Für Gewöhnlich merkt man in der Öffentlichkeit erst im Herbst während der großen Kollektivvertragsverhandlungen etwas von schlechten Arbeitsbedingungen, zu wenig Lohn und unsicheren Verträgen. Zu einem ernst zu nehmenden Streik kommt es in den meisten Fällen nicht, es herrschen ja die Sozialpartnerschaft und der damit verbundene „Arbeitsfrieden“. Diese erfüllen den Zweck, dass „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ friedlich auf einen grünen Zweig kommen. Doch das widerspricht sich von Grund auf. ArbeiterInnen und Kapitalisten haben komplett unterschiedliche Interessen, somit ist die Sozialpartnerschaft bloß ein Konstrukt um Arbeitskämpfe zu verhindern. Doch das dieses System nichts anderes ist, als ein Beschiss der ArbeiterInnenklasse zeigt sich daran, dass innerhalb kurzer Zeit einige wichtige Proteste erwacht sind.
Streik bei SPAR
In der Schweiz kam es im Juni zu einem Streik im Einzelhandel: dem längsten Streik, den es in der Schweiz im Einzelhandel je gegeben hat. Elf Tage streikte die Belegschaft, beinahe nur Frauen, eines SPAR-Tankstellenshops in Dättwil, Kanton Aargau. Über ein Jahr lang hatten die 21 Angestellten die schlechten Arbeitsumstände, angefangen von überdurchschnittlich niedrigem Lohn, permanentem Personalmangel bis hin zur fehlenden Klimaanlage bemängelt, doch die Geschäftsleitung hat auf stur geschaltet. Die Schichtleiterin, welche seit fünf Jahren dort arbeitet, verdiente trotz 100% Anstellung und massiven Überstunden nur 3.800 Franken! Der von der Gewerkschaft Unia geforderte Mindestlohn liegt allerdings bei 4000 Franken. Dem Lehrmeister, der ebenfalls Schichtleiter ist, erging es genauso – 3.800 Franken im Monat!
Der Streik hat hohe Wellen geschlagen: Es gab ein Solidaritätsfest mit über 300 TeilnehmerInnen, Solidaritätserklärungen verschiedenster Organisationen und Gewerkschaften. Nachdem die Geschäftsleitung von SPAR zwei Verhandlungstermine platzen ließ, einmal beim ausgemachten Termin nicht erschienen ist und beim zweiten einfach während der Verhandlung abhaute, erhöhte sie den Druck auf die Behörden so, dass der Streik polizeilich geräumt wurde. Das Recht auf Streik wurde also vom bürgerlichen Gericht aufgrund von „Hausfriedensbruch“ einfach außer Acht gelassen – keine Überraschung!
Repression als Antwort auf Protest
Die streikende Belegschaft wurde fristlos entlassen, darunter junge Mütter und Lehrlinge: mit freundlichen Grüßen, die Spar Geschäftsleitung. Die Kündigung und Kündigungsdrohungen sind auch die einzigen Briefe, die die Streikenden je von den Vorgesetzten erhalten haben. Wie man sieht, hat die Sozialpartnerschaft versagt. Die Geschäftsleitung ließ nicht einmal mit sich reden, geschweige denn wurden die Interessen der Arbeitenden in den Gesprächen berücksichtigt. Hingegen hat der Streik für das gesorgt, wovor sich SPAR und die herrschende Klasse am meisten fürchten: die Arbeitenden organisieren sich.
Arbeitskampf im Wiener AKH
Aber nicht nur in der Schweiz braut sich Widerstand gegen die ausbeuterischen Verhältnisse zusammen: Auch bei uns in Wien beginnen sich die Arbeitenden zu sammeln und zu organisieren. Hier in Form der Initiative Übernahme. Es handelt sich dabei um eine Plattform der Leiharbeitsfirma AGO. Diese Firma vergibt an das allgemeine Krankenhaus unter schlechten Arbeitsbedingungen, gerade was eine sichere Zukunftsperspektive und geregelte Arbeitszeiten und ‑abläufe angeht. Die Initiative Übernahme wurde gegründet, weil den 350 ReinigungsarbeiterInnen am AKH in einem Jahr die Entlassung droht – insgesamt betroffen könnten bis zu 1000 KollegInnen sein. Von der Gemeinde ist der Austausch des Leihpersonals gegen jenes einer Reinigungsfirma geplant; die ArbeiterInnen der AGO kämpfen aber für eine Anstellung als Gemeindebedienstete, da diese nicht so prekär ist. An den miserablen Umständen und der Unterbindung von Protest sind nicht nur Firmen- und AKH-Leitung schuld, sondern die Behörden und Politiker genauso. Sehr deutlich wurde das bei der Protestkundgebung am 25. Juni vorm Wiener Rathaus. Es sollte eine Unterschriftenübergabe stattfinden; Unterschriften gegen eine Entlassung der LeiharbeiterInnen im AKH. Offenbar von der Rathausspitze beauftragt, ließen die Securities nur zwei Leute der Protestaktion ins Gebäude. Die Verantwortlichen in der Stadt Wien verbieten somit denjenigen, die als Leiharbeiter FÜR die Gemeinde arbeiten das, was jeder Schulklasse und Touristengruppe erlaubt ist: den Zutritt zum Rathaus.
Was macht den Bossen Dampf?
Auch in Wien stößt die Sozialpartnerschaft auf ihre Grenzen: durch Gespräche und Bitten hat die Belegschaft nichts erreichen können, jeder Schritt musste erkämpft werden. Wenn die LeiharbeiterInnen der AGO nicht bald ernst genommen werden, bleibt nur noch eine Möglichkeit: der offene Arbeitskampf.
Klassenkampf!
Wir haben gesehen, dass die Sozialpartnerschaft keine Option ist, wenn es um die Verwirklichung der Interessen der ArbeiterInnen geht. Doch es gibt eine Alternative zu ihr: den Klassenkampf. Gerade in den jungen und bisher schlecht organisierten Branchen von Einzelhandel und Leiharbeit sollte deshalb mit dem Aufbau einer klassenkämpferischen Interessenvertretung begonnen werden. Auf die Heuchelei der Sozialpartnerschaft dürfen wir uns nicht verlassen!