Kommentar von Tibor Zenker, stv. Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs
Die Sozialdemokratie geriert sich gegenwärtig – ja, es ist Wahlzeit – als Bollwerk gegen den Rechtsextremismus, in Österreich und der EU. Ein typischer Fall von: Kannst’ nicht erfinden! Kaum könnte die SPÖ ihren Opportunismus offensichtlicher demaskieren, kaum könnte sie ihre Glaubwürdigkeit lächerlicher machen.
Man könnte weit ausholen: Vor rund 50 Jahren war es Bruno Kreiskys Machtstreben, das die FPÖ, damals unter Führung des ehemaligen SS-Obersturmführers und Nazi-Kriegsverbrechers Friedrich Peter, „salonfähig“ machte. 1983 war es die SPÖ, die auf Bundesebene mit der FPÖ koalierte und diese erstmals an einer Regierung beteiligte.
Während der Haider-Periode ab 1986 war es die antisoziale bis neoliberale Politik SPÖ-geführter Bundesregierungen, inklusive Sozialabbau, Privatisierungen und Marktliberalisierungen, die den Aufstieg der FPÖ erst ermöglichte.
Zur gleichen Zeit – und auch nach der ersten schwarz-blauen Regierung ab 2000 – waren es Regierungen unter sozialdemokratischen Bundeskanzlern, die, quasi auf Zuruf der FPÖ, in Österreich das Fremden- und Asylrecht in Gesetz und Praxis in eine menschenfeindliche und rassistische Richtung verschärften. Und auch heute in Opposition gibt sich die SPÖ-Führung immer wieder „gesprächsbereit“ gegenüber neuen Grauslichkeiten der ÖVP/FPÖ-Regierung.
Dies sind Ergebnisse dessen und gleichzeitig fortlaufend reproduzierende Gründe dafür, dass sich die gesellschaftlich-politische Hegemonie weit nach rechts verschoben hat – so weit, dass Antifaschismus, immerhin Grundlage der Zweiten Republik, oder Menschenrechte, immerhin in Verfassungsrang, inzwischen als „linksradikal“ gelten.
Und gegenwärtig gibt es SPÖ/FPÖ-Koalitionen – einen Parteitagsbeschluss sanktionslos ignorierend – auf Landesebene im Burgenland sowie in der drittgrößten Stadt Österreichs, in Linz. Der dortige Bürgermeister sowie die Landeshauptmänner zu Eisenstadt – ob Niessl oder nun Doskozil – genieren sich nicht im Geringsten, mit rechtsreaktionären, deutschnationalen und fremdenfeindlichen Partnern zu regieren, im Linzer Fall kommt noch ein unsauberes Verhältnis zu türkischen Neofaschisten hinzu.
Die SPÖ ist kein Bollwerk gegen den Rechtsextremismus, sondern war Schleusenöffner, Steigbügelhalter, Brandbeschleuniger und Adjudant seines Aufstiegs sowie seiner realpolitischen Wirksamwerdung. Bis heute hat sie nichts entgegenzusetzen als moralistisch-fromme Wünsche einiger Hinterbänkler, welt- und SPÖ-fremde Illusionen der Feigenblatt-Jugendorganisationen sowie EU-Bejubelung ihrer ansonsten prinzipien- und orientierungslosen Führung. Der Tag wird kommen, an dem man sich ganz offen wieder auf die andere Seite der Barrikade stellen wird, um die eigenen Pfründe zu sichern.
Das kann man zwar bedauern, aber nicht ändern. Die SPÖ, mit einer ehrenvollen Geschichte in der österreichischen Arbeiterbewegung und im antifaschistischen Kampf ausgestattet, ist entsprechend ihrer jüngeren Geschichte und ihres heutigen Charakters eben der „linke“ Flügel des Antisozialismus, des Kapitalismus, des Neoliberalismus und des EU-Imperialismus. Damit bekämpft man den Rechtsextremismus und Neofaschismus nicht, sondern fördert ihn unwillkürlich.