Kommentar von Georgios Kolias, Internationaler Sekretär der Partei der Arbeit Österreichs
Regierungen mögen kommen und gehen, aber die Staatspolitik bleibt konstant, wenn es um die strategischen Interessen des Großkapitals geht. Wie vor 2 Jahren sollen im Juni dieses Jahres wieder US-Streitkräfte unser Land durchqueren, um an der Militärgroßübung „Saber Guardian“ teilzunehmen. Es sollen 400 Fahrzeuge und um die 1.500 Soldaten der US Army Europe im Laufe mehrerer Tage Österreich durchfahren. An dieser US-geführten Übung nehmen auch die Streitkräfte von Bulgarien, Kroatien, Ungarn, Rumänien, Slowenien und Nordmazedonien teil. Die gesetzliche Grundlage für diese offensichtliche Verletzung der Neutralität Österreichs ist das 2001 verabschiedete „Truppenaufenthaltsgesetz“. Dieses von der ersten Schüssel-Regierung (ÖVP-FPÖ) eingebrachte und beschlossene Gesetz, das aber von den folgenden Regierungen SP-geführten Regierungen nie aufgehoben wurde (schließlich fand die letzte solche Durchfahrt im Juni 2017, also unter der Regierung Kern statt), erlaubt den zeitlich unbestimmten („vorübergehend“) Aufenthalt von ausländischen Streitkräften auf österreichischem Hoheitsgebiet.
Aber warum sollte eigentlich die werktätigen Menschen in Österreich kümmern, dass hunderte Militärfahrzeuge und eineinhalb Tausend US-Soldaten das Land betreten, um an einer Militärübung im Balkan teilzunehmen? Gibt es nicht dringendere Probleme? Ist nicht grad eine „Staatskrise“ im Gange? Natürlich, wenn man glaubt, dass Militärübungen nur Spiel oder Zeitvertreib für Militärs sind, die keine reelle Bedeutung haben, braucht man sich nicht darum zu scheren. Wenn man glaubt, dass dies nicht Teil der Verschärfung der innerimperialistischen Gegensätze ist, die uns immer näher zu einer allgemeineren kriegerischen Auseinandersetzung führt, dann mag das Ganze wie eine Lappalie erscheinen. Aber wir wissen sehr wohl, dass sich damit unser Land an imperialistischen Machenschaften beteiligt. Es ist offenkundig, dass Österreich dem US-Imperialismus Erleichterungen anbietet und ihm seinen Dienst erweist. Es ist klar, dass dies Konsequenzen nicht irgendwo in weitentfernten Teilen der Welt hat, die uns angeblich nicht betreffen, sondern in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, nämlich am Balkan und in Osteuropa. Also dort wo auch die österreichischen Monopolgruppen, wie Raiffeisenbank, Erste Bank, Strabag, OMV, Magna, Interessen haben und den Prozess der EU- und NATO-Erweiterung aktiv unterstützen. Ja, man kann es ignorieren, aber Tatsache ist, dass Blut auch an österreichischen Händen klebt, nämlich den Händen des österreichischen Kapitals und seines politischen Personals.
Zu erwarten ist, dass keine der an den kommenden EU-Wahlen antretenden Parteien dieses Thema ernsthaft aufgreifen wird. Schließlich sind sich alle wahlwerbenden Parteien mindestens in einem Punkt einig: das Verbleiben Österreichs in der EU und anderen imperialistischen Bündnissen und Vereinigungen. Egal ob rechts oder „links“, „liberal“ oder „illiberal“, nationalistisch oder kosmopolitisch stellt sich für keine Partei – von der FPÖ bis zu KPÖ-Plus – die Frage eines wirklichen Bruchs mit der EU und allen imperialistischen Bündnissen. Damit erübrigt sich in Wirklichkeit schon jede Diskussion über eine tatsächliche Neutralität Österreichs. Dieser Konsens widerspiegelt schließlich nichts anderes als die strategischen Interessen des österreichischen Monopolkapitals. Nicht zufällig beteiligt sich Österreich auch an PESCO (Ständige Strukturierte Zusammenarbeit), dieser nächste Schritt zur Bildung eines EU-Heeres, um den Interessen der europäischen Monopolgruppen auch geballt gewaltsam zu dienen. Dass dies nichts mehr mit Neutralität zu tun haben kann, ist jedem vernünftigen Menschen klar. Dass auch US-Streitkräfte das Land durchfahren, erscheint somit vielen wahrscheinlich tatsächlich als eine Nebensächlichkeit.
Aber Widerstand ist geboten und möglich. Ja, Österreich ist ein kleines Land und die USA oder die „Großen“ der EU sehr mächtig. Aber die einzige wirkliche Supermacht sind die Völker. Ihr Kampf kann die imperialistischen Pläne verderben. In diesem Kampf kann und muss die Arbeiterklasse, auch in Österreich, vorreitend sein. Und es stellt sich auch konkret die Frage: wäre es auch nicht die Aufgabe der Gewerkschaften dagegen anzukämpfen? Wäre es nicht geboten und der Geschichte der österreichischen kämpferischen Arbeiterbewegung würdig, dass man diese Durchfahrt mit Protesten, Autbahnblockaden, Streiks in entsprechenden Sektoren, Verweigerung von Dienstleistungen zu verhindern suche? Sicher ist das wahrscheinlich etwas zu viel verlangt von einer Gewerkschaftsführung, die eigentlich untätig und kampflos die Verlängerung und Flexibilisierung der Arbeitszeit hingenommen hat, aber unter anderen Kräfteverhältnissen sehr wohl möglich. Und was ist mit anderen Kräften? Wäre es nicht auch an der Zeit, dass jene sich als patriotisch, fortschrittlich, demokratisch und der sich der in der Verfassung festgeschriebenen immerwährenden Neutralität verpflichtete verstehenden Kräfte im Österreichischen Bundesheer ihre Stimme erheben? Wäre es nicht ihre Pflicht – vom einfachen Grundwehrdiener bis zum hochrangingen Offizier – ihren Gegensatz zum Ausdruck zu bringen, nicht nur zu solchen Aufenthalten und dem „Truppenaufenthaltsgesetz“ selbst, sondern auch zur Beteiligung des Bundesheeres an PESCO, der NATO-Partnerschaft und imperialistischen Auslandseinsätzen? Offenbar ist das auch zu viel verlangt, wenn man bedenkt, dass das Bundesheer in den letzten Jahrzehnten immer stärker in den imperialistischen Strukturen der NATO und der EU eingebunden wurde und jungen Menschen Auslandseinsätze als coole und gutbezahlte Erfahrungen zu verkaufen versucht.
Die Neutralität hat offenbar für die Staatspolitik Österreichs und die wechselnden bürgerliche Regierungen keine reelle Bedeutung. In Wirklichkeit gibt es keine österreichische Neutralität. Aber für viele Leute bedeutet sie etwas und wird als eine wichtige Errungenschaft des vorigen Jahrhunderts angesehen. Aber nur wenn man diese auch mit Taten kämpferisch einfordert, kann sie wieder eine Bedeutung haben. Natürlich hat in der heutigen Welt Neutralität eh keinen Platz. Die Interessen derjenigen, die die Macht in diesem Land und Kontinent tatsächlich innehaben, also der Großkapitaleigentümer, sind untrennbar mit der Beteiligung an imperialistischen Bündnissen und Unternehmungen verbunden. Besonders am Balkan und Osteuropa erlauben die Geschäfte keine Neutralität. Es muss also ihre Macht zerbrochen werden. Nur dann wird Österreich eine tatsächlich friedliche fortschrittliche Rolle in der Welt spielen und sich imperialistischen Machenschaften widersetzen können.
Nein zu Truppentransporten ausländischer Armeen durch Österreich!
Weg mit dem Truppenaufenthaltsgesetz!
Für Frieden und Sozialismus!