Mindestsicherung Neu: Die Regierung lügt

Am Mittwoch hat die schwarzblaue Bundesregierung ihren Gesetzesentwurf zur bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) vorgelegt. Sie soll in eine Sozialhilfe umgewandelt werden. Bis 2021 müssen die Länder der Vorlage folgen, so der Plan durchgeht. Klar ist: Es kommt zu drastischen Kürzungen. Und das, obwohl die BMS nur 0.9 Prozent der Sozialausgaben ausmacht. Das wird zu erheblichem Druck bei den Betroffenen führen. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (beide FPÖ) begründen den Kahlschlag mit nichts als Lügen.

Lüge 1: Die bisherige BMS ist „viel zu attraktiv für Migranten, für Zuwanderer ins Sozialsystem“
Die BMS ist eine staatliche Sozialleistung. Anders als beim Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe

muss man nicht eingezahlt haben, um sie zu kriegen. Allerdings muss man bislang fünf Jahre ununterbrochen legal in Österreich leben und beim AMS gemeldet sein. Erst dann nimmt die Wohngemeinde den umfangreichen, seitenlangen BMS-Antrag entgegen. Die Hürden sind also jetzt schon hoch. Man kann nicht mal eben „ins Sozialsystem“ zuwandern, wie Kurz meinte.

Lüge 2: 62 Prozent der BMS-BezieherInnen sind MigrantInnen
Laut jüngsten Zahlen der Statistik Austria bekamen 2017 307.853 Menschen in Österreich BMS. Die Hälfte von ihnen waren österreichische StaatsbürgerInnen. Gut ein Drittel kamen aus Drittstaaten (EU-/EWR-/Schweizer BürgerInnen und andere). 31 Prozent waren Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigte. Offensichtlich gibt es in der Statistik MehrstaatlerInnen. Pauschal von 62 Prozent MigrantInnen zu reden (wie Strache), ohne die österreichischen BürgerInnen zu nennen, ist ein rassistischer Trick – und verdreht die Realität.

Lüge 3: Die Lösung ist harmonisiert, fair, und effizient
Das behauptete die Unternehmensberaterin Beate Hartinger-Klein in ihrer Rolle als blaue Sozialministerin. Die SPÖ-Länderchefs mokierten aber, sie seien übergangen worden. Die SPÖ-Bundesvorsitzende und JETZT meinten, die Regierung produziere Kinderarmut. Abhängig vom Bundesland sind nämlich bis zu 41 Prozent der BMS-BezieherInnen Kinder.

Der Regierungsentwurf enthält übrigens dieselbe Folgekostenabschätzung wie der Begutachtungsentwurf. Demnach kommen durch die Reform Mehrkosten von 33.1 Millionen Euro auf die Länder zu. Was daran effizient ist, bleibt unklar.

Lüge 4: Menschen bekämen „Anreize, damit sie selbst wieder ohne staatliche Hilfe sein können”
Hartinger-Klein behauptete auch, Betroffene bekämen jetzt „Anreize, damit sie selbst wieder ohne staatliche Hilfe sein können“. Damit unterstellt man Arbeitssuchenden eine mangelnde Arbeitsmotivation. Gleichzeitig haben österreichische Unternehmen in den vergangen zwanzig Jahren die Löhne gedrückt – unter Schwarzblau 1 genauso wie unter der Großen Koalition. Inflationsbereinigt nahmen die Bruttojahreseinkommen aller unselbstständig Beschäftigten seit 1997 um 3 Prozent ab. Die höheren Einkommen stagnieren, während die niedrigsten 10 Prozent erhebliche Verluste hinnehmen müssen. Das sagt der Rechnungshof im neuesten Einkommensbericht. Das Kapital drückt sich also genauso vor seiner Verantwortung wie der bürgerliche Staat. Ein selbstbestimmtes Leben wird so immer schwieriger. Die Regierung bietet keine Anreize, sondern Zwang.

Mit derselben Lüge droht die Abschaffung der Notstandshilfe.

Lüge 5: Die neue Sozialhilfe fördert „die Integration und Arbeitsbereitschaft“
Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen werden die Mindestbezüge drastisch gekürzt – auf 560 Euro. Wie Arbeitslosen wird MigrantInnen pauschal unterstellt, nicht leistungswillig zu sein (siehe Lüge 1). Wer das Gegenteil beweisen will, wird sich schwertun: Die Regierung Kurz, insbesondere das für Integration zuständige Außenministerium, hat schon Förderungen für Deutschkurse großflächig eingestampft. Die Sozialhilfe kann die Integration also gar nicht fördern.

Vorbild Hartz IV
Die Sozialreformen der Regierung Kurz sind klar an Hartz IV orientiert. Es machte aus Arbeitslosen in Deutschland nachweislich BittstellerInnen und förderte die Altersarmut. Profitiert haben Unternehmen nicht nur durch die Ausweitung von Arbeitszwang und den Zuwachs atypischer Beschäftigung („Minijobs“, Niedriglöhne etc.), sondern auch durch Steuersenkungen. Das alles gilt es in Österreich zu verhindern. Die Partei der Arbeit (PdA) fordert daher:

- Schluss mit den Lügen der Regierung Kurz!
Die Fakten sprechen klar gegen die Behauptungen von ÖVP und FPÖ: Es gibt keine Zuwanderung ins Sozialsystem. Die Hälfte der BMS-BezieherInnen haben einen österreichischen Pass. Die Reform ist teuer, nicht effizient. Sie bringt Zwang für Arbeitslose und Geschenke an Unternehmen. Und die Integration wird behindert, nicht gefördert.

- Hoch die internationale Solidarität!
Die rassistischen Scheinargumente sollen die Arbeitslosen genauso spalten wie die Beschäftigten in Österreich. Von dieser Reform, von Kürzungen im Sozialbereich, bei Löhnen, sind eben nicht nur MigrantInnen, „neue“ ÖsterreicherInnen betroffen. Unter diesen Reformen leiden alle lohnabhängigen Menschen im Land. Die PdA kämpft an ihrer Seite gegen die rassistischen Spalter in Politik und Wirtschaft.

- Zurück zur alten Mindestsicherung!
Die BMS ist nicht frei von Mängeln. Aber sie ist allemal besser als die neue Sozialhilfe. Sie hilft Alten, Gebrechlichen, prekär Beschäftigten und Arbeitssuchenden, über die Runden zu kommen. Außerdem mildert sie die Kinderarmut in Österreich ab.

- Arbeitszeitverkürzung jetzt – bei vollem Lohnausgleich!
Nur eine 35-Stunden-Woche (als erster Schritt hin zu einer 30-Stunden-Woche) bei vollem Lohnausgleich eröffnet neue Arbeitsplätze. Mehr Freizeit motiviert Beschäftigte und macht sie produktiver. Die Unternehmen können sich das in der andauernden Konjunktur leisten. Schließlich wurden sie auch von Steuergeldern durch die letzte Krise gerettet. Es ist höchste Zeit, das an die arbeitenden Menschen zurückzugeben.

- Klassenkampf von unten!
Die Sozialpolitik dieser Regierung ist Klassenkampf von oben. Die PdA ruft alle Lohnabhängigen und Arbeitslosen in Österreich dazu auf, sich dagegen zu wehren – mit Klassenkampf von unten. AK und ÖGB sind aufgefordert, diesen Kampf zu unterstützen. Es bringt nichts, auf den grünen Tisch der Sozialpartnerschaft zu hoffen. Denn das erste Jahr unter Kanzler Kurz hat gezeigt, dass diese Regierung der willige Vollstrecker von Banken und Konzernen ist und dabei alles andere ignoriert. AK und ÖGB müssen endlich mit massiven Protesten und Streiks auf den Angriff der Regierung antworten. In der PdA haben alle Menschen in diesem Land eine Verbündete in diesem Kampf um soziale Gerechtigkeit.

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