Für ein freies, unabhängiges und sozialistisches Österreich!
Stellungnahme des Parteivorstandes der Partei der Arbeit Österreichs (PdA) zum 75. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Österreichs von Deutschland, Wien, 26. April 2020
Am 27. April 1945 wurde mit der „Proklamation über die Selbständigkeit Österreichs“ die Annexion Österreichs durch Deutschland vom März 1938 für nichtig erklärt. Diese Erklärung, die von Vertretern der beiden antifaschistischen Parteien SPÖ und KPÖ sowie der zumindest antinazistischen ÖVP unterzeichnet wurde, stellte damit auch die demokratische Republik Österreich auf Grundlage der Verfassung von 1920 wieder her.
Rund sieben Jahre nach der militärischen Okkupation und politischen Annexion wurde durch diesen Akt die deutsche Fremdherrschaft in Österreich formell beendet. In einigen Teilen des Landes setzten jedoch Einheiten der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS die Kämpfe fort, bis zur deutschen Kapitulation am 8./9. Mai 1945. Erst mit diesem Datum war ganz Österreich befreit und unter Kontrolle von Truppen der Anti-Hitler-Koalition aus der UdSSR, aus den USA, aus Großbritannien und Frankreich.
Dass Österreich im Jahre 1945 als unabhängiger Staat wiederhergestellt wurde, war keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Es ist vor allem dem Wirken österreichischer Kommunisten und der UdSSR zu verdanken, dass die falsche deutschnationale Idee bezüglich und in Österreich theoretisch, ideologisch, politisch und praktisch überwunden wurde. Die österreichische Sozialdemokratie und die Vorläuferorganisationen der ÖVP (Christlichsoziale Partei bzw. austrofaschistische Vaterländische Front) lehnten seit 1918 und bis in die ersten Jahre des Zweiten Weltkrieges hinein die Vorstellung einer selbständigen, von der deutschen Nation unabhängigen österreichischen Nation ab. Sie definierten die Österreicher als Deutsche und begünstigten dadurch den „Anschluss“-Gedanken, den der NS-Faschismus propagandistisch dankbar aufgriff.
Lediglich die damalige Kommunistische Partei in Österreich, eine Sektion der Kommunistischen Internationale, stellte sich schon in der Zwischenkriegszeit und vor der deutschen Annexion gegen die antinationale Haltung der anderen politischen Kräfte, die sich als die wahren heimatlosen Vaterlandsverräter erwiesen. Die Kommunisten entwickelten die wissenschaftliche Grundlage der Theorie der eigenständigen österreichischen Nation als eine historisch entwickelte stabile Gemeinschaft von Menschen auf Basis der Gemeinschaft der Sprachen, des Territoriums, des Wirtschaftslebens und der sich in der Gemeinschaft der Kultur offenbarenden Wesensart. Bezüglich dieser Faktoren, die das marxistisch-leninistische Nationsverständnis umreißen, unterschieden sich die Österreicher von den seit 1871 in einem Staat zusammengefassten Deutschen, obwohl es natürlich auch Überschneidungen und Gemeinsamkeiten gab und gibt. Die entscheidenden Jahre 1804 (Gründung des österreichischen Kaiserreiches), 1806 (Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation), 1848/49 (Scheitern einer gesamtdeutschen Revolution), 1866 (Österreichisch-Preußischer Krieg), 1867 (Schaffung Österreich-Ungarns), 1871 (Gründung des Deutschen Kaiserreiches) und schließlich 1918 (Gründung einer deutschen und einer österreichischen Republik) hatten politische Fakten geschaffen, denen einerseits ökonomische, politische, soziale und kulturelle Bedingungen zugrunde lagen, und die andererseits wiederum getrennte und unterschiedliche Entwicklungen vorantrieben. Im Jahr 1938 gab es – abgesehen vom untauglichen Kriterium der gemeinsamen Sprache – keine materielle Grundlage mehr für ein Aufgehen der Österreicher in einem „großdeutschen“ Volk.
Daher bekämpften die österreichischen Kommunisten 1938 den so genannten „Anschluss“ nicht nur als Ausweitung der NS-faschistischen Diktatur, sondern – wenngleich viele Österreicher mit dem deutschen Faschismus kollaborierten und an seinen Verbrechen beteiligt waren – auch als deutsche Besatzung und Fremdherrschaft, als nationale und kulturelle Unterdrückung, als wirtschaftliche und soziale Ausbeutung – ein Gedanke, der damals von der Sozialdemokratie nicht geteilt wurde: Sie lehnte zwar den NS-Faschismus ab, bewertete die angebliche „Wiedervereinigung der Deutschen“ jedoch als historischen Fortschritt, der auch nach Ende der faschistischen Diktatur Bestand haben müsse. Die Kommunisten hingegen führten als einzige politische Kraft von 1938 bis 1945 bewusst nicht nur einen antifaschistischen Widerstandskampf, sondern auch einen antideutschen nationalen Freiheitskampf. Und es ist zum Gutteil dieser Tatsache zu verdanken, dass der österreichische Beitrag zur eigenen Befreiung, der von der Anti-Hitler-Koalition in der Moskauer Deklaration von 1943 gefordert worden war, auch erbracht wurde.
Angesichts der realen Bedingungen und Entwicklungen waren SPÖ und ÖVP schließlich gezwungen, ihre deutschnationalen Positionen aufzugeben – im April und Mai 1945 gerierten sie sich plötzlich alle als österreichische Patrioten, die sie schon immer gewesen seien. Natürlich hatten auch die Schrecken der faschistischen Terrorherrschaft und des Krieges dazu beigetragen, die viele deutschnationale Österreicher von ihren großdeutschen Phantasien abließen. Heute, 75 Jahre später, hat nur noch eine kleine Minderheit die deutschnationale Idee nicht aufgegeben und lehnt die österreichische Nation nach wie vor ab. Bei der österreichischen Bevölkerung erlangt sie damit jedoch keinen Einfluss mehr. Die Existenz einer eigenständigen österreichischen Nation, die sich unabhängig und unterschiedlich von der deutschen Nation entwickelt hat, ist mittlerweile weitestgehend unumstritten. Die Wiederauferstehung eines unabhängigen österreichischen Staates, die Anerkennung der eigenständigen österreichischen Nation und das unzweifelhafte Bekenntnis der Österreicher zu dieser sind im Kern das Ergebnis des theoretischen und praktischen Wirkens der österreichischen Kommunisten.
Die Partei der Arbeit Österreichs hat es sich der Aufgabe angenommen, das Erbe des antifaschistischen und nationalen Freiheitskampfes zu bewahren, die Unabhängigkeit Österreichs und die Souveränität des österreichischen Volkes zu verteidigen. Dazu gehört auch, der historischen Wahrheit zu entsprechen, Lügen und Entstellungen derselben entgegenzutreten, in theoretischer und praktischer Hinsicht für Freiheit, Frieden und Selbstbestimmung einzutreten.
Diesbezüglich gibt es mehrere wichtige Aufgaben, die zu bewältigen sind: die Förderung eines Österreich-Bewusstseins in der Bevölkerung, das Identität, Tradition und Geschichte fortschrittlich aufnimmt und weiterführt, aber auch der jüngeren dynamischen Bevölkerungsentwicklung Rechnung trägt und daher in der Lage ist, neue Facetten positiv auf- und anzunehmen, die z.B. durch Migration zur österreichischen Identität beitragen; die Förderung eines antifaschistischen und demokratischen Bewusstseins; die Förderung eines antimilitaristischen und dem Frieden zugewandten Bewusstseins; die Förderung eines ebenso patriotischen wie internationalistischen Bewusstseins.
In diesem Sinne tritt die PdA für die Verteidigung der österreichischen Neutralität ein und wendet sich gegen Militarismus und Militarisierung, Aufrüstung und NATO-Einbindung, gegen die Beteiligung des österreichischen Bundesheeres an imperialistischen Interventionen und Okkupationen. Die PdA bekämpft konsequent und bedingungslos Faschismus, Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Sie verteidigt die österreichische Selbstbestimmung gegen das Dominanzstreben der großen imperialistischen Staaten, insbesondere Deutschlands und der USA, gegen die Entmündigung der österreichischen Bevölkerung durch EU-Institutionen. Trotzdem steht unser Hauptfeind im eigenen Land und heißt österreichischer Kapitalismus und Imperialismus.
Denn die gegenwärtige österreichische Nation ist eine kapitalistische Klassengesellschaft, in der eine kleine Minderheit die Volksmassen unterdrückt und ausbeutet, wenngleich „nur“ mit den Mitteln des bürgerlichen Demokratismus und der „freien Marktwirtschaft“. Wahrer fortschrittlicher Patriotismus bedeutet daher, unser Land den Klauen des österreichischen und ausländischen Großkapitals zu entreißen und eine wirkliche Demokratie der arbeitenden Menschen zu schaffen. Freiheit bedeutet, die Klassengesellschaft zu überwinden und den österreichischen Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft ohne Imperialismus, Faschismus und Krieg, ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu beschreiten. Die autonome Wahl dieses Entwicklungsweges ist wahre Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.