Neuwahlen als historische Chance für klassenkämpferische Linke

Auszüge aus dem Referat des Parteivorsitzenden Otto Bruckner auf der Sitzung des Parteivorstands der PdA am 19. Mai 2019 zur aktuellen politischen Lage in Österreich

Bei all den Diskussionen über das “Ibiza-Gate” sollte nicht vergessen werden, dass Kurz’ Auftraggeber eine klare Agenda vorgegeben haben, die er abzuarbeiten hat, und an der er sich weiter orientiert. Mit wem er das macht, und wie er sich Mehrheiten beschafft ist seinen Auftraggebern nicht so wichtig, es soll halt nicht zu sehr stinken aus diesem rechten Eck. Das, und nur das ist der Grund, warum jetzt die Notbremse gezogen wurde, denn eine derart angeschlagene Regierung ist für das Kapital unbrauchbar. Die Spekulation von Kurz ist klar: er will mit 40+ Prozentpunkten als Sieger aus der Wahl hervorgehen, und hätte dann wahrscheinlich mehrere Optionen, mit wem er eine Koalition bildet. Inhaltlich kompatibel und weitgehend skandalfrei wären die NEOS, auch eine geschwächte FPÖ wäre ein guter Erfüllungsgehilfe, und man darf nie vergessen, dass auch die SPÖ immer bereit ist, wenn sie gerufen wird. Dass sie selbst den Führungsanspruch stellt, ist zwar formell zu erwarten, jedoch traut sie sich das selbst nicht zu. Ja, es ist sogar zu befürchten, dass sich die SPÖ nicht einmal getraut, die Rücknahme aller unsozialen Maßnahmen aus den letzten 17 Monaten zu versprechen, sollte sie den Kanzler stellen. Fassen wir deshalb die wichtigsten Punkte zusammen, die Kurz und seine Regierung im Auftrag des großen Kapitals schon begonnen oder abgearbeitet haben: Die Arbeitsbedingungen der Arbeiter/innen und Angestellten wurden mit mehreren Maßnahmen verschlechtert, die gravierendste dabei ist die Einführung des 12-Stunden-Arbeitstages. Die Zerschlagung der Selbstverwaltung der Krankenkassen wurde begonnen. Schritte zur Förderung der Armut, zur Stigmatisierung und Bestrafung arbeitsloser und armer Menschen wurden umgesetzt. Militär und Polizei wurden von FPÖ-Ministern personell und politisch schon sehr stark nach ihren Vorstellungen ausgerichtet.

ÖGB: Kapitulation auf der ganzen Linie

Als im Sommer 2018 die große Demonstration gegen den 12-Stunden-Tag stattfand, hatten viele die Hoffnung, dass der ÖGB den breiten Widerstand gegen die unsoziale Politik dieser Regierung organisieren und anführen wird. Gerade mit den Warnstreiks und Kampfmaßnahmen, die im Herbst in verschiedenen Branchen stattgefunden haben, wäre es möglich gewesen, dieser Regierung durch eine Verbindung der Proteste zu einer großen Protestbewegung einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Ab er das blieb aus. Der ÖGB pfiff die Leute zurück, die Lohnrunden wurden abgeschlossen, ohne wesentliche Forderungen wie Arbeitszeitverkürzung auch nur ansatzweise durchzusetzen, und die kampfbereiten Gewerkschafter/innen wurden im Regen stehen gelassen. Der Widerstand gegen die Zerschlagung der Selbstverwaltung und die zu erwartenden Verschlechterungen im Bereich der Gebietskrankenkassen war alibihaft. Im Hof der Wiener Gebietskrankenkasse etwa versammelten sich ein paar tausend Funktionäre und Beschäftigte, und das war dann schon der ganze Widerstand in Wien!

NRW: Kapital hat mehrere Optionen

Zwar versetzt die überraschende Implosion dieser Regierung durch die Blödheit der FPÖ den Plänen des Großkapitals zum weiteren Umbau der Republik in seinem Sinne einen Dämpfer, weil Zeit verlorengeht, die Agenda aber bleibt. So wäre als nächstes der Angriff auf die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeiter/innen und Angestellten durch eine Absenkung der AK-Umlage geplant gewesen und kann jetzt wohl nicht mehr vor den Wahlen umgesetzt werden. Dass dieses Ziel aufrechtbleibt, ist aber mit Sicherheit anzunehmen. Dass ÖGB und AK auch in dieser Frage schlussendlich kapitulieren werden, leider auch.

So tot wie die SPÖ derzeit ist, passt sie gut zum kampfunwilligen oder kampfunfähigen ÖGB. Das Kapital wird sich – wie schon ausgeführt – die Konstellation, in der das Arbeitsprogramm gegen die unteren 95 Prozent umgesetzt wird, aussuchen können. Neben den bereits bekannten Akteuren im Nationalrat ist mit dem Wiedereinzug der Grünen zu rechnen, die ja auch ganz gerne als Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung stehen.

Besonders niederträchtig ist die Reaktion des EU-Spitzenkandidaten der SPÖ, Andreas Schieder, auf das Ibiza-Video: Er nützt es sofort zu einer Hetze gegen Russland, und zeigt damit, dass die SPÖ fest im Pro-NATO-Lager steht und sich unter die neuen kalten Krieger einreiht.

Kommunistische Perspektiven in diesem Wahlkampf – Auftreten der PdA

Ich wage zu behaupten, dass die Chance, eine Liste mit klassenkämpferischem Programm in den Nationalrat zu bringen, schon seit Jahrzehnten nicht so gut waren wie jetzt, und sich eine historische Chance auftut. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch schlecht. Setzt sich als bedeutendste Kandidatur auf der linken Seite wieder eine von der Bundes-KPÖ diktierte Liste durch, die ein realitätsfernes und für die einfachen Menschen vollkommen unattraktives Programm anbietet, wird diese Chance verspielt werden. Die einzige Möglichkeit, die wir sehen würden, wäre eine linke Bündnisliste, die sich auf einige wenige Punkte konzentriert, wie etwa “Weg mit dem 12-Stunden-Tag”, Mindestlohn, soziale Sicherheit, leistbares Wohnen und Politiker mit sauberen Händen. Am glaubwürdigsten und auch mit den größten Erfolgsaussichten versehen wäre eine solche Liste, wenn sie von der steirischen KP initiiert und von einer sehr bekannten Persönlichkeit aus ihren Reihen angeführt wird, denn ihr Verzicht auf Politikerprivilegien ist österreichweit bekannt und geachtet – und gerade die Frage der politischen Glaubwürdigkeit wird in diesem Wahlkampf eine zentrale Rolle spielen. Die Zeit, so etwas auf die Beine zu stellen, ist kurz. Es wäre aber an der Zeit, dass die KP-Steiermark aufgrund ihrer Stärke und Bedeutung bundespolitische Verantwortung übernimmt. Ich denke, dass wir als PdA eine solche Orientierung unterstützen könnten und begrüßen würden, so wie viele andere, die eine bodenständige und klassenorientierte Politik wollen, es wird jedoch von den konkreten Umständen, dem Programm, den Beteiligten und vielem mehr abhängen.

Eigenständiges Auftreten vorbereiten – Proteste unterstützen

Wir werden uns – getreu dem Grundsatz, dass in Wahlkampfzeiten mit erhöhter politischer Aufmerksamkeit zu rechnen ist – auf jeden Fall selbst etwas überlegen und ein eigenständiges Auftreten vorbereiten. Das reicht von der Möglichkeit, eine eigenständige Kandidatur in zumindest einem Teil des Bundesgebietes anzustreben über die Führung einer politischen Kampagne bis zur Initiierung einer Petition zu einem bestimmten Thema. Die Diskussion darüber werden wir in den nächsten Tagen in- und außerhalb unserer Partei intensiv führen und dann zu einer Entscheidung kommen. Wir sind bereit, alles zu tun, was einer Stärkung der klassenkämpferischen Kräfte und einer Ermutigung der Werktätigen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, sich zu organisieren und gemeinsam zu kämpfen, dient. Es sollte aber auch allen klar sein, dass Wahlpolitik für revolutionäre Kräfte nur in Verbindung mit den realen Klassenkämpfen einen Sinn ergibt. In diesem Sinne ist das wichtigste, jede kämpferische Initiative von unten zu fördern. Gleichzeitig sollte niemand Illusionen über die Wirkung der Bedeutung der bisherigen Proteste haben: durch die Kapitulation der SP-dominierten Gewerkschaften blieben sie schwach, und diese Regierung ist nicht von Donnerstagsdemos oder sonstigen Protesten gestürzt worden, sondern hat das selbst besorgt.


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