Redebeitrag von David Lang, Bundesvorsitzender der Kommunistischen Jugend Österreichs (KJÖ), bei der Veranstaltung von PdA und KJÖ/KSV zum 100. Jubiläum der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, Wien, 11. November 2017
Liebe Genossinnen und Genossen!
Vor 100 Jahren fegte der Rote Oktober über Russland. Die Revolution brach mit der alten Welt und ließ die Vergangenheit hinter sich. Es war der Schuss der Aurora, der in Sankt Petersburg nicht nur das Signal für den Sturm auf den Sitz der provisorischen Regierung gab. Dieser Schuss läutete ein neues Zeitalter in der Menschheitsgeschichte ein – das Zeitalter des Sozialismus.
Der Beitrag des real existierenden Sozialismus zu weltweitem Fortschritt war gewaltig: massive Verbesserungen der Lebensbedingungen, indirekt der Ausbau sogenannter Sozialstaaten in kapitalistischen Ländern, direkt die Befreiung vom Faschismus und die antikolonialen Befreiungen auf der ganzen Welt, um nur ein paar Stichworte vorab zu verlieren.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Es waren einfache Losungen, die zur großen Revolution führten: Frieden, Land und Brot. Forderungen, wie sie aktueller nicht sein könnten. Frieden, Land und Brot.
Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Gewitterwolke den Regen. Von Jugoslawien bis zum Irak, von Afghanistan über Libyen, Syrien, die Ukraine, Kurdistan und Palästina bis Kolumbien ist die Welt Schauplatz von offenen und versteckten Kriegen; jedenfalls aber immer von Kriegen, unter denen hunderttausende und Millionen Menschen leiden. Imperialistische Kriege – in denen zerstört und getötet wird. All‘ das geschieht im Interesse des Profits: Es geht um wirtschaftliche Interessen, Macht und geopolitischen Einfluss.
Die Verheerungen, mit denen der Imperialismus speziell die Länder Nordafrikas sowie des Nahen und Mittleren Ostens überzogen hat, haben in den letzten Jahren zu einer noch weiteren Destabilisierung, der Vernichtung zivilisatorischer Errungenschaften und halbwegs abgesicherter Lebensbedingungen geführt. Damit verbunden wurden Abermillionen Menschen ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Neben dem Erlangen von Rohstoffen, Zugang zu Handelswegen und dem lukrativen Geschäft mit dem Wiederaufbau von zuvor durch Bomben Zerstörtem, liegen imperialistische Interessen im globalen Machtkampf auch in der umfassenden Neuordnung ganzer Weltregionen.
Heute kämpfen die imperialistischen Blöcke mit zunehmender Härte um Macht und Einfluss auf der Welt. Wie in einem Strategiespiel, in dem jeder gegen jeden kämpft, sind hier zeitweise Bündnisse zwischen den einzelnen Playern gegen Mächtigere oder zur gemeinsamen Zerschlagung kleinerer Mitspieler möglich. Letzten Endes geht es aber darum, selbst die Vorherrschaft zu erlangen. Auch wenn es im Moment so scheint, als überwiege das gemeinsame Interesse der kapitalistischen Zentren gegenüber den peripheren Ländern, werden die Risse in den Bündnissen der imperialistischen Staaten immer deutlicher erkennbar.
Fest steht, dass eine grundlegende Sicherung des Friedens mit den imperialistischen Mächten und Wirtschaftsverhältnissen nicht zu machen ist. Nur wenn die Macht des internationalen Großkapitals erst zurückgedrängt und letztendlich gebrochen wird, kann die Kriegsgefahr nachhaltig gebannt werden, wozu ein Austritt Österreichs aus der EU ein erster wichtiger Schritt wäre.
Ja, es braucht ihn nachwievor, den Frieden. Und er wird nur gegen die Herrschenden zu schaffen sein. Frieden, Land und Brot.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Die Welt, in der wir leben, ist von globaler Ungleichheit bestimmt. Der Kapitalismus ist ein System, von dem einige Wenige auf Kosten der breiten Mehrheit profitieren. Ein immer größerer Teil der Weltbevölkerung lebt in extremem Elend, auch in Europa und Österreich geht die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinander.
Fast eine Milliarde Menschen sind permanent schwerstens unterernährt, während die weltweite Landwirtschaft mehr als 10 Milliarden Menschen versorgen könnte. Jeder fünfte Mensch auf der Erde hat weniger als einen Dollar pro Tag für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung. Sauberes Trinkwasser, medizinische Versorgung, ein Dach über dem Kopf und Bildung bleiben einem beträchtlichen Teil der Weltbevölkerung verwehrt. Millionen Menschen sterben jährlich an Hunger, verunreinigtem Trinkwasser oder heilbaren Krankheiten.
Gleichzeitig besitzen die reichsten acht Menschen der Welt ebenso viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Die 500 weltgrößten Konzerne kontrollieren 70 Prozent des Welthandels und 25 Prozent der Weltproduktion. Die kapitalistischen Monopole haben die wirtschaftliche Kontrolle der Welt unter sich aufgeteilt.
Diese Vermögensverteilung findet sich klarerweise auch hierzulande und wie erst kürzlich erneut nachgewiesen in einem noch zugespitzeren Verhältnis als bisher angenommen: denn das reichste eine Prozent der Bevölkerung besitzt mehr als die unteren 90% der Österreicherinnen und Österreicher zusammen.
Insofern lässt sich feststellten: Ja, auch Land und Brot in den Händen der breiten Mehrheit der Weltbevölkerung ist auch heute bitter nötig. Frieden, Land und Brot also.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Weil sich all die Verbrechen des kapitalistischen Systems nicht leugnen lassen, wird oftmals von den furchtbaren „Auswüchsen“ des „Raubtierkapitalismus“ gesprochen. Das Ziel dahinter ist unschwer erkennbar: Das System selbst soll für unschuldig erklärt werden. Der Kapitalismus ist aber ohne seine sogenannten „Auswüchse“ gar nicht denkbar.
Armut, Arbeitslosigkeit, Hunger oder Kriege sind in seinem Wesen begründet: Im Kapitalismus sind die Produktionsmittel – also Fabriken, Grundstücke, Maschinen etc. – in privaten Händen, sie gehören eben den Kapitalisten. Ihnen gegenüber steht die Klasse der Arbeiterinnen und Arbeiter, die ihre Arbeitskraft verkaufen muss und durch ihre Arbeit allen Reichtum schafft. Dieser Reichtum kommt nicht der Allgemeinheit zugute, sondern landet in den Taschen der Unternehmer, Bankiers und Aktienbesitzer. Darin besteht das Wesen der kapitalistischen Ausbeutung.
Dieser grundsätzliche Widerspruch lässt sich nicht mit ein paar Reformen oder Transformationen lösen, wie es jene behaupten, die den Menschen Sand in die Augen streuen. Dieser Widerspruch lässt sich nur lösen, wenn die Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum übergehen und damit auch der geschaffene Reichtum allen gehört. „Alle Macht den Räten“ also, wie die vierte zentrale Forderung der Bolschewiki vor hundert Jahren lautete.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Mit dem vermeintlichen Sieg des beinahe globalen Kapitalismus, mit dem Niedergang des sozialistischen Blocks, ist die Welt kein Stück gleicher, kein Stück besser und kein Stück gerechter geworden, wie uns gerade dieser Tage eifrig vorgelogen wird. Im Gegenteil: das Kapital wurde weltweit aggressiver, schonungsloser und blies nicht nur in ehemals sozialistischen Ländern zum neuen, großen Raubzug. Geplündert wurde in Ost und West, in Nord und Süd. Jene Zugeständnisse, die der realen Systemkonkurrenz entsprangen und von den arbeitenden Menschen in den kapitalistischen Ländern erkämpft wurden, der sogenannte Wohlfahrtsstaat also, jene Zugeständnisse wurden mal in großen Stücken, mal in kleinen Portionen entsorgt.
Wir werden künftig viele weitere Abwehrkämpfe führen müssen, um unsere sozialen und demokratischen Rechte zu verteidigen. Gerade die Vorhaben der kommenden schwarz-blauen Regierung werden die Angriffe des Kapitals in diesem Lande auf ein neues Level heben. Diese Regierung wird jene Offensive des Kapitals, die seit der Konterrevolution wütet, auf eine neue Stufe heben. Ein Regierungsprogramm, das dem Wunschzettel der Industriellenvereinigung erfüllen will, wird in diesen Wochen vorbereitet. Die Schweinereien, die die Herrschenden vorbereiten, sind zahlreich.
Doch dies wird nicht unwidersprochen passieren und es wird sich Widerstand gegen diese zugespitzten Attacken bilden. Inhaltliche und organisatorische Klarheit bei flexibler Bündnispolitik und Aktionsorientierung wird eine wichtige Aufgabe der kommenden Jahre sein. Denn die bevorstehenden Angriffe können nur mit umfassendem und breitem Widerstand abgewehrt werden.
Liebe Genossinnen und Genossen!
Wenn es nach den Herrschenden geht, sollen wir uns als vereinzelte Wesen sehen, die dem politischen Geschehen ohnmächtig gegenüberstehen. Millionen Individuen sollen in Konkurrenz zueinander darum kämpfen, ihre Arbeitskraft auf dem freien Markt verkaufen zu können – natürlich zu besten Bedingungen für die Unternehmerseite. Die Welt und unser Umfeld gelten ohnehin als unveränderbar, ihre Geschicke liegen in den Händen der mächtigen Konzernbosse und ihrer Staatschefs.
Wie begannen die Schmetterlinge so treffend die Proletenpassion: „Jeden Morgen, wenn wir zur Arbeit fahren, wird eine neue Seite ins Geschichtsbuch geschrieben. Wer schreibt sie? Geschieht Geschichte mit uns? Oder machen WIR unsere Geschichte?“
Der Sozialismus ist für uns keine Utopie von Weltverbesserern. Er ist eine geschichtliche Notwendigkeit und er ist machbar. Auch wenn er vielen heute und morgen nicht möglich erscheint, so er ist doch heute und morgen dringend notwendig: Für eine lebenswerte Zukunft jenseits kapitalistischer Ausbeutung, imperialistischer Kriege, Ausgrenzung, Armut, Umweltzerstörung, Rassismus, Sexismus und Unterdrückung!
Denn die Welt ist veränderbar – und zwar von uns! Die Geschichte der revolutionären ArbeiterInnenbewegung – von der Pariser Kommune über die Oktoberrevolution, die sozialistischen Staaten, die kubanische Revolution bis hin zu den heutigen antiimperialistischen Befreiungsbewegungen – zeigt, dass die Mächtigen zu zittern beginnen, wenn die vermeintlich Schwachen nicht mehr dem Trugbild von einem über den Klassen stehenden bürgerlichen Staat auf den Leim gehen und sich zusammenschließen.
Es braucht den Bruch mit der alten Welt. Die Unmenschlichkeit muss in die Knie gezwungen werden. Es braucht die Revolution.
Der nächste Rote Oktober wird kommen! Uns gehört die Zukunft! Die Zukunft gehört dem Sozialismus!