Einsichten und Aussichten nach der Wahl in Ottakring

Eine Einschätzung von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA), zur PdA-Kandidatur in Wien-Ottakring

Mit 0,21 Prozent der Stimmen bedeutet das PdA-Wahlergebnis bei der Ottakringer Bezirksvertretungswahl 2020 eine kleine Steigerung gegenüber jenem Ergebnis vor fünf Jahren, das damals die Liste „Partei der Arbeit – Solidaritätsplattform“ im 16. Wiener Gemeindebezirk erreicht hat. Es ist weniger, als die Optimisten erhofft, und mehr, als die Pessimisten befürchtet haben. Würde die PdA ihre Kandidatur streng mathematisch und oberflächlich anhand von Stimmenzahlen bewerten, so wäre dieser Anteil nicht unbedingt ein bahnbrechender Erfolg, zumal der Zuwachs von 0,03 Prozentpunkten sich nicht nur in Grenzen hält, sondern auch von einem niedrigen Niveau ausgeht. Die absolute Stimmenzahl der PdA ist gegenüber 2015 exakt gleichgeblieben, was nicht gerade alltäglich und statistisch amüsant ist – aber auch politisch relevant angesichts einer massiv gesunkenen Wahlbeteiligung.

Bei den Wahlen 2015 war die PdA noch in sechs Bezirken angetreten, was trotz aktiver Beteiligung migrantischer Organisationen an diesen BV-Kandidaturen damals unsere Ressourcen und Kräfte überschritten hat. Zwar konnte man es als Erfolg werten, dass die PdA für rund 40 Prozent aller Wiener Wahlberechtigten auf den jeweiligen Bezirksebenen wählbar war, also auf den Stimmzetteln stand. Diese Menge, inklusive großflächiger Bezirke wie Donaustadt, Favoriten und Simmering, war jedoch „wahlkampftechnisch“ nicht zufriedenstellend zu bewältigen, nicht zu „bespielen“. Die Resultate waren mit 0,10 Prozent (Donaustadt) bis 0,18 Prozent (Ottakring) bescheiden. Wir haben daher für 2020 den Schluss gezogen, die Kandidatur auf einen Bezirk zu beschränken und dort die limitierten personellen, materiellen und finanziellen Ressourcen zu konzentrieren. Damit stand man freilich auch nur noch für etwas mehr als fünf Prozent der Wiener Wahlberechtigen auf dem gelben Stimmzettel.

Für unsere Wahlkampfaktivitäten vor Ort, auf den Straßen Ottakrings, war diese Entscheidung richtig: Wir haben in diesem Bezirk diesmal recht weiträumig zigtausende, professionell erstellte Materialien der PdA unter das Volk gebracht, Infotische strategisch platziert und eine nicht unauffällige motorisierte Demo von der U‑Bahn-/Schnellbahnstation Ottakring zum Gürtel durchgeführt. Wir haben mit einer markanten dreiteiligen Plakatreihe darauf orientiert, die PdA zumindest einmal sichtbar zu machen. Denn darum ging es ja auch primär: Nicht um Stimmenmaximierung, um ein Bezirksratsmandat zu erlangen – das wäre natürlich unrealistisch gewesen und entbehrte jeder Grundlage –, sondern darum, die öffentliche Wahrnehmung der PdA zu erhöhen; es ging darum, Aufmerksamkeit zu lukrieren, um sodann ins Gespräch zu kommen, in Erinnerung zu bleiben, die Menschen mit der PdA zumindest bekannter zu machen, in weiterer Folge auch vertraut, um sie an uns heranzuführen. Das schlägt sich natürlich nicht unmittelbar in Wählerstimmen nieder, sondern ist die notwendige existentielle Basis für eine weitere politische Tätigkeit, die auf nachhaltige Resonanz stößt. Schließlich sollen am Ende Mobilisierung, Aktivierung und Organisierung stehen.

Neben den Verteilungen, Plakatierungen und Briefkastenbestückungen haben wir diesmal auch einen recht umfassenden und täglich aktualisierten Online-„Wahlkampf“ geführt – über unsere Website, unsere Social-Media-Kanäle und erstmals auch begleitet durch unser neues Portal der „Zeitung der Arbeit“. Reichweiten, Zugriffszahlen, (vornehmlich positive) Rückmeldungen und Multiplikationen zeigen, dass wir damit zigtausende Menschen erreichen, was von unschätzbarem Wert ist. Natürlich ist das Internet aber ein weitstreuendes Massenmedium, wir erreichen Menschen von Südamerika bis China und einen besonders hohen Anteil aus sprachlichen Gründen natürlich in der BRD – das ist erfreulich, denn die Information und Aufklärung der Arbeiterklasse ist eine internationale Aufgabe der kommunistischen und Arbeiterparteien. Doch wir bauen freilich eine österreichische Partei auf – und kandidierten lediglich in Ottakring. Dies bedeutet zum einen, dass ein einzelner Bezirkswahlkampf im eigentlichen Sinn freilich nicht online zu führen ist – nur ein minimaler Bruchteil der erreichten Menschen lebt in Ottakring, und wiederum nur die Hälfte von diesen war auch wahlberechtigt. Das impliziert: Auch der beste Online-Auftritt kann – trotz geografisch gesteuerter Zielgruppenwerbung, die wir erfolgreich angewendet haben – rein statistisch nur limitierten Einfluss auf das Ergebnis einer Wahl nehmen, die nur weniger als ein Prozent der österreichischen Bevölkerung betrifft, wie bei der Ottakringer Bezirksvertretungswahl eben der Fall. Doch, nochmals: Darum ging es ja nicht. Die Wahl in Ottakring war lediglich unser Anlass und unser Mittel, um eben grundsätzlich möglichst viele Menschen zu erreichen und unter diesen die PdA bekannter zu machen, egal ob sie in Vorarlberg oder im Burgenland leben, egal ob sie in Österreich wahlberechtigt sind oder nicht. Und das ist der PdA im Zuge der letzten Wochen in deutlich größerem Ausmaß gelungen als jemals zuvor seit 2013. Das ist die externe Habenseite.

In inhaltlicher Hinsicht hat sich die PdA im Wiener Wahlkampf zu keinerlei Opportunismus oder Reformismus hinreißen lassen. Ihre Gremien sowie ihre Aktivistinnen und Aktivisten sind ideologisch gefestigt und wissen, worum es wirklich geht. Die Stoßrichtung unserer Präsentation und unserer Materialien orientierte auf die Herausstellung des unverwechselbaren Alleinstellungsmerkmals der PdA als marxistisch-leninistische, revolutionäre Partei der Arbeiterklasse, deren Ziel die Überwindung des Kapitalismus und der bürgerlichen Herrschaft ist – nicht die Teilhabe daran und nicht ihre „Verbesserung“. Aber damit verlangen wir natürlich auch viel mehr von potenziellen Sympathisanten, Wählern und zukünftigen Mitgliedern als reformistische Wahlparteien und ‑projekte, die illusionäre Versprechungen abgeben und Almosenpolitik betreiben. Diesen politischen Akteuren geht es um die Erringung von Mandaten, um in Regional- und Lokalparlamenten paternalistische „Lösungen“ anbieten zu können. Wir hingegen setzen auf die Entwicklung revolutionären und sozialistischen Bewusstseins im Zuge der selbstständigen Aktivität der Arbeiterklasse. Und dabei sind wir offenkundig erst am Anfang. Die PdA wurde vor sieben Jahren gegründet, weil die KPÖ die revolutionäre Zielsetzung und Organisierung der Arbeiterklasse längst aufgegeben hat, SPÖ und ÖGB noch länger, weswegen hierfür handfeste Grundlagen und Ansatzpunkte fehlen. Insofern haben wir eine große Aufgabe und eine große Verantwortung übernommen, die uns niemand abnehmen wird, zumal es niemand will und kann. Ironischer Weise hat die Wiener „Links“-Kandidatur mit ihrem engagierten, aktiven und kreativen Wahlkampf (und mit dem hundertfachen Budget der PdA), was gewissermaßen verdientermaßen im Gewinn einer beachtlichen Zahl an Bezirksratsmandaten mündete, die Notwendigkeit unseres Weges geradezu unterstrichen. Wenn man sich bei „Links“ nicht zu ungeschickt anstellt und die Trauer über den großspurig angekündigten, aber nun deutlich verpassten Gemeinderatseinzug überwindet, so könnte sich hier der Linksreformismus mit den nun gegebenen finanziellen und funktionellen Möglichkeiten mittelfristig etablieren – gleichzeitig markiert dies womöglich das nahende Ende der KPÖ, die ihr „K“ aber ohnedies längst ohne substanzielle Bedeutung trägt: Sie wird nicht mehr benötigt und selbst bestenfalls zum opportunistischen Anhängsel werden. Umso sichtbarer wird, dass die PdA die einzige Alternative für den revolutionären Klassenkampf und den Sozialismus ist. Man könnte aus unserer Sicht auch sagen: Danke für die Mitarbeit. Und, ja, Gratulation zu den Bezirksräten. – Doch wir wollen uns auf unsere Entwicklung konzentrieren, die ja auf ein gänzlich anderes „Projekt“ als „Links-KPÖ“ abzielt.

Intern hat die Ottakringer Bezirkskandidatur in der PdA-Mitgliedschaft eine Mobilisierung gebracht. Nach der zuletzt nicht mehr zufriedenstellenden Situation der Wiener Grundorganisationen hat der letzte Parteitag im Dezember vergangenen Jahres beschlossen, eine Reorganisierung auf Zellenbasis vorzunehmen. Die neu konstituierten Wiener Zellen und ihre Aktivisten haben sich in den zurückliegenden Wochen und Monaten großteils bewährt, sie haben maßgeblich für die Sammlung der Unterstützungserklärungen gesorgt – unter schwierigen Bedingungen –, für den Straßen- und Häuserwahlkampf, für das Sichtbarmachen der PdA und ihrer Positionen. Unterstützung kam hierbei von Mitgliedern aus anderen Bundesländern, insbesondere Niederösterreich und Oberösterreich, sogar aus Tirol. Die Redaktion der ZdA leistet seit Start der Online-Zeitung im April dieses Jahres Beachtliches und ist dafür verantwortlich, dass Aktualität, Qualität und Verbreitung unsrer Inhalte konstant hohes Niveau haben. Ebenfalls bewährt haben sich die seit dem letzten Parteitag amtierenden Leitungsgremien, d.h. der Parteivorstand und v.a. dessen Sekretariat. Hier wurde, wie auch von unserem Ottakringer Spitzenkandidaten, durchwegs verantwortungsvoll, diszipliniert, zielsicher und nicht zuletzt mit großem Einsatz und Aufwand gearbeitet, was keine Selbstverständlichkeit für ehrenamtliche Funktionäre ist, aber eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende marxistisch-leninistische Partei in unserem Entwicklungsstadium. Unterm Strich hat die Kandidatur in Ottakring innerhalb der Partei das bewirkt, was die Zielsetzung war: Die Festigung des Aktivistenkerns in den Zellen, die Mobilisierung einiger brachliegender Ressourcen, die Förderung kameradschaftlicher und verantwortungsbewusster Parteiarbeit. Trotzdem ist nicht zu leugnen, dass immer noch zu viel Arbeit auf zu wenigen Schultern lastet. Das bedeutet, dass neben dem weiteren Aufbau der PdA um ihren aktiven Kern auch deren Verbreiterung und die Kaderentwicklung voranzutreiben sind.

Manches wird ein bisschen schneller gehen müssen: Wir befinden uns in der größten kapitalistischen Krise seit dem Zweiten Weltkrieg – und die Frage ist, wer dafür bezahlt. Geht es nach dem Kapital und seinen herrschenden politischen Parteien, dann ist es die Arbeiterklasse, und sie tut es ja bereits: durch Einkommensverluste, soziale Unsicherheit, Arbeitslosigkeit, Verteuerung des Lebensunterhalts und drohende Armutsgefährdung. Dagegen braucht es Widerstand, der sich nicht auf Anträge in parlamentarischen Vertretungskörpern, „sozialpartnerschaftliche“ Bittgesuche oder reformistische Wunschzettel reduziert. Diese Einsicht war Teil unseres Wahlkampfes, weil sie nun umso mehr gilt: Die betroffenen Arbeitenden und Arbeitslosen müssen die Bevormundung und Irreführung durch die SPÖ- und ÖGB-Führung ablegen, selbst kämpferisch aktiv werden und für ihre eigenen Interessen eintreten. Die PdA bietet an, hierbei zu helfen und sich, nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten, in die Frontlinie zu stellen, mit der Klasse und für die Klasse. Die Arbeiterinnen und Arbeiter lernen in den Kämpfen ihre Kraft erfolgreich anzuwenden, sie werden aber auch lernen, dass der Abwehrkampf in die Offensive führen muss. Denn die Krise entwickelt sich nicht aufgrund einer Virusepidemie oder eines Lockdowns, sondern auf Basis der Grundgesetze des Kapitalismus, auf Basis der Ausbeutung und Unterdrückung. Man wird schließlich die Ursache bekämpfen müssen, nicht nur Symptome. Diese Ursache ist die Krankheit des parasitären Kapitalismus, die unweigerlich auszurotten ist. Diese Wahrheit gilt vor, während und nach Wahlen, weswegen sie von der PdA in der Arbeiterklasse zu verbreiten ist, während jedoch die Kämpfe um die Tagesinteressen unvermindert geführt werden.

Seit ihrer Gründung im Jahr 2013 hat die PdA keine lineare Entwicklung aufzuweisen, aber doch mancherlei Erfolge und Fortschritte zu verzeichnen, einige davon in den letzten acht, neun Monaten. Sie ist in den Bundesländern gewachsen und kann auf neue Strukturen zurückgreifen, in Niederösterreich seit Jänner 2020 sogar auf die Tribüne eines Gemeinderatsmandats. Sie hat ihre Medienarbeit optimiert, sowohl in den Online-Auftritten als auch bezüglich Theoriemagazin und Zentralorgan im Printbereich, dessen erste Ausgabe nach dem Relaunch bald erscheinen wird. Die PdA ist auf europäischer und internationaler Ebene gut etabliert in der Gemeinschaft der kommunistischen und Arbeiterparteien, wo sie als österreichische Vertreterin angesehen und anerkannt ist – sie ist Teil einer Weltbewegung. Sie hat funktionierende Leitungsgremien und handlungsfähige Grundorganisationen, die auf Basis der Prinzipien des Marxismus-Leninismus arbeiten. Das ist gut, aber natürlich alles noch ausbaufähig und verbesserbar. Was im Kleinen funktioniert, muss nun größer werden.

Auch die Ottakringer (Wahl-)Kampagne reiht sich ein in die – zugegeben – kleinen Schritte, die in die richtige Richtung führen: Zum weiteren Auf- und Ausbau der Partei und deren Verankerung in der österreichischen Arbeiterklasse, als Voraussetzung der Organisierung der revolutionären Kräfte für den Klassenkampf und dessen Höhepunkt, die sozialistische Revolution. Dafür braucht es auch keinen „Auftrag“ durch Ergebnisse bürgerlicher „Demokratie“- und Wahlinszenierungen, sondern diesen Auftrag hat die Geschichte erteilt – der Arbeiterklasse und ihrem Werkzeug, der marxistisch-leninistischen Partei, deren Entwicklung und Bereitstellung unsere Aufgabe ist und bleibt.

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