Beitrag der Partei der Arbeit Österreich (PdA) bei der Konferenz der Europäischen Kommunistischen Aktion (EKA) zum Thema: „Historische Schlussfolgerungen aus der Taktik der antifaschistischen Fronten. Der heutige Kampf der Kommunistinnen und Kommunisten gegen den Faschismus“, Madrid, 11. Mai 2024
„Für ein freies, demokratisches und unabhängiges Österreich“ – Die Kommunistinnen und Kommunisten im antifaschistischen Widerstand
Liebe Genossinnen und Genossen!
Wir möchten uns bei der Kommunistischen Partei der Arbeiter Spaniens für die Ausrichtung des Treffens der Europäischen Kommunistischen Aktion in Madrid bedanken. Das Thema des heutigen Treffens „Historische Schlussfolgerungen aus den Taktiken der antifaschistischen Fronten. Der heutige Kampf der Kommunisten gegen den Faschismus“ ist von außerordentlicher Bedeutung zum Verständnis der Politik vieler kommunistischer Parteien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und zur Entwicklung einer zeitgemäßen Strategie und Taktik der kommunistischen Parteien heute.
Bezugnehmend auf die gescheiterten Revolutionen von 1848 in Europa und die darauffolgende Restauration der Herrschaft der Fürsten schrieb Karl Marx: „Auf eine halbe Revolution folgt immer eine ganze Konterrevolution“. 1917 erhoben sich die russischen Arbeiterinnen, Arbeiter und Bauern inmitten des tobenden, mörderischen ersten imperialistischen Weltkrieges gegen die Herrschaft des Zaren. Im Oktober 1917 folgte schließlich die Große Sozialistische Oktoberrevolution. Die Losungen waren „Frieden, Brot und Land“.
In Österreich bahnte sich nach dem Hungerwinter 1916/17 ebenfalls eine revolutionäre Situation an. Die Arbeiterinnen und Arbeiter waren nicht mehr willens und in der Lage, die Folgen des Krieges zu ertragen. Inspiriert durch die Februarrevolution in Russland kommt das Proletariat in Bewegung. Die von den rechten sozialdemokratischen Führern verordnete Burgfriedenspolitik gerät ins Wanken. Im Mai 1917 kam es zum ersten großen Streik von Industriearbeitern im Großraum Wien gegen den Krieg. 42.000 Arbeiterinnen und Arbeiter traten in den Streik. Die revolutionäre Situation in Österreich kennt drei Höhepunkte, im Frühjahr 1917, im Jänner 1918, als mehr als 700.000 Arbeiterinnen und Arbeiter in den Streik traten, und im November 1918. In Österreich fehlte es allerdings an einer revolutionären Partei wie jener der Bolschewiki in Russland, die die Situation nutzen konnte, um zum Sozialismus voranzuschreiten. Die revolutionären Arbeiterinnen und Arbeiter brachten schließlich die jahrhundertelange Herrschaft der Familie Habsburg zu Fall. Das Bürgertum konnte seine politische und ökonomische Macht jedoch mit tatkräftiger Unterstützung der Sozialdemokratischen Partei retten und im November 1918 wurde die Erste Republik ausgerufen. Die kurz zuvor ebenfalls im November 1918 gegründete Kommunistische Partei Österreichs war nicht in der Lage, die revolutionäre Situation zu nutzen und blieb in der Arbeiterklasse weitgehend isoliert. Einerseits wegen eines gewissen Linksradikalismus in der Partei, andererseits, weil sich die österreichische Sozialdemokratie sehr gut darauf verstand, ihre opportunistische und rechte Politik mit linker Phraseologie zuzudecken. Als sich die Situation ab 1919 wieder zu stabilisieren begann, ging die Reaktion daran, dem selbst erklärten Ziel, den revolutionären Schutt zu beseitigen, näherzukommen. Ab 1927 ging die Reaktion schließlich in die Offensive und begann die Arbeiterbewegung herauszufordern und zu provozieren.
Die Sozialdemokratie setzte der Reaktion nichts entgegen. Die drei Pfeile im Logo der österreichischen Sozialdemokratie, die für den Kampf gegen Faschismus, Klerikalismus und Kapitalismus standen, wurden um interpretiert zum Kampf gegen Reaktion, Faschismus und Kommunismus. Was die zunehmenden Angriffe des Kapitals und des Staates in Komplizenschaft mit paramilitärischen, faschistischen Milizen anging, forderte die Sozialdemokratie die Arbeiterinnen und Arbeiter und insbesondere die eigene bewaffnete Formation, den Republikanischen Schutzbund, dazu auf, Gewehr bei Fuß zu stehen und die Sozialdemokratische Partei an der Wahlurne zu stärken. Gelegentlich provozierte die Partei außerdem auf unverantwortliche Art und Weise spontane Ausschreitungen durch Aufrufe zu Protesten in der parteieigenen Arbeiterzeitung, während denen die eigenen Massenorganisationen passiv blieben und die Arbeiterinnen und Arbeiter von der Polizei von den Straßen geprügelt oder gar auf sie geschossen wurde, wie beim Justizpalastbrand 1927.
Die größte Herausforderung für die damalige Kommunistische Partei Österreichs war es, die sozialdemokratische Parteidisziplin zu durchbrechen und den von Sozialdemokratie und Reaktion propagierten Antikommunismus abzuwehren. Ende der 1920er Jahre begann die KPÖ mit der Organisation von Antifaschistischen Komitees in Betrieben und Wohnvierteln. Diese sollten als überparteiliche Organisationen eine Möglichkeit bilden, die sozialdemokratischen Arbeiterinnen und Arbeiter für den Kampf gegen Faschismus und Kapitalismus, für eine sozialistische Revolution zu gewinnen. Ab 1930 zeigte dies Politik Erfolge, so dass die Partei bis 1933 zunehmend an Masseneinfluss gewinnen konnte und sich ihre Mitgliederzahl deutlich vergrößerte. Teilweise konnten in den Betrieben angesehene sozialdemokratische Arbeiterinnen und Arbeiter für die antifaschistischen Komitees gewonnen werden.
Ab 1931 begann schrittweise der Aufbau der faschistischen Diktatur in Österreich. 1931 wurde der Kommunistische Jugendverband verboten. Die Rote Fahne, die Parteizeitung der KPÖ, fiel immer häufiger der Zensur zum Opfer und es verging keine Woche, in der nicht mindestens eine Ausgabe der Zeitung beschlagnahmt wurde. Abgeschlossen wurde die Entwicklung mit der Ausschaltung des Parlaments und dem Bürgerkrieg 1933/34. Auch in dieser Zeit zeigte sich die verräterische Rolle der Sozialdemokratie. Als 1933 das Parlament wegen eines Verfahrensfehlers ausgeschaltet wurde, beließ es die Sozialdemokratie dabei, eine weitere Parlamentssitzung einzuberufen. Die Regierung verhinderte das Zusammentreten des Nationalrats, in dem sie das Parlamentsgebäude durch die Polizei besetzen ließ. Von da an ging es sehr schnell. Die KPÖ wurde verboten, ebenso der bewaffnete Arm der Sozialdemokratischen Partei, der Republikanische Schutzbund. Faschistische Milizen erhielten Aufgaben als Hilfspolizei. Die sozialdemokratische Parteiführung ließ all das widerstandslos Geschehen, um ein Verbot der Partei zu verhindern. Als sich im Februar 1934 schließlich die fortgeschrittensten Teile der österreichischen Arbeiterbewegung zum bewaffneten Kampf erhoben, erfuhren diese die Ablehnung der sozialdemokratischen Parteiführung. Sie forderte die Arbeiterinnen und Arbeiter dazu auf, keine offensiven Schritte zu unternehmen, vielerorts verweigerten die rechten sozialdemokratischen Führer die Herausgabe der Waffen an die Arbeiter, und der SP-Parteivorstand setzte sich ins Ausland ab. Die KPÖ unterstützte den Aufstand, wo es ihr möglich war, konnte das Fehlen einer zentralen Aufstandsleitung, die falsche Kampfstrategie und den nicht durchgeführten Generalstreik jedoch nicht kompensieren.
Nach der Niederlage führte die KPÖ die politische und organisatorische Arbeit in der Illegalität fort. Die Sozialdemokratische Partei hatte sich in den Februarkämpfen aufgelöst, an ihre Stelle trat die Organisation der Revolutionären Sozialisten (RS). Die KPÖ setzte ihre Arbeit in antifaschistischen Komitees fort und bemühte sich, eine Einheitsfront mit den Revolutionären Sozialisten herzustellen. Dies gelang in Teilen, wurde am Ende aber von der RS-Leitung immer wieder behindert und sabotiert. Insbesondere auf betrieblicher Ebene hatten die Bemühungen der KPÖ um die Bildung einer Einheitsfront aber durchaus Erfolge. Die KPÖ wuchs in der Illegalität weiter, was auch von den Sicherheitsorganen des faschistischen Regimes mit Besorgnis verfolgt wurde. Auch in dieser Zeit verband die KPÖ den antifaschistischen Kampf mit dem Kampf für eine „Sowjet-Österreich“, wie aus Unterlagen des Zentralkomitees aus dieser Zeit hervorgeht. Erst als ab 1936/37 die nationale Frage zunehmend in den Mittelpunkt rückte, änderte sich diese Politik auch vor dem Hintergrund des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale. Die Volksfrontpolitik begann die Einheitsfrontpolitik abzulösen. Als im März 1938 Österreich vom faschistischen Deutschen Reich besetzt wurde, rief die KPÖ das „Volk von Österreich“ zum Widerstand auf und richtete sich dabei explizit an „Katholiken und Sozialisten, Arbeiter und Bauern“. Der Aufruf endet mit der Aufforderung zum Kampf für ein „ein freies, unabhängiges Österreich“. Bis 1945 konzentrierte sich die Kommunistische Partei Österreichs im antifaschistischen Widerstand auf den Kampf für eine freies, demokratisches und unabhängiges Österreich. Der nationale Befreiungskampf ersetzte den Kampf für den Sozialismus.
Diese Politik fand auch in den ersten Jahren nach 1945 eine Fortsetzung, nämlich in der (trügerischen) Erwartung einer volksdemokratischen Umwälzung in Österreich. So verzichtete die KPÖ 1945 z.B. auf die Wiedergründung einer eigenen Jugendorganisation und unterstützte als einzige Partei stattdessen die Gründung der Freien Österreichischen Jugend (FÖJ). Der ersten provisorischen Regierung, die von der Sowjetunion nach der Befreiung Wiens 1945 eingesetzt wurde, gehörte die KPÖ zu gleichen Teilen mit der Sozialdemokratie und der konservativen Volkspartei an. In der Nachfolgeregierung, die nach den ersten Wahlen gebildet wurde, stellte die KPÖ nur noch einen Minister (bis 1947). Als im Oktober 1950 eine spontane Streikbewegung gegen den vierten Lohn-Preis-Pakt ausbrach, unterstützte die KPÖ die Streiks solidarisch, konnte aber nicht verhindern, dass die Streikbewegung zusammenbrach. Später wurde in der KPÖ diskutiert, ob man, obwohl man der Regierung nicht mehr angehörte, sich in dieser Zeit nicht noch zu sehr als staatstragende Partei verstanden hat und deshalb auch von der Streikbewegung überrascht worden war. Auch der Verzicht auf eine eigene Jugendorganisation wurde erstmals Mitte der 1950er Jahre kritisch diskutiert, damals allerdings noch ohne praktische Konsequenzen.
Ende der 1960er Jahre stand die KPÖ schließlich vor einem Scherbenhaufen. Teile der Parteiführung rebellierten gemeinsam mit der Führung der FÖJ und der Gewerkschaftsorganisation Gewerkschaftliche Einheit gegen die Parteiführung und versuchten, eine revisionistische-„eurokommunistische“ Ausrichtung durchzusetzen. Dieser Versuch scheiterte und in den 1970er Jahren erfolgte eine programmatische Erneuerung auf Basis des wissenschaftlichen Sozialismus. 1970 wurde außerdem die Kommunistische Jugend Österreichs gegründet, nach 25 Jahren hatte die österreichische Jugend wieder eine kommunistische Jugendorganisation.
Welche Lehren und Erfahrungen sind für unsere heutige Arbeit daraus zu ziehen?
Das 13. Plenum des Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale charakterisierte den Faschismus als „die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“. Diese Definition des Faschismus ist auch heute noch richtig. Sie unterstreicht, dass der Kampf gegen den Faschismus nicht von dem gegen den Kapitalismus losgelöst werden kann. Bürgerliche Demokratie und Faschismus sind zwei miteinander austauschbare Herrschaftsformen des Kapitals zur Aufrechterhaltung des eigenen Strebens nach dem größtmöglichen Profit und zur Durchsetzung der eigenen Interessen nach innen und außen.
Die sozialdemokratischen Organisationen und ihre Führer können keine Verbündeten im konsequenten Kampf gegen den Faschismus sein. Ihre Politik richtet sich an allen Fronten gegen die Interessen der Arbeiterklasse. Eine Reihe an Angriffen auf die demokratischen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse wurden und werden von Regierungen unter sozialdemokratischer Führung oder mit sozialdemokratischer Beteiligung durchgeführt. Exemplarisch zu nennen wäre die die Einführung einer Ausnahmezustandsgesetzgebung durch die sozialdemokratisch geführte Regierung in Österreich 2015/16 oder die Bankenrettungspakete 2008 und Folgejahre bei gleichzeitiger Kürzung verschiedener Sozialleistungen. Die von der Sozialdemokratie propagierte Sozialpartnerschaft und die Kontrolle der über die Gewerkschaften in Komplizenschaft mit der Arbeiteraristokratie ist das größte Hemmnis für den Kampf der Arbeiterklasse für ihre Interessen. Dies zeigte sich nicht zuletzt in der Auseinandersetzung um den 12-Stunden-Arbeitstag in Österreich. Es ist die Aufgabe der Kommunisten, die Rolle der Sozialdemokratie als soziale Hauptstütze des Kapitalismus im bürgerlichen Parlamentarismus zu entlarven.
Es ist die Aufgabe der kommunistischen und Arbeiterparteien den antifaschistischen Kampf zu organisieren und ihn mit den demokratischen und sozialen Kämpfen der Arbeiterklasse und der Volksschichten zu verbinden. Dies kann nur gelingen, wenn geeignete Methoden und Taktiken entwickelt werden, eine größtmögliche Einheit und Klarheit der Arbeiterklasse und der Volksschichten herzustellen. Der Antikommunismus und die Verfälschung der Geschichte durch die bürgerlichen und sozialdemokratischen Kräfte müssen in aller Deutlichkeit zurückgewiesen werden.