Hausräumung Mühlfeldgasse: Ein paar offene Fragen

mühlengasseDie polizeiliche Räumung des Hauses Mühlfeldgasse 12 in Wien-Leopoldstadt, in der sich u.a. die „Pizzeria Anarchia“ befand, wirft einige Fragen auf:
Inwiefern sind 1.700 Polizisten, Spezialeinheiten, zusätzliche Bundesländerkontingente, ein Panzerfahrzeug, ein Wasserwerfer, Hubschrauberunterstützung und weiträumige Absperrungen nötig, um 19 jugendliche Punks zu delogieren? Wer ist für die verhältnismäßige Planung solcher Einsätze zuständig?
Wie lange will die rotgrüne Wiener Stadtregierung noch der polizeilichen Chaostruppe zusehen? Wie lange soll der inkompetente und menschenfeindliche Polizeipräsident Pürstl noch amtieren? Was wird auf Bundesebene gegen die überforderte Innenministerin unternommen?
Nach welchen Einsatzideen geht die Polizei eigentlich vor? Provokation und gewalttätige Eskalation gegen antifaschistische Kundegebungen – nun ein Belagerungs- und Bürgerkriegsszenario anlässlich einer Hausräumung? Wird hier Aufstandsunterdrückung im öffentlichen Raum und an der Wiener Bevölkerung trainiert? Sind das Einsatzpläne von 1934?
Warum können FPÖ-Polizeigewerkschafter, offensichtlich nicht im Dienst, in die Sperrzone vordringen, um Wahlkampfgeschenke zu verteilen – und dies nicht nur bewaffnet, sondern auch noch mit Wehrmachtssymbolik geschmückt? Gibt es für die Polizei Aufklärungsschulungen über die Verbrechen des NS-Faschismus? Wissen die Polizisten eigentlich, dass sie im Dienste der Bevölkerung stehen und von dieser bezahlt werden?
Und gleichzeitig werden die Medienvertreter unter Strafandrohnung weiträumig ausgesperrt, damit nur ja nicht über den zu erwartenden Polizeiwahnsinn berichtet wird. Gibt es in Österreich eigentlich noch so etwas wie Pressefreiheit?
Die Hauseigentümer, zwei umtriebige Immobilienspekulanten, sind schon länger amtsbekannt, da sie in mindestens 16 anderen Wiener Häusern die Mieter nicht nur mit moralisch fragwürdigen, sondern mit definitiv ungesetzlichen Mitteln vertreiben wollten (der ORF und mehrere Zeitungen berichteten). Diese Tatsache ist auch Wohnstadtrat Michael Ludwig (SPÖ) bekannt. – Warum schweigt er nun? Befürwortet die SPÖ solch kriminelle Methoden?
In diesem Zusammenhang: Wann wird die Staatsanwaltschaft gegen die beiden Herren aktiv? Oder ist die österreichische Justiz nur dazu da, den Eigentümern gefällige Räumungsbescheide abzusegnen, ihnen alles durchgehen zu lassen und dafür Altmieter und Eigentumslose zu drangsalieren? Warum muss die Bevölkerung dafür zahlen, dass die Spekulanten die Punks zuerst in böser Absicht in ihr Haus einladen, dann aber von deren Solidarität mit den Altmietern überrascht sind?
Haben die Spekulanten womöglich Geschäftsbeziehungen zu staatlichen oder Gemeindeeinrichtungen, zu Politikern oder Parteien, die sie sakrosankt machen?
Laut Gemeinde gibt es 30.000 leerstehende Wohnungen in Wien, in Wirklichkeit sind es wohl bis zu 80.000. Der Großteil davon steht bewusst leer, weil Spekulanten damit die Preise in die Höhe treiben wollen. Gleichzeitig warten tausende Menschen auf eine Gemeindewohnung, gibt es immer mehr Menschen, die sich ihre Mieten kaum noch leisten können, sowie steigende Obdachlosigkeit. Wann übernehmen die Bundes- und Landespolitik die Verantwortung dafür, dass diese miesen Methoden beendet werden? Und dafür, dass alle Menschen in Wien Zugang zu leistbarem Wohnen haben?
Warum wurden vor diesem Hintergrund auch noch die Bundeswohnungen privatisiert? Warum sitzen KHG und seine Kompagnons nicht in U‑Haft? Warum wurde von der SPÖ in Wien der echte soziale Wohnbau eingestellt und auf profitorientierte Versionen umgestellt? Welche gesellschaftliche Klasse war das nochmal, deren Interessen die SPÖ angeblich vertritt?
Wann wird die rot-grüne Stadtregierung ihre eigene Politik der Gentrifizierung in Komplizenschaft mit Immobilienspekulanten, Banken und Baukonzernen beenden? Es kann doch nicht das Ziel der Gemeinde sein, sozial Schwache und ältere Menschen in ghettoisierte Randlagen zu verdrängen und auszusiedeln, damit Besserverdienende deren verteuerte Wohnungen in verteuerten Gegenden, natürlich gut eingebunkert, übernehmen können. Wien soll doch wohl nicht eine Stadt offener sozialer Apartheid werden? Oder doch? Wann werden denn die ersten rot-grün-pinken Bobos in die neu gentrifizierte Mühlfeldgasse einziehen können?
Tatsache ist: Eine Staatsmacht, die gegen 19 Jugendliche (die vielleicht nicht juristisch, aber moralisch im Recht sind), mit einem Bürgerkriegsaufgebot vorgeht, verliert ihre Legitimation. Eine Politik, die derartiges anordnet oder auch nur zulässt, hat jedes Maß und jeden Anstand verloren. Ein Wirtschaftssystem, dass zu solcher Ungleichheit und Ungerechtigkeit, u.a. im Bereich Wohnen, führt, hat offenkundig versagt. Ein Rechtssystem, dass gewissenlose Spekulanten schützt und solidarische Menschen kriminalisiert, ist ein Unrechtssystem. Ein Klassensystem, das erobert und ausgrenzt, das ausbeutet und unterdrückt, ist am Ende.
Aber die politisch und ökonomisch Herrschenden und ihre Handlanger wissen schon, warum sie das alles brauchen. Nützen wird es ihnen schlussendlich nichts. Die letzte Schlacht verlieren sie. Die Frage ist nur: Wann?

Tibor Zenker, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs

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