Die Lähmung der österreichischen Arbeiterklasse und der Einfluss der Arbeiteraristokratie

Beitrag der Partei der Arbeit Österreichs (PdA) am Treffen der Europäischen Kommunistischen Aktion (EKA): „Über die Situation der Arbeiterrechte in Europa und die Erfahrungen des kommunistischen Kampfes“, 12. April 2024, Athen.

Die sozialen und politischen Rechte der Arbeiterklasse werden in Österreich permanent angegriffen und abgebaut. Es macht dabei keinen Unterschied, welche bürgerliche Partei an der Regierung beteiligt ist bzw. diese anführt. Die Gegenwehr der Arbeiterklasse ist sehr eingeschränkt. Die Ursache dafür hat historische Gründe und hat auch mit der Schwäche der kommunistischen Bewegung in Österreich zu tun.

1945 am Ende des zweiten imperialistischen Weltkrieges wurde unter dem Eindruck der faschistischen Diktatur und des Widerstandes gegen den Faschismus der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und seine Teilgewerkschaften als Einheitsgewerkschaft von Vertretern der Kommunistischen Partei Österreichs, der Sozialdemokratie und der Christlich-Sozialen gegründet. Einer der ersten Schritte der Spaltung des ÖGB war die Durchsetzung eines politischen Fraktionssystems durch Sozialdemokraten und Christlich-Soziale. Die Kommunistinnen und Kommunisten lehnten dieses ab und verzichteten auf die Gründung einer eigenen politischen Fraktion im ÖGB. Stattdessen initiierte sie die Gründung der Fraktion Gewerkschaftliche Einheit im ÖGB. Der Einfluss der Kommunistinnen und Kommunisten im ÖGB blieb beschränkt und wurde von den sozialdemokratischen und christlich-sozialen Gewerkschaftsführern schnell zurückgedrängt und eingeschränkt.

Als es im Oktober 1950 zu spontanen Streiks und Arbeitsniederlegungen aus Protest gegen den vierten Lohn-Preispakt kam, war die Gewerkschaftliche Einheit die einzige Fraktion, die die Streiks unterstützte. Die sozialdemokratische Parteiführung und die Arbeiteraristokraten im ÖGB stellten stattdessen bewaffnete Schlägertrupps auf, um die Streiks niederprügeln zu lassen. Zugleich wurde die Streikwelle, die die letzte größere Erhebung der österreichischen Arbeiterklasse gegen das System der sogenannten Sozialpartnerschaft war, von den bürgerlichen Parteien und in der bürgerlichen Presse als kommunistischer Putschversuch verunglimpft. Als der Streik schließlich zusammenbrach, wurden zahlreiche Kommunistinnen und Kommunisten aus dem Österreichischen Gewerkschaftsbund ausgeschlossen, darunter Widerstandskämpfer und Gründungsmitglieder des ÖGBs.

In den folgenden Jahrzehnten waren die Kommunistinnen und Kommunisten im Österreichischen Gewerkschaftsbund endgültig in eine Minderheitenposition gedrängt worden. In wichtigen Industriebetrieben konnten die Kommunistinnen und Kommunisten allerdings Positionen verteidigen und punktuell gelang es immer wieder etwa durch Streiks und Arbeitskämpfe die Isolation in Folge des Fraktionssystems zu durchbrechen. Das System der Sozialpartnerschaft konnte allerdings nicht durchbrochen werden.

Die Konterrevolution in den sozialistischen Staaten in Europa und die Niederlage der Arbeiter- und kommunistischen Bewegung hat ihr Übriges dazu beigetragen, dass die Kommunistinnen und Kommunisten heute kaum noch vertreten sind im Österreichischen Gewerkschaftsbund und ihr Einfluss marginal ist. Die Arbeiteraristokratie ihrerseits hat die Situation genutzt, um den ÖGB weiter zu entdemokratisieren und ihre Kontrolle über den ÖGB zu festigen. Jegliche Form von Betriebszellen oder ‑organisationen wurden von der Arbeiteraristokratie aufgelöst. Mitglieder in der Gewerkschaft haben keinerlei Möglichkeiten, auf den ÖGB Einfluss zu nehmen. Der ÖGB selbst stützt sich nur noch auf die gewählten Mitglieder in den Betriebsräten in den Betrieben. Die Delegierten für Kongresse des ÖGBs werden von den gewählten Mitglieder in den größten Betriebsräten handverlesen, sodass sich auf den Gewerkschaftskongressen real die Situation ergibt, dass die Arbeiteraristokratie sich selbst in Funktionen wählt und ihre eigene Politik absegnet.

Wie es um die sozialen und politischen Rechte der Arbeiterklasse in Österreich bestellt ist und welche Rolle der ÖGB dabei spielt, lässt sich am deutlichsten am Beispiel der Einführung des 12 Stunden Arbeitstages vor einigen Jahren zeigen. Im Wahlkampf vor der Abschaffung des 10 Stunden Tages forderten alle bürgerlichen Parteien inklusive der sozialdemokratischen Partei die Einführung des 12-Stunden-Arbeitstags, die Arbeiteraristokratie in ÖGB und Arbeiterkammer schwieg dazu. Nach der Wahl wurde eine Regierung aus der konservativen Volkspartei und Freiheitlichen Partei gebildet, welche schließlich den 12 Stunden Tag einführt.

Die sozialdemokratische Führung des ÖGB polemisierte wochenlang gegen den frontalen Angriff auf die Arbeiterklasse. Tatsächlich beließ sie es aber dabei, eine symbolische Großdemonstration in Wien zu organisieren, zu der Delegationen aus Betrieben in ganz Österreich mobilisiert wurden und an der rund 100.000 Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter teilnahmen. Die Organisation eines Arbeitskampfes, politischer Streiks oder eines Generalstreiks wurde unterlassen, sodass die Regierung ohne ernsthaften Widerstand in den Betrieben das Gesetz im Parlament beschließen konnte. Lediglich in einigen großen Betrieben wurden die Möglichkeiten zur Anwendung des 12 Stunden Arbeitstages durch Vereinbarung zwischen Betriebsleitung und Arbeiteraristokratie auf Betriebsebene eingeschränkt.

Liebe Genossinnen und Genossen,

In Österreich stellt sich die Situation so dar, dass die Arbeiterklasse und ihre Gewerkschaft sich in einer vollständigen Umklammerung durch die Arbeiteraristokratie befindet. Jede Tradition von Betriebszellen oder ‑organisationen wurde nachhaltig zerstört. Die Arbeiterklasse steht den Angriffen auf ihre sozialen und politischen Rechte weitestgehend gelähmt gegenüber. Insbesondere jüngere Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter verfügen über kaum oder keine Erfahrung mit Arbeitskämpfen und Streiks. Im Zeitraum von 2012 bis 2021 gab es pro 1.000 Beschäftigte durchschnittlich einen Streiktag im Jahr.

Im vergangenen Herbst hat sich das begonnen, zu ändern. Die anhaltende Teuerung und Inflation hat der Arbeiterklasse auch in Österreich viel abverlangt. Österreichs Beschäftigte sowie Pensionistinnen und Pensionisten haben 2022 und 2023 durch die Inflation rund 10,4 Milliarden Euro verloren. War es der Arbeiteraristokratie 2022 noch weitestgehend über Betriebsversammlungen und Demonstrationen gelungen, die Situation bei den jährlichen Lohnverhandlungen im Herbst unter Kontrolle zu behalten, gab es im Herbst 2023 für österreichische Verhältnisse eine regelrechte Streikwelle. Trotz zahlreicher Warnstreiks wurde jedoch alles unternommen, dass es nicht in mehreren Branchen zeitgleich zu einem Streik kommt und sich das Konfliktpotential vervielfacht.

Die Partei der Arbeit Österreichs beteiligt sich an allen Aktivitäten der Beschäftigten, zu denen der ÖGB aufruft und unterstützt die wenigen stattfindenden Arbeitskämpfe und gewerkschaftlichen Demonstrationen solidarisch. Insbesondere in den Branchen, in denen wir Mitglieder haben, intervenieren wir direkt und treten für eine klassenorientierte Politik, für die Einheit der Arbeiterklasse abseits der Spaltung in politische Fraktionen ein. Wir kritisieren die sozialpartnerschaftliche Politik der Arbeiteraristokratie in den Betriebsräten und in der Gewerkschaftsführung.

Ziel ist es, unsere Verankerung in den Betrieben zu stärken, mit dem Ziel der Bildung von Betriebszellen und ‑organisationen. Langfristig muss es uns gelingen, klassenorientierte gewerkschaftliche Strukturen in den Betrieben und im ÖGB zu bilden, um die Lähmung der Arbeiterklasse zu durchbrechen und die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung zu reorganisieren.

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