtigen, erlauben wir sicherlich nicht denen, die mit ihrer „linken“ Sophisterei verschleiern möchten, dass sie einen Leichnam wieder beleben möchten. Uns mangelt es heute weniger an einfallsreichen „Taktiken“, als an der grundsätzlichen strategischer Orientierung der kommunistischen Bewegung.
Verwaltung des Systems und Krise
Aber noch eine andere Tatsache soll hervorgehoben werden: die andauernde Krise des kapitalistischen Systems, die besonders in Griechenland eine heftige Ausprägung hatte und weiterhin hat. Wer den Charakter und die Natur der Krise nicht versteht, wird auch nicht in der Lage sein, die Grenzen der Verwaltung dieses Systems zu verstehen. Die Überakkumulationskrise ist 1. eine notwendige Erscheinung der kapitalistischen Produktionsweise und kann deshalb 2. weder vermieden noch durch systemimmanente Interventionen überwunden werden. Dass Interventionen und Regulierungsversuche die Krisen verlangsamen, ihren Ausbruch verschieben, die Lasten in der einen oder anderen Richtung umverteilen können, wollen wir prinzipiell nicht bestreiten. Was die Krise aber „löst“, ist nur die Zerstörung von Produktivkräften. Unbestreitbar bleibt auch, dass die Widersprüche des Systems und der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit sich weiter zuspitzen und sogar einen immer größeren Teil der Bevölkerung umfassen. Das Streben in der Krise nach einer Rückkehr des kapitalistischen Wachstums ist keine klassenneutrale Sache. Denn das Opfer für diese wird die Arbeiterklasse und die Mehrheit des Volkes bringen. Und das ist groß. Freilich sind die herrschenden Klassen oft bereit bzw. gezwungen einige Bröseln dem an meisten verelendeten Teil der Bevölkerung zuzuwerfen und Teile der „Mittelschichten“ zu „bestechen“. Aber Arbeitsrechte, Löhne und Pensionen, die den modernen Bedürfnissen entsprechen, Sozialversicherung usw. für die Mehrheit der Lohnabhängigen sind mit den Bedürfnissen der kapitalistischen Entwicklung und Reproduktion nicht vereinbar. Das kapitalistische Wachstum wird aus dem Schweiß und Blut der Arbeiterklasse geschaffen.
Es lässt sich also grundsätzlich fragen, was kann man von all jenen politischen Kräften erwarten, die in der Krise das Wirtschaftswachstum als gemeinsames Ziel in den Vordergrund rücken, versprechen, dass sowohl Arbeitende als auch „gesunde Unternehmen“, sowohl Kleinbauern und verarmte Selbstständige als auch Monopolgruppen gewinnen können? Das System hat Gesetzmäßigkeiten und dem ist auch die Politik der Verwaltung der Krise unterworfen. Aber diese Verwaltung, solange es überhaupt eine Verwaltung ist und bleibt, ist eine Verwaltung im Interesse des Kapitals. Denn so oder so, wenn das System ins Wackeln kommt, zahlen es immer und am Teuersten die Unterdrückten, die Machtlosen, die Unmündigen.
Zusätzlich kommt aber auch das schon genannte Machtgefüge des Monopolkapitals. Auch wenn man alles andere beiseitelassen würden, alle Beschränkungen, Gesetzmäßigkeiten dieser Wirtschaftsstruktur, bleibt immer noch der unleugbare Kern der gesellschaftlichen Realität: der Klassenkampf. Und auch da ist man gezwungen, die Sache so zu betrachten, wie sie ist, und euphorische Parolen beiseite zu lassen. Es ist nämlich nicht nur so, dass die Arbeiterklasse und die unterdrückten Volksschichten ihre Interessen nicht klar erkennen oder den Kampf effektiv und unter ihrer eigenen Fahne aufnehmen, sondern hinzu kommt gleichzeitig, dass das Kapital sehr wohl seine Interessen verfolgt und dafür die wirtschaftlichen und politischen Mittel besitzt und ausnützt. Es ist eine der gefährlichsten Illusionen, die Krise würde diese Strukturen unterminieren. Nein, sie bleiben nicht nur bestehen, sondern tendieren sogar dazu ihre aggressivsten Seiten zu zeigen.
Regierung und Bewegung
Was kann also ein Regierungswechsel in Griechenland unter den dargestellten Bedingungen bewirken? Zunächst muss festgehalten werden, dass ein Regierungswechsel selbst in keiner Weise und auf keiner Ebene die Strukturen der kapitalistischen Wirtschaft und des bürgerlichen Staates in Frage stellt. Denn Veränderungen solcher Art resultieren nicht aus Unterschriften von Ministern oder Gesetzeserlasse des Parlaments, sondern aus dem Kampf des Volkes und der Arbeiterklasse. Genauso wenig ändert sich der Charakter des Staates oder die Klasse, die die Macht besitzt, wenn sich Parteien in den Ämtern abwechseln. Denn weder die Regierung noch das Parlament sind der Staat. Dieser besteht aus einer Reihe offenkundiger und heimlicher Macht- und Gewaltmechanismen, die keineswegs klassenneutral sind, sondern „ein Werkzeug zur Ausbeutung der unterdrückten Klasse“ (Lenin).
Die konkretere Frage ist nun: Was kann eine Regierung, die den Bruch mit diesen Strukturen der ökonomischen und politischen Herrschaft des Großkapitals in keiner Weise bestrebt, im Interesse des Volkes und der Arbeiterklasse bewirken? Woher könnte sie überhaupt die Macht ziehen, die Forderungen des Volkes durchzusetzen, wenn sie nicht die wirkliche Klassenbewegung als den einzigen Träger der sozialen und politischen Veränderung anerkennt? Aus einer parlamentarischen Mehrheit? Parlamentarische Mehrheit und Klassenbewegung sind jedoch zwei vollkommen unterschiedliche Sachen. Und diesem Unterschied sollten wir uns nicht nur bewusst sein, sondern ihm unsere volle Aufmerksamkeit schenken.
Die Klassenbewegung ist – in der einen oder anderen Weise – der Ausdruck der Selbsttätigkeit der Massen, der Anstrengung der Massen ihre eigenen Interessen selbst durchzusetzen. Diese Bewegung, sofern sie tatsächlich diesen Namen verdient, gehört keiner Regierung und kann keiner Regierung gehören. Sie steht ihrem Wesen nach im Gegensatz zum bürgerlichen Staat, genau weil die Selbsttätigkeit und Selbstorganisation der Massen das Gegenteil dessen ist, was der bürgerliche Staat repräsentiert: die Unterwerfung, die Passivität, die Logik der Übertragung. Die Klassenbewegung stellt Forderungen und kämpft für diese mit den jeweils vorhandenen und angemessenen Mitteln. Die Durchsetzung dieser Forderungen hat nichts mit den Entscheidungen einer Regierung oder eines Parlaments zu tun, egal welchen ideologischen, politischen Charakter diese haben oder zu haben vorgeben. Denn sie sind nicht Teil der Bewegung, sondern Teil des Staates: des bürgerlichen Machtapparats. Die Bewegung unterstützt keine Regierung, sie gibt in ihren Forderungen nicht nach, um eine Regierung zu unterstützen.
Wir wollen bemerken, dass dies nicht bedeutet, dass die Klassenbewegung keine Struktur, Organisation, Leitung usw. hätte oder solche gar nicht brauchen würde. Ganz im Gegenteil. Aber diese Organisation muss die eigene Organisation des Volkes sein. Und es kann verschiedene politische Kräfte geben, die in der Bewegung aktiv sind. Aber sie können und dürfen nicht mit den Kräften des bürgerlichen Staatsapparates identifiziert werden. Denn die Organisation der Arbeiterklasse entwickelt sich nicht im bürgerlichen Staat oder im Schatten der Staats- und Regierungspolitik, sondern abseits und im Gegensatz zum bürgerlichen Staat.
Was bedeutet dagegen eine parlamentarische Mehrheit, wenn die bürgerlichen Machtstrukturen nicht angetastet werden? Wenn die Produktionsmitteln in privater Hand bleiben und der Staatsapparat aufrechterhalten wird? Wir wollen ein sehr einfaches Beispiel geben. Hinter den Kulissen entwickelt sich in Griechenland in den letzten Jahren eine sehr verschärfte rechtliche Verfolgung von Gewerkschaftern, die in Arbeitskämpfen eine hervorragende Rolle gespielt haben. Wir reden von hunderten von Menschen aus der Arbeiterklasse und auch der Bauernschaft, die einzeln sogar mit hunderten Anklagen konfrontiert werden. Von Stahlarbeitern, die nach einen neunmonatigen Streik gegen Entlassungen und Lohnkürzungen mit Haftstrafen von bis zu zwei Jahren verurteilt worden sind. Kann sich diese Situation mit einer Änderung der Regierung ändern? Zum ersten unterliegt die Judikative nicht der exekutiven und legislativen Gewalt. Denn obwohl die „Gewaltenteilung“ wegen der tiefgreifenden Verflechtungen vollkommen scheinhaft erscheinen mag, sollte man nicht ihren objektiven Grund übersehen. Die Gewalten sind zwar nicht abgeschottet, aber sie haben sie beziehen ihre Macht unabhängig voneinander. Ein Richter hat selbst Macht und zusätzlich kann das Volk ihn auch nicht wählen und abwählen. Vollkommen scheinhaft ist nur, dass diese Macht unabhängig von den bestehenden ökonomischen Verhältnissen ist. Der springende Punkt ist, dass dieser Aufbau des bürgerlichen Staates die Herrschaft der Bourgeoisie festigt, weil sie damit nicht von einer Regierung und einem Parlament abhängig ist, sondern auf eine mannigfaltige institutionelle Macht zurückgreifen kann (und das ist auch der Grund, aus dem die Arbeitermacht die Gewaltenteilung aufheben muss). Zum zweiten ist das Problem nicht eine falsche Vollstreckung der Gesetze, sondern das Recht selbst, das diesen Gesetzen zugrunde liegt und welches das Recht der herrschenden Klassen ist. Gesetze kann man ändern, aber nicht das Recht, sofern man die bestehende Ordnung grundsätzlich akzeptiert und man nicht die Macht besitzt dieser entgegenzutreten. Das Recht ist nicht klassenneutral, sondern einer der wichtigsten Pfeiler der bürgerlichen Herrschaft. Und dieses Recht kann auch von keiner Regierung und keinem Parlament reformiert werden, auch wenn man es wollte. Was bringt also eine Regierung dem für seine Interessen kämpfenden Volk, dem selbsttätigen Volk?
Von der „linken“ Regierung (die sich mittlerweile Regierung der „sozialen Rettung“ nennt)
Kommen wir aber jetzt zu den konkreten Entwicklungen und betrachten wir, was uns die „linke“ Politik verspricht. Hinter dem Schleier der großen Worte und der begeisterten Rhetorik lässt sich das Ganze in einigen Worten wiedergeben. Was uns SYRIZA und andere Kräfte in Griechenland und international sagen, ist, dass das Volk ohne jeglichen Schritt in Richtung der Veränderung der eigentlichen Wirtschafts- und Machtverhältnisse, sondern nur durch Unterstützung (und dahinter versteckt sich auch etwas sehr Gefährliches) einer Regierung der „sozialen Rettung“ (man ist versucht mit „Erlösung“ zu übersetzen), das Kapital zu Zugeständnissen zu zwingen, die dessen wesentlichen Interessen widersprechen. Und das noch dazu in Zeiten der Krise.
Dies ist sogar noch eine etwas euphemistische Beschreibung, denn was sie uns vielmehr sagen, ist, dass dies sogar mit der Kapitalistenklasse gemeinsam erreicht werden kann, dass „gesunde Unternehmen“ und Arbeitnehmer dieselben Interessen haben, dass das Land nicht den Bruch mit den kapitalistischen Strukturen braucht, sondern nur mit einigen ihrer korrupten, unproduktiven Seiten. Das Ideologem dahinter ist, dass das Problem nur eine Ausprägung der Politik des Kapitals ist, die als „Austerität“ und/oder „Neoliberalismus“ bezeichnet wird. Abgesehen von der Unklarheit des Inhalts solcher Bezeichnungen, sieht man, dass das Hauptanliegen oder zumindest die Konsequenz die Verharmlosung des Kapitalismus als solchen und die Öffnung zu Bündnissen mit sogenannten „progressiven“ Kräften ist – unter denen sich zahlreiche Vertreter des griechischen und internationalen Monopolkapitals finden lassen –, die die „neoliberale Doktrin“ und die „Austerität“ – aus welchen Gründen auch immer – in Frage stellen. Kein Wunder, dass sich da Verbündete finden, die von den nationalistischen „Unabhängigen Griechen“ bis zum Obama, Soros und der österreichischen Sozialdemokratie reichen.
Man sieht also, dass einerseits die grundlegenden Strukturen der Gesellschaft verleugnet werden, aber andererseits auch die Zusammenarbeit zwischen den Klassen, deren Interessen gegensätzlich und unversöhnbar sind, vertreten wird. Nicht nur die Grenzen einer solchen Politik sind sehr eingeschränkt, sondern auch ihre Absichten letztendlich suspekt. Man hat es nämlich nicht nur mit einer Illusion zu tun, sondern auch mit dem Versuch breitere Volksschichten unter dem Banner eines mit dem Kapital gemeinsamen Kampfes zu bringen.
Aber wer steckt überhaupt hinter solchen Programmatiken? Die von einem Teil der bürgerlichen Medien dargestellte Konfrontation von SYRIZA mit den kapitalistischen Strukturen oder mindestens mit gewissen Seiten dieser ist eindeutig ein Trugbild. Schließlich gibt es auch einen ebenfalls großen Teil der bürgerlichen Medien, die ein ganz anderes Bild vermitteln. Es ist eindeutig, dass SYRIZA nicht isoliert dasteht, sondern im Wesentlichen die Unterstützung eines bedeutenden Teils der herrschenden Klasse genießt. Diese Unterstützung basiert auf folgender Tatsache bzw. Überlegung von Teilen des Kapitals: dass SYRIZA letztendlich in keiner Weise eine Bedrohung für die Macht des Monopolkapitals darstellt, sowohl weil SYRIZA keine wirkliche Kraft darstellt, die sich dieser Macht widersetzen könnte, als auch weil eine solche Intention überhaupt nicht vorhanden ist. Das Programm von SYRIZA wurde sogar von Persönlichkeiten seines „linken“ Flügels als „moderater Keynesianismus“ bezeichnet. Es ist eigentlich ziemlich lächerlich im 21. Jahrhundert in einem marxistischen Rahmen noch darüber zu diskutieren, ob so ein Programm die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung befriedigen könnte oder eine Schwächung des Kapitals bedeutet. Nichtsdestotrotz können wir die einfache Tatsache hervorheben – die nun mit der Regierungsbildung noch klarer hervortritt –, dass in keiner Weise die für das Kapital wesentlichen Reformen und Maßnahmen in Frage gestellt werden. Die Unterschiede mit der vorigen Verwaltungsweise beschränken sich auf einige Brösel an die Bevölkerung und auf Maßnahmen, die das kapitalistische Wachstum energischer fördern sollen. Abgesehen von der Frage, ob solche Eingriffe überhaupt stattfinden werden, ist es eindeutig, dass ein solches Programm 1. die Bedürfnisse des Volkes nicht betrifft, sondern sogar weitere Opfer verlangt (denn wie schon erwähnt, erfordert das kapitalistische Wachstum immer Opfer von Seiten der Arbeiterklasse), 2. das Kapital und seine Macht in keiner Weise in Frage stellt, sondern stabilisiert.
Natürlich stecken hinter diesen Unterschieden auch innerkapitalistische und innerimperialistische Gegensätze. Zwischen Kapitalfraktionen im eigenen Land, als auch zwischen kapitalistischen Staaten. Man kann z.B. sagen, dass das griechische Kapital heute auch ein Interesse daran hat, dass einige Veränderungen in der allgemeinen EU-Politik eintreten, ohne natürlich den Rahmen zu ändern, der, wie schon gesagt, auch seinen eigenen Interessen momentan am Effektivsten dient. Denn selbstverständlich erlitt es auch wichtige Verluste, die es jetzt von einer relativen Position der Stärke – im Vergleich zur Zeit des Beginns der Krise – aufholen möchte. Dafür ist SYRIZA nicht nur keine Gefahr, sondern ein gutes Werkzeug, um Druck aufzubauen.
Viele Ansätze gehen davon aus, dass solche Gegensätze von einer Klassenbewegung auszunutzen wären. Die wirkliche Frage ist aber, inwiefern diese Gegensätze überhaupt das Volk betreffen. Denn es geht in keiner Weise um eine Auseinandersetzung, aus der irgendetwas für das Volk herauskommen könnte, sondern in der es um die Verwaltung und Aufteilung der Beute geht. Wenn diese Gegensätze ausgenutzt werden sollen, dann indem man sich von dieser innerkapitalistischen Auseinandersetzung deutlich abgrenzt und sich mit keinem der Polen identifiziert. Sofern sich diese Gegensätze zuspitzen, wird die selbstständige Organisation auf Basis der gemeinsamen Klasseninteressen nur zu einer noch dringenderen Aufgabe. Die Zersplitterung des Feindes kann nur durch die Ansammlung der eigenen Kräfte ausgenutzt werden. Und – um uns im Klaren zu sein – die Kräfte des Feindes bleiben nur solange zersplittert, bis sie sich gegen den gemeinsamen Feind vereinen.
Es ist wichtig zu verstehen, warum diese Auseinandersetzung das Volk nicht betrifft, weil die Illusion weit verbreitet ist, dass es ein Anliegen der Bewegung sein sollte, welche Seite dieser Gegensätze sich durchsetzen wird. Wir haben schon erklärt, dass die Macht- und Ausbeutungsstrukturen des Kapitals durch diese Auseinandersetzung in keiner Weise geschwächt werden. Aber auch darüber hinaus können wir keine Elemente feststellen, die eine Seite als „volksfreundlicher“ beurteilen ließe. Denn, wenn man die Rhetorik beiseitelassen würde, könnte man leicht erkennen, dass die Reformen und Maßnahmen, die das Kapital stärken und die Lage der arbeitenden Bevölkerung verschlechtern, weiterhin bestehen und bestehen bleiben werden, egal welche Kraft sich durchsetzen wird. Ob jetzt einige Bröseln gegeben oder einige Bündnisse mit mittleren Schichten der Lohnanhängigen und des Beamtentums wiederhergestellt werden sollen, signalisiert in keinster Weise, dass die unterdrückten Klassen selbst ihre Lage oder ihre Kampfbedingungen verbessert hätten. Im Gegenteil zielen solche Versuche (die an sich weder „links“ noch „rechts“ sind) darauf ab, das Volk an das Elend zu gewöhnen.
SYRIZA: ein Ausdruck des Bedürfnisses der Massen nach Veränderung?
Trotz der angeführten Tatsachen scheinen viele Menschen darauf zu bestehen, dass schon etwas mehr hinter SYRIZA steckt, auch wenn man akzeptiert, dass diese Partei in keiner Weise in der Lage ist, die Bedürfnisse des Volkes zu befriedigen oder mit den Interessen des Großkapitals zu brechen. Es wird behauptet, dass, was auch immer SYRIZA wirklich sei, ihr Wahlsieg eine gewisse Stimmung in der Bevölkerung repräsentiere, die sich nach wesentlicher Veränderung der Verhältnisse sehnt.
Abgesehen davon, dass dies Vermutungen sind, die keiner Verifizierung fähig sind, lässt sich fragen, wie sich das überhaupt beurteilen lässt. Eine bedeutende Menge von Menschen in Griechenland, die sich angeblich nach Veränderung – lassen wir beiseite, was darunter zu verstehen ist – sehnt, hat eine Partei gewählt, welche letztendlich nichts mehr angeboten hat als im Rahmen der EU und der Eurozone für bessere Bedingungen zu verhandeln. Die Menschen haben eine Regierung gewählt, die ihnen mehr versprochen hat als die vorige. Was ist daran bemerkenswert im Sinne einer Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse? Dass Leute sich allgemein die Veränderung einer schlechten Lage wünschen, ist selbstverständlich. Das gilt schließlich für Wähler und Wählerinnen aller Parteien, abgesehen von der verschiedenen Art und Weise der Veränderung, die sie für gut halten.
Viele meinen aber auch, dass mit ihrer Stimme die Leute ein Zeichen gegen eine in Europa herrschende Politik gesetzt haben. Dass sie sich „getraut“ haben, nicht dem Terror von bestimmten internationalen Zentren und der vorigen Regierung nachzugeben. Was haben sie sich aber denn „getraut“? Was haben sie denn gewählt? Haben sie nicht den Weg innerhalb der EU und der Eurozone gewählt? Haben sie nicht den Weg der „Verhandlung“ mit den EU-Partnern gewählt? Haben sie nicht den Weg des kapitalistischen Wachstums gewählt? Haben viele nicht bloß den Weg des kleineren Übels gewählt?
Vielleicht haben sich tatsächlich viele Wähler und Wählerinnen viel mehr erhofft. Das wissen wir nicht. Was wir aber sicher wissen – und das ist durchaus verifizierbar –, ist, dass die Stimmenstärke von SYRIZA in keiner Weise zum Kampf für die eigenen Klasseninteressen dieser Wähler und Wählerinnen beigetragen hat. Denn anders lässt sich die Tatsache nicht erklären, dass diese 2 Millionen Stimmen für die Bewegung in den letzten Jahren gleich null waren. Wo waren und wo sind denn zumindest einige Hunderttausende von den 2 Millionen Menschen, die angeblich „radikalisiert“ wurden, sich etwas „getraut“ haben, „den Kopf hochhielten“ usw.? Da schaut die Realität eher düster aus für diejenigen, die SYRIZA unterstützen, oder auch diejenigen, die ihm gegenüber eine „kritische Solidarität“ bzw. eine „solidarische Kritik“ erfordern. Denn die Realität ist, dass die PAME – die KKE nahe Gewerkschaftsfront – am 1. November letzten Jahres mit einer Demonstration und Kundgebung von 100.000 Menschen aus über 1.000 Gewerkschafts- und anderen Massenorganisationen des Volkes die seit Jahren größte und erfolgreichste Mobilisierung organisiert hat (die selbstverständlich von allen bürgerlichen, aber auch den sogenannten „alternativen“ und „linken“ Medien fast vollkommen verschwiegen oder sogar als „sektiererisch“, „parteiisch“ usw. verhöhnt und denunziert wurde). Dagegen gab es all diese Jahre keine einzige annähernd so große oder dynamische Aktivität von Seiten der Kräften von SYRIZA oder des Gewerkschaftsbunds, in dem mittlerweile diese Kräfte dominant sind. Die KKE hat 5,47% der Stimmen (338.138) und SYRIZA 36,34% der Stimmen (2.246.064) in den Wahlen gekriegt.
Die Realität ist, dass sich leider die Mehrheit der Menschen, die für SYRIZA gestimmt haben, keineswegs verändert hat oder sich irgendwelche grundlegende Veränderung wünschte. Nachdem sie von den alten Parteien enttäuscht wurden, haben sie sich „neue“ Parteien gesucht. Und gleichzeitig blieben die Gewerkschaften schwach, die Kämpfe inexistent und die Forderungen und Erwartungen niedrig. Der alte Partei- und Gewerkschaftsapparat und seine Klientel sind einfach übersiedelt. Da bräuchte man gar nicht so lange darüber zu diskutieren, ob und was sich da verändert haben soll, außer der Farben und Fahnen.
Eigentlich sollte man es für eine Verhöhnung halten, wenn einige heute behaupten, dass nach fünf Jahren von Einsparungen, Lohnkürzungen, unbezahlten Monatslöhne, massiver Arbeitslosigkeit, Beschlagnahmen, schwerer Besteuerung der Arbeiter- und Volksfamilien usw. – die sich (mit Ausnahme einiger tausender „Sektierern“) fast widerstandslos durchsetzen konnten – der Wahlsieg von SYRIZA ein Zeichen des Widerstandes des griechischen Volkes oder gar ein Erfolg der „Bewegung“ sein soll. Es ist eine Verhöhnung derselben Millionen von Leuten, die momentan nicht die Kraft oder das Bewusstsein haben sich zu widersetzen und eine leichtere Lösung suchten, denn es ist gleichbedeutend mit der Geringschätzung ihrer Bedürfnisse. Und es ist selbstverständlich auch eine Verhöhnung jener, die sich für den Kampf entschlossen und eingesetzt haben und dafür ihren Kollegen, ihren Familien, ihrer Klasse Opfer brachten, nur damit einige „linke“ Philister auf sie schimpfen können, weil sie sich nicht bereit erklären diesen Kampf im Namen der „sozialen Rettung“ aufzugeben.
Die Situation der Klassenbewegung in Griechenland
Die Klassenbewegung in Griechenland mag verhältnismäßig schwach sein (immerhin wahrscheinlich die stärkste in Europa), aber sie ist immerhin existent und in allen Bereichen präsent. Zusätzlich weist sie einen vergleichsweise hohen Grad von Organisation, Bewusstsein und Kampfbereitschaft auf; qualitative Elemente, die eine entscheidende Rolle spielen. Diese Bewegung auszubauen und in vielen Bereichen überhaupt wiederzubeleben ist das ausgesprochene unmittelbare Ziel der KKE. Sie orientiert sich auf ein soziales Volksbündnis zwischen der Arbeiterbewegung und der Klein- und Mittelbauernschaft, der Selbstständigen, der Frauenbewegung, der Studentenbewegung. Dieses Bündnis ist kein Zusammenschluss von politischen Organisationen und Parteien, sondern die selbstständige Organisation der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten. Politische Kräfte, die da einwirken möchten, können es tun, sofern sie diesen Rahmen und die Klassenorientierung akzeptieren und als Arbeiter, Bauern, Beamten, Arbeitslose, Studenten usw. beitragen möchten. Diese Organisation soll nicht das Vehikel oder Anhängsel einer Regierung sein, sondern den Keim der zukünftigen Arbeiter- und Volksmacht darstellen.
Im Parlament und anderen politischen Gremien wird diese Bewegung von der KKE repräsentiert (momentan gibt es kein Anzeichen dafür, dass es andere politische Kräfte gäbe, die das tun würden oder könnten), indem sie als Stimme der Bewegung von unten, als Opposition zur Politik des Kapitals tätig ist und nicht als derer Umsetzer im „volksfreundlichen“ Gewand. Eine Teilnahme an einer Regierung der kapitalistischen Verwaltung kommt nicht in Frage. Die einzige Regierung, an der KKE teilnehmen würde, wäre eine Volks- und Arbeiterregierung, die den bürgerlichen Staat nicht aufrechterhält und reformiert, sondern sich ihm entgegensetzt, ihn zerschlägt und durch die Organe der Volks- und Arbeitermacht ersetzt.
Was würde es nun bedeuten, wenn die KKE, die sich als Repräsentant der Klassenbewegung versteht und de facto ist, entweder an einer Regierung teilnehmen würde oder auch nur Toleranz gegenüber einer solchen zeigen würde. Man muss zunächst einfach einsehen können, dass es keine gemeinsame Basis zwischen der KKE und den Kräften des Opportunismus oder des bürgerlichen Lagers gibt. Man kann natürlich von dieser Tatsache hinwegzutäuschen versuchen, indem man frühere Programme von SYRIZA oder diverse phantasievolle Szenarien präsentiert. Es gab aber weder von SYRIZA oder irgendeiner anderen politischen Kraft das geringste Zeichen – das man vor allem in der Praxis setzen muss – einer wirklichen Annäherung an eine klassenorientierte Richtung. Auch die älteren „radikaleren“ Programme von SYRIZA haben nichts mit dem Versuch, die Arbeiter- und Volksbewegung wiederaufzubauen und den Kampf von unten zu organisieren, zu tun.
Darüber hinaus gibt es auch einen anderen Faktor. Die KKE sieht im politischen Bündnis mit opportunistischen Kräften die unmittelbare Gefahr nicht nur der Degeneration der kommunistischen Bewegung, sondern primär der Arbeiter- und Volksbewegung selbst. Und es geht nicht darum, wie die bösartigsten Kritiker meinen, dass die KKE nur die akzeptiert, die in allen Punkten mit ihr übereinstimmen. In einem muss man aber übereinstimmen, wenn man eine gemeinsame Basis haben möchte: dass es nicht darum geht, mit politischen Bündnissen und Vereinbarungen hinter geschlossenen Türen die Bewegung zu vereinnahmen, sondern darum, beizutragen, dass diese ihren Kampf und ihre Strukturen ausbaut. Worum geht es hier eigentlich? Um nichts Anderes oder „Originelleres“ als die einfachen Grundsteine der Klassenpolitik wieder zu legen. Politische Bündnisse – egal wie man allgemein dazu steht – waren nie Selbstzweck oder gar das primäre Anliegen der kämpfenden und revolutionären Arbeiterbewegung. Das Primäre war immer die Arbeit in und mit den Massen, die Organisierung ihres Kampfes, die Bewusstseinsbildung im Sinne ihrer eigenen Interessen. Es ging immer darum, die Arbeiterklasse und das Volk auf den entscheidenden Kampf vorzubereiten und die Keime zu legen, aus welchen ihre Macht erwachsen wird. Das Bewusstsein und die Organisation schmieden sich im Betrieb, auf der Straße, im täglichen Kampf gegen das Kapital und den bürgerlichen Staat. Und das ist der lange Kampf, den andere politische Kräfte nicht aufnehmen möchten, weshalb sie Lösungen präsentieren, um die Lage zu „verbessern“, indem man die Verantwortung mit der Stimme überträgt und sich selbst nicht zu rühren braucht.
Und was die Haltung gegenüber der Regierung der „Linken“, der „sozialen Rettung“ oder wie auch immer sie sich nennen lassen mag, betrifft: Die Kommunistische Partei kann und darf nicht die Rolle der „linken Sozialdemokratie“ spielen, sondern muss unter allen Umständen die Vorhut der Arbeiterklasse und der unterdrückten Volksschichten sein. Und dafür ist es essentiell, den Klassencharakter des bürgerlichen Staats und seiner Regierungen theoretisch und praktisch aufzuzeigen. Und man zeigt es nicht auf, indem man mit den Kräften des Opportunismus, der kapitalistischen Regulierung und Verwaltung packelt oder diese auch nur toleriert, sondern indem man sich der Regierung derer, die das System erhalten wollen, widersetzt und sich keiner Regierung im Namen irgendwelcher leeren Versprechen schenkt. Wollen und können die regierenden Kräfte etwas machen, dann sollen sie es machen. Aber die Fahne der Klasse wird weder eingeholt, noch ersetzt. Wer ein Problem damit hat und die Bewegung als Anhängsel einer Verwaltung des Systems haben möchte, der hat ein Problem mit den Interessen und Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung selbst und gehört bekämpft und enttarnt. Die selbsttätige und selbstständige Organisation der Arbeiterklasse und des Volkes schuldet niemandem etwas. Und hat keinen Grund jemanden zu unterstützen. Wer will, kann diese unterstützen. In der Tat. Weil jede politische Kraft wird an ihren Taten gemessen.
Von Georgios Kolias.